Sonntag, 28. Januar 2024

.... Verortung ..

 SCHWARZ-WEIß-WELT oder wie Farben entstehen


0. Prolog


An manchen Tagen meine ich, die Welt verliert tatsächlich plötzlich ihre Farbe und die von vielen herbei geredete schwarz-weiß-Welt sickert in das Leben wie die Fotoentwicklerflüssigkeit in das schwarz-weiß-Fotopapier in den Plasteschalen im Fotolabor meines Vaters. 

Ich bin gefühlt die ganze Zeit dabei, den schwarz-weiß-Menschen die Grautöne des Lebens sichtbar zu machen und dem Leben bunte Pullover anzuziehen.

Ich habe mir in tiefem Schwarz „Glaube Liebe Hoffnung“ auf meine nicht schwarz-weiße Haut tätowiert, damit ich es nicht vergesse. Darunter pulsiert mein Körper in Farben.


I. Schwarztöne


Blauschwarz 

Nachtschatten

Rußschwarz

Ebenholzschwarz

Lakritzschwarz

Samtschwarz

Pechschwarz

Kohlrabenschwarz

Phantomschwarz


…150 Schwarztöne finde ich bei meiner Suche

Schwarz gehört 

zu den unbunten Farbtönen


schwarz heißt: 

nicht das Licht reflektieren

sondern das Licht verschlucken 

ohne jeden Reflex

und nichts mehr hergeben von dem Licht


wir sagen

schwarzsehen

und Schwarzbrot

schwarz sein ist eine abwertende Fremdbezeichnung

Momente von schwarzdunklem Nichtreden und Verbergen hat meine Freundin mir gestern, durch eine Studie ausgelöst, geschildert: da gab es Männer die ihr zu nahe kamen

und ich habe ihr meine schwarzen Geschichten davon erzählt

So holen wir Geschichten gemeinsam aus dem Schatten

Schwarze Stunden 

sagen wir auch, hatte unsere deutsche Geschichte,

ihre dunklen Schatten und dunklen Worte kleben gerade wie alter Rumtopf an unseren Reden und ich wünschte, sie wäre wegzuwaschen

und würden sich wie Staub von den Füßen waschen lassen

aus allen Mündern und Gehirnen,

Gedanken und Hälsen

und wie ein schwarzer Rinnsal

in den Abfluss des Sagbaren zurück kehren

schwarz ist eine politische Farbe

schwarz sieht etwas aus, das verbrannt ist


Schwarz sein ist aber auch eine stolze Selbstbezeichnung

schwarz glänzen die Augen derer, die ich in der Nacht küsse

schwarz schillern Federkleider und das Fell 

und elegante Damenstrümpfe

Schwarz ist die Farbe der Magie


Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 

Und die Erde war wüst und leer, 

und Finsternis lag auf der Tiefe; 

und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. 


Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 

Und Gott sah, dass das Licht gut war.


Da schied Gott das Licht von der Finsternis


Am ersten Tag schuf Gott Himmel und Erde 

die waren finster 


Dann schuf Gott das Licht 

und trennte es sofort von der Finsternis


schwarz und weiß


Schon einen Tag später schuf er den Himmel.

Selbst da gab es noch keine Farben

Sie entstehen erst wenn es etwas gibt,

auf das das Licht fallen könnte

und reflektieren

und es braucht ein Auge in das dieser Reflex fällt


Gott schuf Finsternis und Licht

und er trennte sie


Und später schuf er Augen

zu sehen


Augen können übrigens zwischen schwarz und weiß

500 graue Farbtöne wahrnehmen






II. Graubilder


Meine in Fotos gebannten Erinnerungen an meine Kindheit

sind bis 1989 noch in schwarz - weiß 


Das heißt sie haben alles festgehalten  

in den 500 Grautönen zwischen schwarz und weiß

die Zeit hat noch eine sepia dazu gelegt.

schon fast eine Farbe 


Auf einem sehe ich Bettina, 6 Jahre alt

in 500 Grautönen

das aufgeschlagene Knie

und die selbst geschnittenen Haare

die großen Zehen spreizt sie bis heute auf den Fotos ab

ein wilder kleiner Kinderkörper

in einer kurzen DDR Turnhose

auf der Treppe eines Pfarrhauses

in der Mark Brandenburg 

der Staub und Dreck der Abenteuerwelt 

verschwimmen mit den Grautönen der Haut


Lächel mal, hat jemand gesagt 

sie lächelt artig ein graues Lächeln

und zieht dabei rotzig die Schultern hoch

Ich sehe Bettina, 6 Jahre alt

ihre Welt hatte mehr als 500 Grautöne

sie weiß noch nicht, in welchen Farben

sich ihr das Leben schenken wird

und wer und was ihre Farben definieren würde

Sie denkt noch, dass ihr alle Dinge offen stehen

Sie ahnt nicht, dass es sie später einmal

hin und her werfen wird

und sie Gott Fragen stellen wird.


Bettina auf dem Bild hier dachte immer, 

sie könnte alles sein und werden

egal was es sei, kunterbunt, 

und das dachte sie sehr lange

Etwa bis sie 17 Jahre alt war

und sie lernte, dass man sich im Leben entscheiden müsse

Man müsse sich immer entscheiden

-man könnte nicht den ganzen Kuchen haben

Immer nur eine kleine Portion


ich sehe

Bettina, 6 Jahre, die denkt: alles könnte sie sein



Und 


ehrlich



Sie hatte ja Recht!





III. wie die Farben entstehen 


Ich sehe Sachen


Eine Wolke aus hunderten Staren in einer anrührenden Choreogrogafie gestern über dem Busbahnhof hinter einem Eisköniginblauen Himmel. 

Ein Blau, das du Dir am liebsten auf Deine Haut legen würdest und es wäre wie warmer Schnee und das Blau erhellt Deine Sinne für Stunden.


Ich sehe die knisternden grellbunte Dinge in den Händen der Kinder, gestern im 1 € Shop, in dem ganze Familien zum exklusiven Wochenendausflug die Gänge füllen und die Mütter in gebrochenem Deutsch sagen, jedes Kind dürfe sich eine Sache für 1 € aussuchen und sie feiern es und kehren dann heim in Wohnblöcke aus grauem Beton, in denen die knisternden Dinge und sie selbst grellbunt das Licht reflektieren werden, sodass Farben entstehen.    


Ich sehe die gelbe Rose, jemandem herunterfallen, in der Fußgängerunterführung im Bahnhof liegen, Menschen strömen um sie herum, niemand tritt drauf und ich bleibe stehen und beobachte, wie die zarte Rose von ihrem lichtgelb abfärbt auf manches Gesicht und entscheide sie, genau dort liegen zu lassen.





Am ersten Tag schuf Gott Himmel und Erde 

die waren finster 

Am ersten Tag schuf Gott das Licht 

und trennte es von der Finsternis

schwarz und weiß

am zweiten Tag schuf Gott den Himmel

und dann die Dinge und dann die Augen

und dann Dich

mit schwarz und weiß

und Farben, die werden können.

Sonntag, 21. Januar 2024

... von kleine Hoffnungsträger*innen

Predigt vom Hoffnung weiter geben


Predigttext ist eine Geschichte aus dem Ersten Testament. (2. Könige 5, 1-19a)


Die Geschichte erzählt von einem Krieg. Von zwei Kriegsländern.

Das Größere überfällt immer wieder das kleinere Land. 

Dort leben sie in Angst und Unsicherheit. 

Es gibt Tod und Not und Verschleppung.

Es gibt zwei Könige und einen Armee-Chef.

Der Chef der Armee im großen Land heißt Naaman.

Ein Kriegsheld. Ein Sieger. Ein angesehener Mann.

Er hat großen Reichtum erlangt durch seine Kriegszüge. 

Er ist beliebt beim König.

Er hat alles. Alles. Alles.

Außer einem: er ist nicht gesund.  

Seine Haut ist krank.

Die juckt, tut weh. Jeden Tag. 

Er will es loswerden. Er hat alles versucht.

Kein Geld, kein Einfluss, keine Macht, auch nicht Krieg und Raubzug, 

nichts davon kann ihn zu einem gesunden Mann machen.


In seinem Haus leben Sklaven und Sklavinnen.

Die hatte er aus dem kleinen Land verschleppt.

Sie müssen nun für ihn arbeiten, ob sie wollen oder nicht. 

Sie hätten allen Grund, ihn zu hassen und ihm schlecht gesinnt zu sein. 

Denn er hatte sie aus ihrer Heimat weg genommen, 

er hatte ihnen Gewalt und Leid angetan und sie von den Familien getrennt.

Eine dieser verschleppten Frauen, ein junges Mädchen, sieht, wie der Kriegsherr leidet. 

Sie sagt, ihr Prophet im kleinen Land, kann ihm helfen. 

Naaman hörte das. 

Ohne seine Armee, dafür mit Geschenken und einem Schutzbrief seines Königs 

reist er in das kleine Land.  

Die sind irritiert und glauben an einen perfiden Plan.

Der Prophet den die junge Sklavin meinte, der Prophet Elisa aber, 

lässt den großen Kriegsherrn zu sich bitten, um ihm auszurichten, 

dass er 7 x im Jordan untertauchen soll. 

Naaman rastet aus. 

Ein zerlumpter Prophet in einer alten Hütte und ein Bad im Fluss ist alles, 

was er zu seiner Heilung findet. 

Das hätte er auch zu Hause haben können. 

Er will nach Hause fahren, aber seine Sklaven überreden ihn, es zu probieren. 

Und er wird gesund.

Der Prophet lehnt alles Gold und Silber und alle Geschenke der Dankbarkeit ab. 

Der Kriegsherr nimmt Erde aus diesem Land mit, 

um in seinem Land auf dieser Erde dem Gott des kleinen Landes einen Altar zu bauen. 

Dieser Gott ist jetzt auch seiner. 

Zu Ende ist der Krieg damit leider nicht. 


Es ist eine Geschichte von einem, der gesund wird.

Und alle, die einmal heftig krank waren, alle, die jetzt krank sind, 

wissen, was es bedeutet, nach Heilung zu suchen. 

Wieder ein normales Leben haben zu wollen. 

Ohne Schmerzen, ohne Medikamente, ohne Ausnahmen, 

ohne Einbrüche in den Alltag. 

Aber Wunderheilungen erleben wir selten.

Wir alle kennen Menschen, die eben nicht wieder gesund wurden. 

Ich selbst habe viele Jahre als Krankenhauspfarrerin solche Menschen begleitet.

Und darum brauchen wir - und alle, die krank werden, solche geglückten Geschichten, 

die uns sagen: Gott ist noch da. Er ist nicht aus der Welt gegangen. 

Seine Kraft ist hier. Du darfst daran glauben und Hoffnung haben für Dich und andere. 

Denn in dieser Hoffnung steckt die Kraft des Lebens.


Ich finde aber, es wird hier noch eine ganz andere Geschichte erzählt. 

Nämlich die von einer besonders starken Stimme der Hoffnung. 

Es geht hier nämlich nicht um Macht und Gewalt, die richten hier gar nichts aus. 

Auch ein ganzes Kriegsheer hätte die Heilung des Naaman nicht beschleunigt. 

Im Gegenteil, seine Krankheit brachte ihn sogar dazu, 

loszuziehen ohne das Ziel der Vernichtung.

Die starke Stimme der Hoffnung, die für mich stärkste Person in dieser Geschichte ist, 

ist eine kleine und unbedeutende, schwache und verschleppte Person. 

Eine versklavte und gefangene Person. 

Eine Unterdrückte, eine Nichtswürdige. 

Die Fremde aus dem anderen Land. 

Die, mit der wir uns meistens nicht identifizieren würden. 

Sie war entführt worden. Aus ihrer Familie gerissen. 

Schutzlos. Einflusslos. Rechtlos. Machtlos. 

Sie hätte sich darüber freuen können, dass ihr Herr so krank ist.

Sie hätte allen Grund, trostlos zu sein und ihren Gott zu verdammen, 

der sie in ein solches Leben gestellt hat. 

Sie hätte kaum die Kraft haben dürfen, überhaupt ihre Stimme zu erheben.

Sie, ausgerechnet sie, erzählt einem anderen, wo er Hoffnung finden kann. 

Ausgerechnet sie, schwache Person, wendet damit die ganze Geschichte, 

lässt ihn seine Waffen einmal aus der Hand legen. 

Dann macht sich der große reiche Herr auf den Weg, 

um diese Hoffnung der jungen Frau aufzusuchen.

Und die Hoffnung sieht genauso lumpig und klein wie sie selbst aus. 

Dürftig, schlicht, unauffällig. 

Eine windschiefe Hütte und ein schlichter Prophet, 

dessen Therapie in der wenig versprechenden Alltagshandlung besteht, sich zu baden. 

Vielleicht hat er sich da gefragt: was habe ich da übersehen. 

Was haben sie, das ich nicht habe?

In dem Moment, wo er sich darauf einlässt, zu vertrauen, 

da lernt er diese Hoffnung kennen. Da lernt er Gott kennen. 

Oder eine Ahnung davon.

Vielleicht sogar nur eine Ahnung davon 

und selbst diese Ahnung ist stärker als das, was er kannte.





Die Bibel erzählt eine tief heilsame und friedensvolle Geschichte mitten in einer Kriegswelt. 

Sie erzählt von der Kraft einer Schwachen. Von der Größe Gottes im Kleinsten. 

Sie macht Gottes Kraft sichtbar.


Und falls wir uns in diesen Tagen einmal fragen, 

ob unsere kleine Stimme der Hoffnung gegen die Ängste der anderen 

und gegen Gewalt, Gebrüll und Mächte etwas wirken kann, 

ob unsere schwache Stimme etwas nutzt, 

können wir von der Gewissheit zehren, die in diesen Geschichten steckt:


Trau Deiner Hoffnung auf Gott. 

Ihre Kraft ist ihr nicht anzusehen. 

Ihre Kraft entfaltet sich im Leben. 

Sie wirkt ansteckend heilsam.

Daran darfst Du glauben. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. 


.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...