Freitag, 24. Dezember 2021

Predigt zu Heiligabend

 

Heiligabend


Heiligabend sagen wir zu diesem Abend

Dass er uns wirklich heilig ist, das merken wir gerade.

Und welche Kraft er hat.

Irgendetwas geht von diesem Tag aus,

etwas nicht alltägliches.

Etwas mit einer großen Kraft. 

Einer Kraft von der wir zehren können,  

wenn wir sie vielleicht im Moment gerade nicht haben.

Einer großen Kraft, die er 2000 Jahre angesammelt hat 

- vielleicht gerade für Dich heute Abend,

damit Du bestärkst wirst 

und allem standhalten kannst.


Heute hörst du diese alte Weihnachtsgeschichte,

die erzählt von Leuten, 

deren Leben gerade aus dem Gleichgewicht gekommen ist, 

aus ganz verschiedenen Gründen. 

Die sich einfinden an einem Punkt,

der sie verbunden hält. 

Auch wenn ihre Wege und ihre Lebenseinsichten nicht die gleichen sind.

Dieser Punkt ist die Krippe.

Ist ein Stern, der darüber leuchtet.

Sind Menschen, die Gott empfangen.


Lass UNS das sein. Lass uns die sein, 

die zusammen auf dieses Wunder schauen.

Die sich anrühren lassen und Vertrauen bekommen.  

Von etwas das man kaum sehen kann. Von Gott.


Predigt


Es ist 26 Jahre her als ich mit meiner ersten Tochter schwanger war. 

Eines Tages machten mein Mann und ich uns auf eine Reise mit unserem kleinen Studentenauto. 

Wir waren auf dem Weg zu unserer Familie. 

Der Weg war beschwerlich und weit. Eine Stunde Fahrt. 

Einmal fuhren wir eine lange gerade Landstraße entlang. 

Einige hundert Meter vor uns eine große Kreuzung. 

Von rechts kam ein Auto. Es musste warten, denn wir waren auf der Hauptstraße. 

Es blieb auch stehen. 

Nur wenige Momente aber, bevor wir diese Kreuzung erreichten, fing dieses Auto an, 

auf unsere Straße aufzufahren. 

Und der nächste Moment war ein riesiges hektisches gigantisches Bremsmanöver. 

Quietschende Bremsen von uns und dem Auto hinter uns und dem Auto, 

das plötzlich aufgefahren war. Ein Wackeln und Schwanken. 

Mit einem großen Bogen konnte mein Mann das Auto umfahren. 

Bremste. Hielt an. Wir waren verschont geblieben. 

Unser Kind in meinem Bauch war verschont geblieben. 

Ein guter Stern stand über uns.

Nichts war passiert. Und viel hätte passieren können. 

Es hatten sicher nur Millimeter oder Bruchteile von Sekunden gefehlt. 

Schockiert fuhren wir weiter. Über Jahre hinweg fuhr ich ungerne Auto. 

Ich hatte das Vertrauen in die anderen Verkehrsteilnehmer verloren. 

Erst mit 28 Jahren machte ich viel später meine Fahrerlaubnis. 

Ich hatte entschieden, mich wieder auf die anderen zu verlassen. 

Dass sie auf ihrer Spur bleiben, dass sie anhalten, wenn sie es sollten, 

dass sie mich nicht gefährden 

und sich einfach an die Verabredungen halten, die im Verkehr gelten. 

Das war schwer. Aber letztendlich sah ich keinen anderen Weg, als ihnen zu trauen. 

So funktioniert der Straßenverkehr, man vertraut aufeinander.


Josef hat einen ähnlichen Crash erlebt. 

Er hatte sich Maria ausgesucht als seine zukünftige Gefährtin. 

Er, der Zimmermann und sie würden ein wunderbares Paar sein. 

Sie würden Kinder bekommen und ein Haus zusammen haben, das Leben miteinander teilen. 

Und dann wurde Maria schwanger, bevor die beiden sich überhaupt näher kamen. 

Josefs Vertrauen muss sich aufgelöst haben von einer Minute zur andere. 

Die Frau, der er vertraute, war wohl fremd gegangen oder was war da passiert? 

Das war ihm passiert - und eben war sein Leben noch in Ordnung gewesen…  

Stellt euch einfach vor, was in diesem Mann alles vorgegangen sein muss 

- dass er am Ende einverstanden war mit dieser Situation! 

Josef hatte in seinem Leben jemandem, dem er ganz und gar vertraute: Gott. 

Er vertraute in Gott und darum vertraute er ins Leben. 

Und als er dann die Nachricht bekam, dass er Maria als seine Frau annehmen soll 

mit diesem Kind und einfach vertrauen solle, dass das jetzt das Richtige sei. 

Da hat er’s gekonnt.

Vielleicht hat er sich eine Nacht hinaus gesetzt und hat in die Sterne schaut 

oder ist auf einen Berg gestiegen oder hat eine Runde Holz gehackt… 

Er hat entschieden, wieder zu vertrauen, weil er damit mehr Leben gewann, 

als er sonst - ohne Vertrauen - gehabt hätte. 

Eine Vertrauensentscheidung. 

Eine Lebensentscheidung. 

Eine Glaubensentscheidung.


Ich glaube, das Vertrauen ist die Regung in uns allen, 

die in diesen Tagen am meisten Schaden genommen hat. 

Und natürlich hat uns Gott auch noch 

einen guten und scharfen Verstand gegeben, damit wir selber denken und entscheiden können. 

Aber das Denken und die Fakten sind eben nicht alles im Leben, 

das merkt ihr alle jetzt gerade. Sie helfen uns oft nicht wirklich weiter. 

Sie erklären nicht alles. Sie erlösen uns nicht. 


Für mich ist das einer der Gründe, warum wir immer noch - schon seit 2000 Jahren - 

diese Weihnachtsgeschichte feiern. 

Weil sie tief beeindruckend und prägend und uns ein Vorbild ist: 

dass es Menschen gibt, die damals vertraut haben, die die Hoffnung nicht aufgegeben haben. 

Die festgestellt haben, dass die Leisten des Alltags nicht die tragfähigen Balken sind, 

die am Ende tragen, denn sie können auch mal einen Knacks bekommen, 

und das darunter ein Fundament sein müsste 

aus Vertrauen und Liebe und Gnade und Glaube. 

Eines, das immer trägt, egal wohin der Wind des Lebens dich trägt.


Wenn es dir also in diesen Tagen so geht, 

dass die Leisten des Alltags Risse bekommen 

und Dein Vertrauen schwindet, 

wenn die Müdigkeit dich verrückt macht 

und du gerade gerne in eine anderen Welt umziehen würdest, 

die irgendwie netter und unproblematischer ist, 

dann geh hinaus und schau in die Sterne - und sieh: 


bei Gott brennt Licht. 


Da gibt es einen unsichtbaren Raum, 

der hier ist, mitten unter uns, den er eröffnet und der ein Schutzraum ist 

für dich und mich in Zeiten der Rissigkeit. 

Oder zünde eine Kerzen an, sage jemandem etwas Freundliches, 

mache einen ersten Schritt, schlucke dein Geschimpfe einmal herunter, 

lasse jemandem den Vortritt, glaube deinem Kind, vertraue in dich und in den anderen. 

Deine tastenden Füße werden Balken spüren, die tragen, auch wenn darüber dünnes Eis ist.

Wenn wir uns heute Frohe Weihnachten wünschen, 

dann meinen wir nicht fröhlich, 

sondern still froh friedlich geborgen aufgehoben wissend, dass es Gottes Raum hier gibt. 

Gleich hier. 

Und dass der etwas aushält. 

Amen.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...