Samstag, 20. April 2019

Predigt zu Ostern für drei Familiengottesdienste 
mit großen und kleinen Menschen und bunt 
gemischten Wundertüten...


Eines Tages musste Jesus seinen Freunden etwas sagen:
Ich werde gehen.
Sagte er. 
Wenn ich gegangen bin,
kann ich dennoch für euch da sein. 
Schaut dieses Samenkorn an.
Es erzählt euch seine Geschichte:

Ich bin ein Samenkorn.
Schlank und fest und trocken.
Ich kann jegliche Form haben.
Winzig und groß.
Mit Rillen und ganz glatt.
Rund und oval.
Wie ein kleines Komma oder ein Regentropfen.
Es gibt so viele von uns.
Es gefällt mir, ein Samenkorn zu sein.
Ich spüre eine riesige kribbelnde Energie in mir.
Ich weiß nur nicht wozu.
Ich will mich strecken und tanzen. 
Manchmal denke ich, ich könnte noch ganz anders sein.
Ich bin hier nicht alleine.
Es gibt noch viel mehr Samenkörner.
Aber meine große Frage ist:
Was wird einmal aus mir werden?
Wofür werde ich gebraucht?
Manche von uns werden in einem großen Sack
zur Mühle gebracht und gemahlen 
und der Bäcker bäckt Kuchen aus mir.
Lecker.
Manche werden zu Futter und machen ein
Tier satt und stark,
dass ich herum springen kann und vor Freude hopsen.
Was für eine Lebensfreude!
Manche kommen in die Hand der Gärtnerin.
Das ist unglaublich spannend. 
Ich weiß nicht, was jetzt mit mir passieren wird.
In der warmen Hand ist es gemütlich.
Ich kann nicht sehen, wohin es geht.
Wo trägt sie uns hin?
Ich halte es kaum aus vor Neugier.
Dann gibt es einen Ruck.
Und in hohem Bogen fliege ich
- das ist irre - juchuuhhh!! - 
ich fliege und lande …. weich.
Ahhhh.
Die Sonne scheint warm auf meinen Bauch.
Der Wind wirbelt über meinen Rücken.
Die Erde riecht behaglich und würzig.
Plötzlich wird es dunkel.
Aua. 
Ich sehe nichts mehr.
Um mich herum ist Erde.
Soll es das gewesen sein?
Ich wollte doch noch…
Ich wollte mich noch strecken.
Mich aufrichten.
Wachsen. Tanzen.
Jemand werden.
Irgendwie anders.
Da ist etwas in mir.
Ich spüre es doch!
Nur hier, unter der Erde…
Ich spüre die anderen nicht mehr.
Es ist einsam hier.
Verlassen. Leer. Still.
Ich habe Angst.
Was passiert mit mir?
Jetzt, jetzt wird es auch noch nass.
Die Erde liegt auf mir.
Ich sehe nicht, was geschieht.
Ich werde ganz dreckig und aufgeweicht.
Ich werde noch kaputt gehen!
Meinen braunen Mantel muss ich ausziehen.
Wie schade.
Das wars dann.
Wäre ich doch ein Kuchen geworden.
Ich bin traurig und wütend.
Was hätte alles werden können mit mir!
Doch was ist das?
Es fängt an in mir zu kitzeln,
sich zu regen.
Es wächst in mir. 
Das ist sehr ungewohnt und neu.
Ich bekomme Anker nach unten,
die mich halten, die mich fest machen.
Ich bekomme einen Leib, der sich erhebt. 
Plötzlich stoße ich wieder durch die Erde ans Licht!
Licht! Sonne! Und ich bin anders geworden.
Grün. Lang. Beweglich.
Ich kann mich in und her biegen und im Wind tanzen.
Was wird aus mir werden?
Ich bin ganz und gar verwandelt.
Das habe ich nicht geahnt.
Dass das hier so werden kann.
Dass ich so werden kann.
Und ich spüre noch mehr,
spüre Farben in mir und Duft und Samen.
Nur meine Freunde, die anderen Samen,
wir würden mich jetzt nie im Leben wieder erkennen.
Ich bin eine andere geworden.
Das habe ich nie geahnt.
Am wenigsten als ich nur Finsternis sah.

Eines Tages kam Jesus wieder.
Seine Freunde dachten, er wäre gestorben,
verschwunden in Finsternis für immer.
Sie Freunde erkannten ihn erst nicht.
Er war ein anderer geworden.
Das hatten sie nicht geahnt.
Dass das so werden kann.
Dass Jesus so werden kann.
Dass sie so werden konnten.

Eines Tages kommen wir wieder
zu uns im See des Alltags
und spüren Veränderungen an uns selbst.
Wir verwandeln uns.
Gott gibt uns neue Kräfte,
neue Wege,
neue Spuren,
neue Hinweise unterwegs.
Manchmal kommt jemand eines Tages nicht wieder
zu uns
und wir sollen wissen 
dass auch er verwandelt ist.

Dafür hat Gott das gemacht.
Dass wird das wissen:
Für immer sind wir in Gottes Hand.
Im werden und Vergehen,
wenn wir Mäntel ablegen
und Dunkelheit  uns bedeckt.
Immer schon schlummert neues Leben in uns.
Immer.
Amen.

Lied: Korn das in die Erde… (EG 98)


Was aus uns noch wird im Leben und Sterben -
wir wissen es nicht.
Gottes neues Leben ist völlig überraschend.
Im Leben und im Sterben.
Ich möchte euch heute Samen mitgeben.
Auch sie müssen in die Erde
und werden sich verwandeln.
Und so, wie unser Leben überraschende
Wendungen haben kann
und Verwandlungen,
mit denen wir nicht rechnen,
so bekommt ihr Samen mit nach Hause,
von denen keiner ahnt, was es wird:
Lupine, Gurke, Petersilie
Sonnenblume
Studentenblume
Möhre
oder Radieschen
Kürbis oder Ackerwinde
Salbei oder
Bohne
Rot oder gelb, weiß oder grün?


Musik - Samen verteilen.



Freitag, 19. April 2019


Dora wollte nicht, dass wir ihre Hand halten.
Sie breitete die Arme weit aus.
So lag sie in ihrem Sterbebett.
Und ging ihren letzten Weg
gänzlich ungeschützt
mit weiten Armen.
Wie Jesus am Kreuz.
Als wolle sie direkt auf ihn zulaufen
und er würde sie nehmen
wie ein Kind
und durch die Luft wirbeln
und an sich drücken.
Am nächsten Tag war Karfreitag.
Jesus am Kreuz.
Mit diesen weiten Armen,
als würden sie einen neuen Horizont tragen.
Dahinter
Gott.




Karfreitag.
Heute keine Predigt.
Brot und Wein teilen.
Die Geschichte hören.
Was Jesus widerfahren ist.

Und dazu zwei Texte.
Zwischen Leben und Tod.




I

Die Nichtigkeiten
ruft er aus
dann muss er Luft schöpfen
unübersehbar sind seine Stunden gezählt

Die Nichtigkeiten
all das Versagen
das aufgeben und alles verlieren
und zerbrechen an sich oder anderem
und zerstören von dem, was einem eigentlich lieb ist
und Kontrolle über sich verlieren und
am Ende sein, richtig am Ende

Das ist der verlorenen Sohn
eigentlich sollte die Geschichte
Der wartende Vater heißen
Denn er wartet

Immer

Der Sohn darf wieder kommen
er vergibt ihm das alles.

Das ist ein geiles Ding aus der Bibel
Seine Bartstoppel zittern leicht
die Augen sind nur halb geöffnet
seine Stimme hat einen UdoLindenbergKlang
Er sieht aus wie einer
von dem man sich nicht gerne ansprechen lässt
der Alkohol ist ihm ins Gesicht gezeichnet
und dennoch
habe ich keinen gefunden
der gewisser in den Tod geht

Der wartet auf mich.
sagt er zu mir

Der Vater
Das ist meine Lieblingsgeschichte

Du kennst den Sohn
sage ich
er nickt
oh ja
flüstert er
den kenne ich
Und den Vater
frage ich
er nickt nur
ja

und wir beten lange
und zählen auf
was dem Sohn wiederfahren ist
auf seiner Lebensreise
und bitten den Vater
seine Rückkehr zu begleiten

Dann bin ich bei ihm
sagt er

Ich segne ihn und singe
wir sind still
ich erhebe mich
und sag zum Abschied
Ade

man sieht sich
sagte er

und hebt die dürre Hand mit den Kabeln und Schläuchen
sehr hoch hebt er die Hand
mit dem kleinen Holzkreuz darin

hinter dem Horizont gehts weiter
sage ich leise
er nickt
und seine Lippen sage tonlos
Jawoll





II

Es ist nach fünf und die Sonne geht gerade unter,
sie schickt noch einmal warme goldene Strahlen über den Horizont.
Wenig später stehen wir an ihrem Bett.
Fromme katholische Menschen
aus einem kleine Dorf in Unterfranken.

Ein Blutgerinsel.
Gerade noch war sie ihre 10 km gelaufen.
Nur einen Tag davor.
Da war alles in Ordnung.
Am Wochenende war die ganze Familie zusammen gekommen
und sie hatte das Urenkelchen auf ihrem Arm durch das Haus getragen.

Nun lag sie da.

Zeit sich zu verabschieden.
Alle waren schon da.
Morgen würden die Geräte abgeschaltet.
Er streichelt sie. Redet mit ihr.
53 Jahre verheiratet.
Dann singen wir.

Bleib bei mir Herr.

Wie eine Glocke legt sich das Lied um uns.
Die Intensivstation hält einen Moment den Atem an.
Sein tiefer Bass gesellt sich zu meiner hellen Stimme.
Im Leben und im Tod, Herr, bleib bei mir.
Seine Stimme bricht.
Ich lese Psalm 23.
Tränen laufen über sein Gesicht.
Dann halten wir ihre Hände und beten das Vaterunser.
Für sie und mit ihr.

Gott ist da.

Er ist so spürbar da im tiefen frommen Glauben des alten Mannes.
Sie wird leben.
Sagt er.
Das ist mir so ein Trost.
Dass sie dort leben wird.
Auf der anderen Seite.

Es ist nach fünf und ihr Leben geht gerade hinüber
sie schickt noch einmal Wärme in sein Herz
Dann wird sie gehen

Hinter den Horizont

Sonntag, 14. April 2019

Predigt für drei Konfirmationen
(14. April, 12. Mai, 9. Juni)

Etwas das immer bei dir bleibt.
Davon gibt es nicht viel.
Das meiste verändert sich im Leben.
Etwas das immer bei dir bleibt.
Du selbst wirst immer bei dir bleiben dein Leben lang.
Dein Körper.
Deine Vergangenheit und deine Erinnerungen.
Deine Sommersprossen.
Deine Art
zu gehen
zu sprechen
zu lachen
zu träumen.
Eine Narbe auf der Haut.
Diese ganz kleine Narbe
nur 3 Zentimeter groß
und weiß, wie das Stück einer Daunenfeder
über der Augenbraue
hast du sie
für immer
oder am linken Daumen
oder an deinem Knie.
Diese Narbe erinnert dich an etwas.
An einen Schmerz.
An jemanden der dir ein Pflaster gab
oder einen kleinen Verband.
Diese Narbe erinnert
dich an Verletzung und Heilung.
Das Leben hinterlässt Spuren auf dir
natürlich nicht nur auf der Haut.

Etwas das immer bei dir bleibt.
Diesen Körper, den trägst du immer mit dir.
Wenn er noch klein und leicht ist
und auch wenn er behäbig wird und faltig.
Und auch wenn sich vieles ändert:
Du bleibst.
Manche helfen ein wenig nach bei den Dingen die bleiben:
Mit Notizen auf ihrer Haut.
Sie verewigen ihre Erinnerungen 
oder Lebensstationen 
oder Menschen, die sie nie verlieren wollen,
auf ihrer Haut mit einem Tattoo.
Ein Bilderbuch des Lebens.
Manchmal sieht das sehr schön aus, manchmal schrecklich. 
Ein Tattoo bleibt für ewig.
Es ist nur sehr schwer zu entfernen.
Eine Entscheidung fürs Leben sozusagen.
So ein Tattoo, das muss man wollen.
Es ist nicht jedermanns Sache. 
Die, die sich ihre Haut damit prägen lassen, 
die finden sich damit schöner.
Die wollen ein Bekenntnis zeigen.
Wollen ihr Außenbild ergänzen, kompletter machen.
Manchmal etwas abdecken,
zum Beispiel eine Narbe… 
- auf ihr blüht dann plötzlich ein Herz.
Es sind Worte und Zeichen
Tiere und Pflanzen
Gesichter und Wesen.
Namen.
Namen, die sagen sollen:
Es ist schön, dass du da bist.
Das traut sich nicht jeder. 
Und: es bleibt!
Sie tragen es stolz.
Du stehst hier drauf!
sagen sie.
Du hast hier deinen Platz.
in meinem Leben -
damit ich´s nicht vergess`.
Wie Sterne hinterm Ohr 
und ein Name auf der Schulter
oder ein Kreuz auf dem Arm.
Diese Zeichen sind ein Statement
Vielleicht zeigen sie auch etwas, 
das man nicht genau so sagen könnte.
Und:
sie gehen unter die Haut.
Nur so bleiben sie.

Du bist übrigens auch geprägt.
Eingeprägt bist du
in Gottes Herz.
Etwas das immer bleibt.
Und Gottes Spur ist eingeprägt auf deiner Haut.
Etwas das immer bleibt.
Ein Statement.
Hier „ja“ zu sagen, zu dieser Macht, die dich trägt,
ist eine Entscheidung fürs Leben -  sozusagen.
Das muss man wollen.
Es ist nicht jedermanns Sache. 
Die, die Gott erleben, können sich damit schöner finden,
denn bei Gott zählt das Herz.
„Ja“ zu sagen, „ich bin ein Christ!“
das ist ein Bekenntnis.
Das ergänzt dein Außenbild und macht dich komplett.
Wie Sterne hinterm Ohr und ein Name auf der Schulter
oder ein Kreuz auf dem Arm.
Deine Entscheidung ist ein Statement.
Das traut sich nicht jeder. 
Und: das bleibt!
Trage es stolz.
Sag: Du darfst hier sein, Gott!
Schön dass du da bist.
Du hast hier deinen Platz.
in meinem Leben -
damit ich´s nicht vergess`,
damit ich weiß´für wen ich das alles mache.

Und Gott.
Sagt auch Ja.
Hat er längst.
Zu dir als Mensch
genauso wie du bist
dieses „Ja“, das geht bis tief unter die Haut,
das wirst du so leicht nicht mehr los.

Noch etwas, das immer bei dir bleibt.

In allem was du tust,
in allen Entscheidungen deines Lebens
wohin immer du gehst
- damit du weißt, für wen du’s machst.

Hier wird der Song: Sido / „Tausend Tattoos auf der Haut…“ abgespielt.

Gott ist für dich
For you.
Für dich da.
10.000 Mal.
Und noch viel öfter.
Gott, es ist so schön, dass du da bist.
Damit wir nicht vergessen
für wen
wir das hier machen
Leben
Lieben
alles.

Für jeden bist du.
Für B.

Für L.
Für L.
Für R.
Für E.
Für L.
Für R.
Für I.
 Amen.




.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...