Mittwoch, 31. Mai 2023

Lebensliturgie

 

 ... wo Gott sonst noch ist.....




Kennst Du den Anfang des Songs "Wind of change"?

Wo jemand in die Klänge der ersten Takte

die Melodie hinein pfeift?

Ein paar Takte nur ... und sofort wissen viele, um welches Lied es geht.


Es gibt Klänge, die sind Erinnerung.

Manchmal reichen ein paar erste Takte und mit einem Lied 

sind Gefühle und Erinnerungen da, gespeichert irgendwo in Dir.

Es gibt Klänge, die werden Dir zu einer Lebensliturgie.

Es gibt Lob und Klagelieder, Liebeslieder, Wutlieder  

- alltagsweise.

Gehört im Plattenbau oder auf dem fast leeren Bauernhof.

Im Kopfhörer auf dem Weg zur Schule.

In der Werkstatt aus dem Kofferradio oder in der Küche vom Pfarrhaus.

Alltägliche Lebenslieder.

Eine Lebensliturgie. 


Ich habe überlegt, was meine eigene erste Erinnerung an ein Lied ist, 

das mich auf diese Weise schon lange begleitet. 

Es war sofort da:


Aus einem etwas bartstoppelig kratzigen Mund gesungen, dazu viel Aftershave. 

Dicht an meinem Ohr. Nie sang er sonst. Nur für mich. 

Keine ahnte, dass er eine so schöne Stimme hat. 

„Guten Abend, gute Nacht… mit Rosen bedacht…

mit Nägeln besteckt.. schlupf unter die Deck…“ 

Die Decke war riesig und schwer, mit Federn gefüllt. 

Es roch nach Möbelpolitur und gestärkter Wäsche. 

Ganz winzig lag ich unter der riesigen Decke im Bett meiner Großeltern 

und mein Opa sang, 

mit dem Mund ganz dicht an meinem Ohr, 

ganz leise und mit samtener Tenorstimme, 

damit es außer uns beiden niemand hörte, 

mein Schlaflied. 


Das Lied und das dicke Bett. 

Die waren ein Ort des Friedens für mich. 

Das Lied höre ich bis heute nie ohne eine leichte Gänsehaut. 

Ich sang es später für meine eigenen Kinder und nun für meinen Enkelsohn. 

Als Ort des Friedens.


Eine Lebensliturgie aus dem Genre: "Angst und Vertrauen". 


Beim Singen singt nicht nur mein Mund.

Beim Singen singt nicht nur mein Atem.

Beim Singen singt nicht nur mein ganzer Körper,

mein Kopf und meine Sinne.

Beim Singen, sagt das alte Lied, singt meine Seele.

Klingt ein wenig kitschig aber irgendwie richtig.

Es erinnert mich in dieser Dimension an die Tochter von Freunden, 

die plötzlich mit ihrer ersten Brille überhaupt dreidimensional sehen konnte. 


Musik ist eine Dimension, die mich erweitert.


Lange habe ich das in 20 Jahren Landpfarramt erfahren.

Wie mich und andere die Dimension von Musik erweitert, 

wie wir sie erweitern können, wie sie unsere Gemeinschaft weiter machte, 

unser Herz, unser Verstehen, auch unseren Glauben.


Das Summen bis in die Haarspitzen, 

wenn die Orgel sich in allen Breiten genüsslich entfaltet 

und es summt bis in mich hinein.

Den Schwung beim Schnipsen mit Mitsingen.

Die Würde von „So nimm den meine Hände..“ - obwohl hunderte Male gesungen.


Lange habe ich 80 % meiner Gottesdienste ohne eine Musikerin gestalten müssen. 

Anfangs mit einem Kassettenrekorder. Später mit besserer Technik. 

Und mühsam mussten wir erstmal lernen 

zu diesem Rhythmus der Orgelbegleitungen aus der Dose, 

der sich nicht an uns anpassen konnte, zu singen. 

Aber dann haben wir es ebenso herzhaft getan. 

Und wir haben angefangen zu entdecken, was dort sonst noch möglich ist: 

Weihnachtsoratorium hören mit kleinen Gottesdiensten von 5 Leuten. 

Westernhagens „Freiheit“ durch die Kirche schallen lassen am 3. Oktober. 

Gerhard Schönes Lebenslieder für unser Herz. Gospel. Taize. 

Eine Musikwelt. 

Ohne dass wir deswegen je die Liebe zu unseren kleinen Orgeln verloren. 


Aber: unsere Lebensliturgien nahmen plötzlich noch mehr als zuvor Raum ein in der Kirche.


Ich möchte Euch das erzählen, weil es mich selbst verändert hat. 

Ich habe einen ganzen Friedhof voller junger Männer 

zu einem Song von Unheilig heftig aber wohltuend und gemeinsam weinen sehen. 

Ich habe die zum Teil kirchenferne Kirmesgesellschaft zum Kirmesgottesdienst „Alt wie ein Baum“ 

aus tiefstem Herzen singen hören, voll Lust und sich wohlfühlen in diesem Kirchenraum, 

in dem sie selten waren.

Ich habe älteren Damen Ü 80 CDs mit deutschen Worship Liedern besorgen müssen, 

weil die Texte sie so ansprachen. 

Ich habe einen jungen Mann erlebt, 

der mit Begeisterung vor allem die alten Gesangbuchlieder auf der Orgel spielte. 

Wenn dieser 17jährig damals orgelte musste ich die ganz alten Lieder raus suchen 

und er spielt jede Strophe mit einer anderen Interpretation. 

Je älter desto besser. Er öffnete auch unser Herz dafür.


Ich habe erlebt, wie mein Herz weit wurde. 

Gottes Sprache habe ich gehört. 

An Orten, wo ich sie nicht vermutet hatte.

Ich lernte massenhaft alte Volkslieder für meine alten Damen 

und was für Lebenslust klang plötzlich aus ihren Stimmen bei den Liedern ihrer Jugend 

und wir haben gesungen, dass der Wald so kirchenstill würde 

und von den Zweigen die rauschten, du fändest Ruhe hier. 


Menschen haben ihre Lebenslieder mitgebracht in den Heiligen Raum Kirche 

und die hatten plötzlich was zu sagen. 

Menschen nahmen Gotteslieder von dort mit in ihren Lebensraum 

und fanden dadurch heiligen Momente mitten am Tag. 


Ich wünsche mir so sehr, dass wir uns auf die Suche machen 

nach dem Gott, den wir noch nicht kennen. 

Der in Zimmern in Plattenbauten noch auf uns warten, 

in der Stimme des jungen Rappers,

in Dokusoaps oder einem jungen Freiwilligen aus Papua Neuguinea. 

Ich bin so neugierig wo ich Gott noch überall finden werde. 

Ich will lernen, dass ich die Wahrheit nicht gepachtet habe. 

Dass womöglich Kirche auch außerhalb von Kirche zu finden wäre. 

Ich wünsche mir, dass wir uns nicht mehr gegenseitig absprechen Kirche zu sein. 

Gerade unsere Pfingstbotschaft öffnet den Raum genau dafür. 


Die Theologin Nadia Bolz-Weber schrieb Pfingstsonntag:

„Weißt Du, ich finde es auch unendlich irritierend, 

dass sich Gottes erlösendes Werk in der Welt 

nicht höflich auf die Sprache und Theologie beschränkt, 

mit der ich zufällig einverstanden bin. 

Viel zu lange hat die Kirche so getan, 

als ob wir allein Eigentümerinnen von Gottes Wahrheit sind. 

Als ob es nur dann die Wahrheit ist, 

wenn es in der Sprache, die wir verstehen, eingebracht wird, 

der man sich übrigens anzupassen hat. 

Aber davon hören wir (...) (in der Pfingstgeschichte gar) nicht. 

Sondern wir hören, dass das Reich Gottes kein Reich 

mit einem Recht auf eine bestimmte Sprache ist. 

Wir Menschen üben Macht aus durch vorgegebene angepasste Sprache. 

Gott aber nicht. 

„In unseren eigenen Sprachen hören wir sie über Gottes Machttaten sprechen".

Gott ist tatsächlich mächtig genug, um sein erlösendes Werk 

auch jenseits unserer festgelegten christlichen Symbole hinaus zu vollbringen. (...)

Lasst uns (...) Teil eines Pfingsten sein, das feiert, 

wie Gott durch Sprachen kommuniziert, die wir nicht verstehen, 

und durch Theologie und Weisen, mit denen wir nicht einverstanden sind.“ 

(Nadja Bolz-Weber, Pfingsttag 2023 Instagram)


Das macht mir viel Mut. 

Dass ich noch so viel vor mir habe, worin ich Gott finden kann.

Für mich. Für andere. Mit anderen. Andere für mich. 

Auch Du bringst Deine ganz persönliche Gottesreich Sprache mit. 

Jeder und jede von uns. Auf jegliche Weise. In so großer Vielfalt. 

Ein echter pfingstlicher Tag ist das, 

wenn wir sie einfach fröhlich nebeneinander legen werden 

und uns gegenseitig zeigen.

Du meine Seele singe. Wohlauf und singe schön.


Als er übrigens zur Diamantenen Konfirmation eingeladen wurde,  

sagte Klaus Meine, Sänger der Scorpions, Sänger der Liedes „Wind of change“,  

hätte ihn das zutiefst gerührt. 

Zuerst hätte er das unheimlich krass gefunden, vor 60 Jahren konfirmiert worden zu sein. 

Er hätte dann wegen dieser Einladung über so vieles in seinem Leben nachdenken müssen, 

auch über Gottes Spuren in seinem Leben. 

Er findet, Musik ist eine Form von Liebe und das Gebet eine Kraft für ihn, die ihn im Leben trägt. 

Er findet, die Kirche muss die Menschen umarmen und soll damit nicht nachlassen. 


Die Menschen umarmen…. Musik kann das. 

Deine Arme und Deine Worte können das auch. 

Ist das nicht wunderbare Zukunftsmusik?


Hier sind die starken Kräfte, die unerschöpfte Macht. 

Du meine Seele singe! Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.


(Predigt zum Propsteitag "Du meine Seele singe" 2023 in Magdeburg.)


Interview Klaus Meine:

https://www.evangelisch.de/inhalte/215698/11-05-2023/scorpions-saenger-klaus-meine-musik-ist-soulfood-fuers-leben


Sonntag, 14. Mai 2023

... Was haben wir hier gebetet!!

Predigt zum 40. Waldgottesdienst in Queienfeld

Dialogpredigt zwischen Regionalbischöfin Bettina Schlauraff 
und Generalsuperintendentin Theresa Rinecker


 

Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; 

suchet, so werdet ihr finden; 

klopfet an, so wird euch aufgetan. 

Denn wer da bittet, der empfängt; 

und wer da sucht, der findet; 

und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ 

(Lukas 11)

 

Bettina Schlauraff:


Wie es ist, anzuklopfen… 

vor einer bekannten oder auch unbekannten Tür stehen. Und anzuklopfen oder zu klingeln. Und dann zu warten. Zu warten und Lauschen, das kenne ich gut. So oft habe ich das getan als Pfarrerin. Und ihr hier habt alle schonmal so wartend vor einer Tür gestanden.

Die ersten Male stand ich als Pfarrerin da mit großer Aufregung. Später mit der Erfahrung und tiefen Gewissheit, so gut wie nie weg geschickt zu werden. Höchstens mal jemanden zu verpassen, sodass niemand öffnet. 

 

Anklopfen und warten, ob jemand öffnet – davor habe ich schon lange keine Angst mehr.

Vielleicht auch wegen dieser beiden Menschen:

 

Brigitta und Kurt

Diesen Dienstag stand ich auf dem kleinen Friedhof einer winzigen Gemeinde, in der ich vor vielen Jahren einmal Pfarrerin war. Ich stand am Grab von Brigitta und Kurt mit einem Blumengruß. Sie sind beide vor kurzem in hohem Alter verstorben und leider konnte ich mich nicht von ihnen verabschieden. An ihrem Grab, vor ein paar Tagen, dachte ich sehr an sie und unsere vielen Begegnungen und ich dachte genau an das Klingeln an ihrer Tür. Die Geräusche davon hatte ich sofort im Ohr. Das Krrrrrrg der alten Klingel am großen Tor. Die Klingel, die nicht nur im Haus, sondern auch im Hof klingelte, weil die beiden viel draußen auf ihrem alten Bauernhof unterwegs waren. Dann musste ich etwas zurück treten, denn als erstes bellte der große Hund und steckte seine schwarze, etwas grau gewordenen Nase unter dem Tor durch, d.h. irgendwann bellte er bei mir dann auch nicht mehr. Dann hörte ich die Klinke und die alte Tür des Hauses gehen. Die schlurfenden Schritte. Das Tschacktschack des Schlüssels im Tor, das leicht quietschend aufging. Und dann: das große glückliche Lächeln in den lieben Gesichtern von Kurt oder Brigitta. So ein richtiges Nach-Hause-komm-Lächeln. „Ohh. Da freuen wir uns aber…!! Kommen Sie bitte rein!“ Das war ein wunderbares warmes Gefühl. Und dann gingen wir in die alte enge Küche, die mit tausend Dingen gefüllt war, mit Blümchenkissen auf den Stühlen und Blümchenschürze an Brigitta, die immer eine Thermoskanne mit Kaffee stehen hatte, denn es kam öfter Besuch bei den beiden lieben alten Leuten. Und oft saßen wir an dem kleinen Tisch, der eigentlich nur für zwei war, einer saß auf einer Kiste daneben und wie oft gaben sie mir guten Rat in meinen ersten Jahren Im Pfarramt. Sie haben mir so viel erklärt und zugehört und mir ihre Lebensgeschichten anvertraut. An dieser Tür, das wusste ich, hätte ich immer klingeln können. Immer. Auch nachts. Oder in Not. Oder hungrig und durstig. Egal mit welchem Anliegen. Immer.

 

Das ist etwas Großes, schätze es nicht zu klein!

Wenn Du so eine Tür hast. So ein Tor. So eine Klingel, wo Du immer und jederzeit jemanden finden würdest. So zuverlässig, so eine Sicherheit und Verlässlichkeit. Eine Vertrautheit auch. Ein unausgesprochenes Versprechen. So eine Tür ist wie der Beckenrand im Schwimmbad wenn Dir die Luft ausgeht. Wie der Seitenstreifen auf der Autobahn, wenn Dein Motor meckert. Wie der Stein in der Pfütze, dass Du nicht durchnässt wirst. Wie die Hand, die Dir jemand reicht, um irgendwo hinaus zu steigen:

Eine Tür, die Dir offen steht und wo Du keine Hemmungen haben bräuchtest, zu klingeln oder zu klopfen und jemand täte Dir auf nähme Dich herzlich mit hinein.

Das habe ich auch hier bei Euch so oft erlebt, wohin auch immer ich kam. Und ich denke, auch Du weißt mindestens eine Tür, wo Du immer willkommen bist. Das hoffe ich jedenfalls für Dich. 

So ein Wissen, um solche Türen, ist nämlich richtiges Glück.

Das ist etwas Großes, schätze es nicht zu klein!



Theresa Rinecker:


„Darf ich reinkommen?“ Habe ich an mancher Haustür gefragt. Vor Jahren hier in Queienfeld  und Rentwertshausen, Westenfeld und Behrungen und seitdem immer wieder auch an anderen Orten. „Darf ich hereinkommen?“ war sooft erster Satz auch in den Krankenzimmern. Und erst recht in den vergangenen Jahren. Nach dem Satz, wenn er meint, was er fragt, entsteht oft ein kleiner stiller und mitunter auch banger Moment.  Kann ich hilfreich sein? Brauchen Sie etwas, kann ein Reden und Stille-Sein miteinander helfen?

Wie schön, wenn es auch mal so ist wie heute. Das ist ja auch möglich. Man sitzt am Schreibtisch und dann kommt eine Mail rein, die einlädt. Die dich herein bittet, in dem Falle heraus an die Lutherlinde. Hinein in eine Tradition von Predigten im Freien, öffentliches Reden und Beten vor aller Welt, also jedenfalls meist vor viel mehr Menschen, Hereingebeten werden, zum Predigen, davon leben wir, auch als Pfarrerinnen. Ich bin dankbar für solche Einladungen und alle damit verbundenen Gastfreundschaft und Neugier. Und natürlich erst recht, wenn man an einen der Lieblingsorte mit so vielen Lieblingsmenschen gebeten wird. Erst recht an diesen Lebensort, an den viele Erinnerungen geknüpft sind und vor allem Verbundenheiten, die durch die Jahrzehnte seit 1989 gehalten wurden. Danke für die Einladung, ihr Lieben. Denn eine Einladung lässt sich auch als Bitte verstehen: Kommst Du? Bitte.

Mir scheint das Bitten in diesen Tagen ein bisschen unter die Räder gekommen zu sein. Jedenfalls ist es immer die leisere Schwester, die kleinere der großen, die vollmundig auftritt und fordert und beurteilt. Die große Schwester weiß besser und will es Welt zeigen will, wie es gehen kann. Wer etwas leiser ist und bittet, der brüllt seltener. Wer bittet zeigt, dass ihm etwas fehlt. Zum Glück, zur Zufriedenheit, zum Weiterkommen. Auch zu einem Fest. Es fehlt etwas, dass ich mir nicht selber geben oder verschaffen oder erklären kann, wenn ich bitte. Ja, es ist für viele ganz schwierig, andere um etwas zu bitten. Müssen wir zuvor doch eingestehen, was wir nicht können, wessen wir nicht mächtig sind, wessen wir bedürfen. Wer bittet zeigt sich angewiesen und weiß sich verbunden. 

 


Bettina Schlauraff:


Und weißt du, Theresa, manche sagen auch, das Beten sei ein wenig unter die Räder gekommen. Ich weiß nicht, ob es so ist. Ich hoffe eigentlich und weiß auch, wie viele Menschen Hoffnung in ein Gebet stecken. Denn wen soll ich bitten und an wessen Tür klopfen für Dinge, die gerade nicht zu ändern sind? Die mich mitten am Tag erwischen, wofür keine der anderen echten Türen in meinem Leben passt? Vielleicht ist das Beten, also mein Beten, in solchen Momenten auch so eine Tür an der ich stehe. Und mein Gebet wäre das Klopfen. Ich stelle mir vor: da wo mich etwas akut bedrückt, könnte ich vor die Gottestür treten – so innerlich. Die Augen schließen für ein paar Sekunden oder so lange ich es kann. Dann das sagen, das sprechen – laut oder lautlos, was gerade da in mir ist. Und ich hätte die Hoffnung, so ein „Nach-Hause-komm-Gesicht“ wie das von Brigitta oder Kurt würde sich meine leisen kleinen traurigen oder glücklichen oder bittenden Worte anhören. Selbst, wenn ich das nicht sehen könnte. 

Eine Tür könnte sich für mich öffnen und es wäre als säße ich da am Küchentisch bei Gott und könnte reden, bis alles raus ist aus mir und ich wieder Luft holen kann und wäre sofort ein paar Gramm leichter. Und hier tun wir es ja auch. Schon 40 Jahre auf diesem Platz und sonntags in unseren Kirchen. Alle zusammen: Gebetsworte sprechen und fest glauben, dass Gott sie hört. Das hat nochmal eine andere Kraft. Das zusammen zu tun. Manche sagen hinterher: Das hat mir gut getan,  

 


Theresa Rinecker:


Schau doch, Bettina, ob du nicht auch hier das eine oder andere „Nach-Hause Komm – Gesicht“ entdeckst. Hier, auf den Bänken. Und auf dem ganzen Waldfestplatz. Sind bestimmt zu finden, auch unter uns, die sich für das Wort „Bitte“ öffnen. Die Tür oder die Hände. Das Herz oder den Brotkorb. 

Mir gehen heute auch die durch den Sinn, mit denen wir hier zusammen gebetet und die wir dem Ewigen anbefohlen haben. Die das „Nach Hause komm Gesicht“ des Ewigen schon sehen dürfen. Ich sehe die vor mir, von denen wir gelernt haben, wie es geht, das Bitten und Tun. Und die es für uns gemacht haben, wenn wir nicht konnten. Wenn uns die Worte gefehlt haben oder die Zuversicht, dass da jemand hört. Wenn wir nicht mehr glauben konnten, dass es jemanden interessiert, was uns am Herzen liegt. Früher fand ich es gar nicht so leicht auszuhalten, wenn gerade in solchen Zeiten Menschen sagten: Wir beten für Sie. Wir denken an Dich. Heute kann ich immer noch nichts dazu sagen, außer Danke. Aber ja, danke. Dass wir Namen vor Gott bringen. Und Unrecht beim Namen nennen. Dass wir aussprechen was gesagt werden muss. Dass wir unsere Grenzen erkennen und um größerer Möglichkeiten bitten. 

So fing es hier doch an. Dass wir uns nicht verstecken wollten als Christinnen und Christen. Dass wir stolz sagen wollten, dass wir in Jesu Namen eintreten für Freiheit und Menschenrechte, für den Austausch von Gedanken und Sehnsüchten. Dass wir uns stärken konnten in der Gemeinschaft derer, die die Sache mit Gott nicht im Privaten lassen wollten. 

Vielleicht sind jetzt wieder solche Zeiten, in denen wir mutig, ich sage gerne: frisch, fromm und (was mich betrifft) auch evangelisch sagen: Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Also, heraus aus dem Stillen und öffentlich Eintreten für unsere Gemeinde und Gemeinschaft, diese Erde und unsere Verantwortung. Öffentlich beten und Singen, ganz im Sinne Martin Luthers:  „Man muss beten, als ob alles Arbeiten nichts nutzt, und arbeiten, als ob alles Beten nichts nutzt.“

Und dann doch vertrauen, dass das „Nach-Hause-komm“ Gesicht uns leuchtet in Zeit und Ewigkeit. Amen.


.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...