Samstag, 30. Juni 2018

Predigt für den 5. Sonntag nach Trinitatis


Ich stehe vor einem Regal mit Postkarten.
Ein guter Freund hat eine schwere Zeit vor sich
und ich will ihm gerne ein gutes Bild schicken
und ein paar herzliche Worte schreiben.
Ich suche ein Bild zum Auftanken, zum Hoffnung schöpfen, ein Bild mit Geborgenheit, mit Perspektive, mit Segen.
Bilder sagen manchmal mehr als Worte.
Vor mir ist eine Wand voller Karten 
mit biblischen Motiven:
Jesus und Johannes, 
Maria und Eva,
Gott der Schöpfer, 
Gott der Hl. Geist.
Bilder vom Abendmahl und Brotbrechen,
vom Fischfang und einer Krankenheilung.

Eine Karte zieht immer wieder meinen Blick auf sich.
Ich versuche sie zu ignorieren, aber es gelingt mir nicht.
Schließlich greife ich nach ihr.
Es ist eine sehr sehr unscheinbare Karte.
Nicht sehr farbenfroh, nicht gleich ansprechend. 
Ich erkenne auch gar nicht, wer abgebildet ist. 
Irgendein Mann und ein Himmel mit einer Hand. 
Die Zeichnung ist uralt.
Aus dem 6. Jahrhundert - steht auf der Rückseite.
Demnach ist dies eine der ältesten Bibelillustrationen,
gefunden im heutige Syrien,
nicht weit von Haran, wo Abram sich auf dem Weg machte.
Gemalt auf purpur gefärbtem Pergament. 
Purpur, wie die Kleider des Kaisers.
Darauf geschrieben die ersten Worte der Bibel:
Von Licht, Gott, Erschaffung,
Menschenliebe und Menschenstreit.
Und von Abrams Segen.
Und unter den sorgfältig gepinselten 
alten griechischen Worten
finden sich erste Bilder zu den Geschichten der Bibel.
Ich halte daraus ein Bild von Abram in der Hand.
Zuerst sieht man rotbraun vergilbtes Purpur.
Fast das ganze Bild ist eigentlich nur dieses purpur.
Viel ist nicht drauf.
Links ist eine helle Tür.
Abram ist gerade ins Purpur getreten
- grauhaarig, barfüßig, 
im grauen Gewand.
Die Tür steht noch offen.
Er schaut wie einer, 
der gerade überraschend Besuch bekommen hat
und nicht so recht weiß, 
was er mit dem anfangen soll.
Er schaut wie einer, der nur kurz vor die Tür wollte
und nun aber vielleicht nie wieder zurück geht.
Über Abram wölbt sich noch eine Art Himmelshängematte,
blau mit goldenen Sternen. 
Und außer der Tür und Abram und der Hängematte
und dem vielen Rotbraun gibt es da noch eine Hand.
Sie kommt aus dem Himmel.
Ich weiß nicht genau:
zeigt sie nach vorne?
segnet sie?
winkt sie?
hält sie sich schützend über Abram?
Und Abram nimmt sein Gewand wie eine Schürze
und hält es hin wie das Sternentalerkind.
Als würde gleich was vom Himmel fallen, so steht er da.
Sehr ernsthaft.
Die Hand und den Himmel über sich, die offene Tür hinter sich, die Hände offen.
Und Gott sagt zu ihm: Geh aus deinem Vaterland!
Geh weg von denen, du du lieb hast.
Geh weg aus deinem Haus. Ich zeig dir was!
Ich segne dich. Ich gebe dir neue Namen. 
Du wirst Segen sein.

Und mein Freund,
dem ich diese Karte dann wirklich schickte,
musste sein Heim verlassen, die Gemütlichkeit,
das Eingerichtetsein, die Gewohnheiten,
das Hängen am Leben.
Er musste das aufgeben, unerwartet,
und wurde sehr krank.
Später schrieb er mir, dass das kein Zufall war
mit der Karte vom Abram.
Denn schon immer ist dieser Abram / Abraham
mit seinen Geschichten in seinem Leben gewesen.
Immer dann, wenn es besonders wurde.
In Aufbrüchen.
Brüchen.
Wo er Vaterland,Familienland, Heimatland verlassen hatte,
Lieblingsland, Kindheitsland, Liebesland, sicheres Land.
Da begegnete ihm „zufällig“ Abraham.
Und da sind viel mehr als nur mein Freund Roland.
Die verlassen täglich ihr Land.
Müssen durch neue Türen,
durch ungewohnte,
schauen erstaunt,
was sie wohl anfangen sollen mit dem Neuen.
Immer wieder ist das so.
So gehen Lebenslinien.

Solche Lebenslinien kenne ich, sagt Oma Gustl,
Aufbrüche und Flucht,
wir haben damals eine neue Heimat gefunden.
Und Peter von neben an sagt,
Flucht kenne ich auch,
meine Flucht führte in den Alkohol,
aber ich fand den Ausgang.
Karin meint: 
Mein Aufbruch ist der ins Alt-werden.
Durch diese Tür muss ich durch.
So sind Lebenslinien.

Lifeline - Lebenslinie
 - so heißt ein Boot im Mittelmeer.
Auf ihm haben sich die Lebenslinien vieler 
verzweifelter Menschen getroffen.
Lauter einzelne Menschen, 
die ihr Vaterland verlassen hatten,
auf der Suche nach einem Leben für sich.
Auf dem Boot waren die Lebenslinien dieser vielen Menschen aufeinander gestoßen 
und  in Seenot in eine fast größere Not geraten:
In die Gleichgültigkeit.
Die 233 Geretteten 
auf dem Schiff mit dem Namen Lebenslinie hatten Glück.
Sie fanden einen Hafen in Malta.
Sie fanden eine offene Tür.
Der Himmel hat seine Matte über sie gespannt
und die Hand hatte sie unsichtbar behütet.
Sie hatten Glück. Sie konnten an Land.
Neues Land für sie.

Mein Freund Roland,
der noch vor Wochen das Bild vom Abram in den Händen hielt, der hatte auch Glück.
Sein Lebensschiff hat auch in einem Hafen angelegt,
über ihm die Himmelshängematte
und die Hand. Einladend.
Er ist mit seinem Boot hinübergesegelt
ans äußerste Meer.
Morgen werden wir seine leibliche Hülle 
in Gottes Erde betten.
Er hat sein Vaterland verlassen
wagemutig
und kommt ins Gottesland.
Die Lieben, die er zurücklässt, 
die müssen nun auch aufbrechen,
wenig glücklich,
in eine Land ohne ihn. 
Aber er hat es ihnen vorgelebt.
Die tiefe Zuversicht.
Dass in allen Brüchen und Aufbrüchen
wie bei Abram
Segen sein wird.
Und immer
Gott.

Und Gott sagt zu ihm: Geh aus deinem Vaterland!
Geh weg von denen, du du lieb hast.
Geh weg aus deinem Haus. Ich zeig dir was!
Ich segne dich. Ich gebe dir neue Namen. 
Du wirst Segen sein.

Und heute, 
einen Tag vor seiner Beisetzung,
da ist uns die Geschichte von Abram
als Predigttext gegeben.
Ich glaube nicht an Zufälle.
Ich glaube an die Treue Gottes.
Dass wir Glück haben mit ihm.
Dass wir Häfen finden werden und offene Türen.
Der Himmel hat seine Matte über uns gespannt
und die Hand uns behütet. Unsichtbar.
Wir haben Glück. Wir können an Land.
Neues Land für uns.
„Ich segne dich, sagt dir Gott. 
Ich gebe dir neue Namen. 
Du wirst Segen sein.“ Amen


Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.


Samstag, 23. Juni 2018

Predigt zum Johannistag, 24. Juni 2018

(Wendepunkte)
In der jordanischen Stadt Madaba gibt es in einer Kirche ein frühchristliches Bodenmosaik, das eine Landkarte des Heiligen Landes zeigt. Auf dieser Landkarte schwimmen Fische im Jordan, bis sie zur Mündung ins Tote Meer kommen. Wenn sie das tödliche salzige Wasser schmecken, drehen sie um, um nicht zu sterben. Genau an dieser Stelle des Jordans hat sich Jesus von Johannes taufen lassen. Ein Wendepunkt.

Die letzten Tage wurden lang und länger. 
Die Wiesen wurden hoch und  höher. 
Bis zum Johannistag. Heute ist Johannistag. 
Nun werden die Tage kürzer. 
Es ist Halbzeit bis zum Fest der Ankunft Gottes an Heiligabend. Ab jetzt wird es stückchenweise früher dunkel. 
Die Pflanzen wachsen mehr in die Frucht als in die Höhe. 
Es ist das Jahr, die Natur, das Leben, das abnimmt. 
Ein Wendpunkt.

Taufe. Wachsen. Abnehmen. 
Johannistag. 
24. Juni. 
Ein Wendepunkt.  

Heißt das Christsein nicht 
genau das
von Wendepunkten wissen
an Wendepunkte glauben
in Wendepunkten neues Leben finden? 

(Niederlage und Rettung)
Bitte „wenden“!
- sagt das Navi 
und ich seufze,
denn ich wende nicht gerne.
Erst muss man sich ja durchringen,
wirklich wenden zu wollen.
Man muss erstmal glauben, dass es hier nicht weiter geht.
Und man muss sich entscheiden, es nicht weiter zu versuchen.
Vielleicht mag man gar nicht zugeben, dass man falsch ist.
Vielleicht tut es einem so leid um die verfahrene Zeit.
Vielleicht will man vor den anderen das Gesicht wahren.
Und dann muss man erstmal schauen, wo man anhalten kann.
Vielleicht hält man den ganzen Verkehr auf.
Vielleicht gibt es einen Graben, auf den man achten muss.
Vielleicht darf man gar nicht abbiegen.
Vielleicht muss man ein Stück des Weges zurück fahren.
Vielleicht weiß man nicht mehr, 
als dass es hier nicht weiter geht 
und weiß den richtigen Weg noch nicht.
Bitte wenden!
Ein Wendepunkt ist manchmal eine Niederlage.

Bitte wende es!
So betet Anneliese.
Das Fieber geht nicht weg.
Die Wunde ist entzündet.
Sie hat Schmerzen. 
Sie wird immer schwächer.
Sie kann nicht mehr liegen.
Vielleicht wird es ja noch schlimmer.
Sie will nicht sterben.
Vielleicht haben die Ärzte ja recht.
Und es wird wieder gut.
Vielleicht haben aber auch nicht recht.
Und alles wird schlimmer.
Wer weiß das schon.
Vielleicht steckt da noch was ganz anderes dahinter.
Bitte wende es!
So betet Anneliese.
Und als hätte er es gehört,
geht es ihr am nächsten Tag schon besser.
Nicht viel besser.
Aber ein Hoffnungsflimmern ist in ihr.
Ein Ankündiger für das Bessere, das noch kommt, nur fühlbar.
Sie ist über den Berg.
Bitte wende es!
Ein Wendepunkt ist manchmal die Rettung.

(Wende als Prinzip)
„Klar zu Wende“ ruft man auf einem Boot.
Haben sie schonmal versucht, ein Boot
mitten in der Fahrt zu wenden?
Ist kaum möglich.
Mit einer Ausnahme.
Es hat ein Segel.
Für das Segelschiff ist es ein Prinzip
zu wenden.
Es kreuzt. 
Es kommt nur voran, in dem es Wenden fährt.
Es kann gut umgehen mit Gegenwind.
Es wendet ihn an
- für sich selbst.
Das Segelschiff holt beim Wendepunkt Schwung.
Er ist nicht Rettung, nicht Niederlage.
Er ist Vorwärtskommen.
Da macht es gar nichts, wenn ihm der Wind entgegen bläst.
Im Gegenteil.

Wenden bringt uns vorwärts.

Die Fische im Jordan
in dem Johannes Jesus taufte, 
die bis zur Einmündung 
in das Tote Meer schwimmen, 
und dann schnell umdrehen,
die müssen fortan gegen den Strom schwimmen.

Johannes war auch so einer, der gegen den Strom war.
Er predigte Umkehr vom jetzigen Leben.
Er lebte wie niemand sonst lebte.
Er hatte sogar einen Namen, 
den niemand sonst in seiner Familie hatte.
Ein Engel hatte die Eltern bewegt
mutig diesen Namen zu wählen.

Wenden bringt uns machmal auch gegen die Strömung.

(Geborgen in den Wendepunkten)
Unser Segel-Boot,
in dem wir sitzen,
jeder für sich,
das Boot, das uns durch das Lebensmeer trägt
seit unserer Geburt
- mit allen auch heftigsten Wendepunkte -
ist Gottes Versprechen. 
Wir sind geborgen
in seinem Versprechen
vom neuen Leben in ihm:
__________
Lesung Predigttext 1. Petrus 1, 3-9:

Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns neu geboren2 und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist.3 
4 Sie richtet sich auf das neue Leben, das Gott schon jetzt im Himmel für euch bereithält als einen Besitz, der niemals vergeht oder verdirbt oder aufgezehrt wird. 
5 Wenn ihr Gott fest vertraut, wird er euch durch seine Macht bewahren, sodass ihr die volle Rettung erlangt, die am Ende der Zeit offenbar wird. 
6 Deshalb seid ihr voll Freude, auch wenn ihr jetzt – wenn Gott es so will – für kurze Zeit leiden müsst und auf die verschiedensten Proben gestellt werdet. 
7 Das geschieht nur, damit euer Glaube sich bewähren kann, als festes Vertrauen auf das, was Gott euch geschenkt und noch versprochen hat.4 Wie das vergängliche Gold im Feuer auf seine Echtheit geprüft wird, so wird euer Glaube, der viel kostbarer ist als Gold, im Feuer des Leidens geprüft. Wenn er sich als echt erweist, wird Gott euch mit Ehre und Herrlichkeit belohnen an dem Tag, an dem Jesus Christus sich in seiner Herrlichkeit offenbart. 
8 Ihn liebt ihr, obwohl ihr ihn nie gesehen habt. Auf ihn setzt ihr euer Vertrauen, obwohl ihr ihn jetzt noch nicht sehen könnt. Und darum jubelt ihr mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. 
9 Denn ihr wisst, dass euer Vertrauen, euer Glaube, euch die endgültige Rettung bringen wird.

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Unser Boot,
in dem wir sitzen,
das uns durch das Lebensmeer trägt
- mit allen auch heftigsten Wendepunkte -
ist Gottes Versprechen. 
Wir sind geborgen
in seinem Versprechen
wie in einem Boot.

Christsein heißt dann konkret: 
von Wendepunkten wissen - und nicht an die Sinnlosigkeit glauben, nur weil sich die Dinge wenden.
Christsein heißt dann konkret:
an Wendepunkte glauben - und nicht, dass alles den Berg hinunter geht.
Christsein heißt dann konkret:
in Wendepunkten neues Leben finden, neue Wege - und zu glauben, Gott hält sie für uns bereit. 
Christsein heißt dann konkret:
das Hoffnungsflimmern niemals loswerden,
den Ankündiger für das Bessere, das noch kommt.

Unser Boot,
in dem wir sitzen,
das uns durch das Lebensmeer trägt
ist Gottes Versprechen. 
Es hält alle Wendepunkte mit uns aus.
Das Segel aber müssen wir 
selber setzen.
Das Segel ist unser Vertrauen.
Ein tiefes Vertrauen,
das singen und sagen kann:
„Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn
Der wird auch Wege finden
da dein Fuß gehen kann.“ Amen


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsere Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.

Samstag, 9. Juni 2018

Dies ist ein Abschnitt aus meinem Gottesdienst für den 10 Juni 2018, 
in dem mal einiges anders ist, 
weil es im Predigttext um die Gaben geht, 
und um Verständlichkeit des Gottesdienstes 
und um Sprache 
und darum, wie offen so ein Gottesdienst für andere bleibt.



Evangeliumslesung:
Stellt euch mal vor. Ihr würdet hier sitzen. Weil ihr hierher geladen seid, seid gekommen. Ihr seid ja immer da. Wir haben zusammen eine Art gefunden, Gottesdienst zu feiern, die die Alten schon kannten und die ihr so mögt. Und einmal aber, da lädt Gott noch andere ein. Und dann kommen aber nicht die, die diese Art von Gottesdienst schon kennen, nicht die, die gut singen können, auch nicht die, die in weißem Hemd und Jacket kommen, nicht die, die sich auskennen mit der Bibel. Sondern andere. Welche die nie kommen, noch nie gekommen sind. Eigentlich die, auf die wir immer warten, wenn wir sagen: „Heute sind wir aber wenige…“. Jetzt stellt euch vor, diese anderen, die würden kommen. Keine von denen kennt die Liturgie. Niemand kann die alten Lied singen. Aber eigentlich wären es genau die, die wir doch hier haben wollten…. Jesus hat einmal erzählt:

Evangeliumslesung von einer Einladung zu einem großen Mahl: Lukas 14, 15-24  und Gesang: "Lob sei dir, o Christe."

Und sie kämen. Einzelne. Paare. Kleine Trüppchen. Familien. Sie kämen hierher zu uns nach W. in den Gottesdienst. Und stellt euch vor. Zwei würden einen riesigen Blumenstrauß mit sich führen und jeden mit einer Blume begrüßen. Da sie es nicht besser wüsste, würden sie laut freundlich grüßen und jedem die Hand geben und sagen, wie schön es ist, dass Sie hier sind und sie nun auch. Durch alle Reihen hindurch würden alle sich die Hände reichen. Leise, herzlich und fröhlich. Eine würde ein Cello mitbringen und es vorne aufbauen und schon leise Musik machen, solange noch alle ankommen. Die mit den Blumen würde die restlichen Blumen einfach im ganzen Altarraum ausstreuen. Es würde aussehen wie ein traumhaftes Blumenbett. Die nächsten drei würden noch ein paar Kerzen mehr dazu stellen. Und allesamt würden sie sich so weit vorne wie möglich hinsetzen. Dicht nach vorne. Dicht zu den anderen. Ein paar würden lieber hinten sitzen, wo nicht so viele sind. Dann kämen noch mehr. „Was ist los?“ , würden wir uns fragen. Und sie würden sagen: „Wir sind eingeladen worden.“ Da würde die mit dem Cello ein Lied anstimmen und einer würde auf der Flöte dazu spielen und alle würden bewegt zusammen aufstehen und singen:

Lied (im Stehen): Kommt sagt es alles weiter… (EG 225)

Ganz von alleine würde ein Kind nach vorne kommen, denn einer sagt, dass jetzt gebetet würde. „Ich kenne ein Gebet!“, würde es sagen und mit seiner zarten dünnen Stimme die ganze Kirche erfüllen und sprechen: „Wo ich gehe, wo ich stehe, bist du, lieber Gott, bei mir - wenn ich dich auch niemals sehe, weiß ich immer, du bist hier. Amen.“ Das Cello würde ein Solo spielen und irgendwo von hinten kämen ein Mann und eine Frau ganz in weiß, die würden dazu tanzen hier vorne. Ganz ergreifend würden sie tanzen, tanzen von Lebendigkeit und Heiterkeit und von Schwere und Ringen. Und es wäre wie ein Gebet. Ein älterer Herr würde dann verlegen aber entschieden nach vorne gehen und zur Bibel greifen, weil er es schon immer mal machen wollte. Er schlägt sie auf und liest den Text. Er legt die Bibel weg. Alle singen „Lob sei dir, o Christe.“, weil es ein schöner alter Gesang ist und die Wände der Kirche voll von diesem vollen Klang sind. Seit Jahrhunderten. Und dann erzählt der ältere Herr, wie es einmal in seinem Leben war, als Gott bei ihm am Tisch saß.  Eine unfassbare Geschichte. Es ist still, die Kinder sitzen ganz hinten und schneiden Obst klein für später. Und naschen dabei. Einige liegen in einem kleinen Zelt mit Sternenhimmel und hören leise mit Kopfhörern ein Hörspiel. Die anderen, die nicht so gerne still sitzen, sind nach draußen gegangen, wo ihnen einer Jonglieren beibringt. Und die Großen sind bewegt von der Geschichte des älteren Herren und singen gleich nochmal „Lob sei dir, o Christe.“, denn seine Geschichte war fast wie die aus der Bibel. Da war Gott drin. Als er fertig ist, sind  alle ganz still. Einfach zum Nachdenken. Etliche gehen still herum, andere haben den Kopf in die Hände gelegt. Die Kerzen vorne flackern. Die Flöte  spielt Töne in die stille Kirche.

Musik: Flötensolo… 

Als die Musik verklungen ist, schnüren junge Leute in der Mitte spontan ihre Rucksäcke auf und holen Becher heraus holen, zwei Brote und frisches Wasser. Das geben sie durch die Reihen. Es wird gelacht und erzählt. Keiner hat gemerkt, wie die Zeit vergeht. Zum Beten am Ende stehen einige auf. Sie sagen, was sie sich wünschen für diese Welt, was sie sich dringend für sich selber wünschen und für die neben ihnen. Es ist so ernsthaft, dass alle nicken und von Herzen den Wunsch teilen. Die Älteste  im Raum spricht am Ende den Segen. Es ist ein ganz alter Segen. Älter als sie. Die Worte klingen heilig. Am Schluss gibt es Musik und man steht zusammen und erzählt. Bis es genug ist. 


Vermutlich wäre uns allen hier diese Art von Sprache im Gottesdienst ein wenig fremd. Wir sind gewohnt zu hören: „Der Herr aber sprach und sagte..“ und „Im Christi Namen…“ und  „Halleluja… Kyrie Eleison… Gloria sei dir.“ Das ist eine ganz vertraute Sprache für uns. Für andere ist sie fremd. Und vermutlich wäre dieser Gottesdienst für uns ganz ungewohnt mit den Blumen und dem Brot aus dem Rucksack und dass einfach alle etwas machen. Uns sind die wiederkehrenden Worte so lieb. Auch wenn wir manchmal nicht so genau wissen, was das heißt. 
Würden wir uns nach diesem Erlebnis fragen, ob wir vielleicht lieber wieder die Wenigen sein und in unserem Jargon bleiben wollen und in unserer Art zu feiern und in unserer Art zu leben?

Einmal, vor 1950 Jahren, als in den allerersten Gemeinden ein bestimmte Art zu Reden Überhand nahm und eigentlich niemand, der diese Art zu reden nicht verstand, neu hinzu kommen konnte in ihre Gottesdienste, die ja eigentlich öffentlich und einladend sein sollten… Als alle so redeten, als sei alles klar und jeder, der mitmachen wollte, gar nicht verstand, was sie meinten, schrieb Paulus einen Brief. Er sagte: Redet nicht in einer fremden Sprache für alle die dazu kommen. Redet, feiert, betet, singt  echt und für alle verständlich über Gott, so dass es jeder versteht. Prophetisch nannte er diese Art zu reden, das meinte direkt und klar.

Paulus´Brief, wie es sein soll im Gottesdienst: (1. Kor 14 verschiedene Verse)

"Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe! Strebt nach den Gaben, die der Heilige Geist verleiht – vor allem aber danach, als Prophet zu reden. Wer in fremden Sprachen redet, spricht nicht zu den Menschen, sondern zu Gott. Denn niemand versteht ihn. Was er unter dem Einfluss des Geistes sagt, bleibt vielmehr ein Geheimnis. Wer dagegen als Prophet redet, spricht zu den Menschen. Er baut die Gemeinde auf, ermutigt sie und tröstet sie.
Wer in fremden Sprachen redet, baut damit nur sich selbst auf.
Wer aber als Prophet redet, baut die Gemeinde auf. Brüder und Schwestern, jetzt stellt euch doch nur einmal vor: Ich komme zu euch und rede in fremden Sprachen. Was habt ihr davon, wenn ich euch nichts Verständliches vermittle – zum Beispiel eine Offenbarung oder eine Erkenntnis oder eine prophetische Botschaft oder eine Lehre. Wenn ihr keine verständlichen Worte gebraucht – wie soll man das Gesagte verstehen können? Ihr werdet in den Wind reden! Wer weiß, wie viele Sprachen es auf der Welt gibt, ja, nichts geschieht ohne Sprache. Wenn ich eine Sprache nicht spreche, werde ich für den, der sie spricht, ein Fremder sein. Und wer sie spricht, wird umgekehrt für mich ein Fremder sein. Darum gilt: Wer in fremden Sprachen redet, soll um die Gabe beten, seine Rede auch übersetzen zu können! Denn wenn ich in fremden Sprachen bete, dann betet zwar mein Geist. Aber mein Verstand ist untätig. Was folgt daraus? Ich will mit dem Geist beten. Ich will aber auch mit dem Verstand beten. Ich will mit dem Geist singen. Ich will aber auch mit dem Verstand singen. Denn angenommen, du sprichst einen Lobpreis, wie es dir der Geist eingibt – wie soll dann ein Unkundiger auf dein Dankgebet mit »Amen« antworten können? Er versteht ja nicht, was du sagst. Du sprichst zwar ein schönes Dankgebet, der andere wird dadurch aber nicht aufgebaut. Stellt euch vor: Die Gemeinde kommt zusammen und alle reden in fremden Sprachen. Wenn jetzt Unkundige oder Ungläubige hereinkommen, werden sie euch wohl für verrückt halten. Stellt euch aber umgekehrt vor: Alle reden als Propheten. Wenn jetzt ein Ungläubiger oder Unkundiger hereinkommt, wird er sich von allen zur Rechenschaft gezogen sehen. Er weiß sich von allen geprüft. Das, was in seinem Herzen verborgen ist, kommt ans Licht. Er wird sich niederwerfen, Gott anbeten und bekennen:
»Tatsächlich, Gott ist mitten unter euch!« Was folgt nun daraus, Brüder und Schwestern? Wenn ihr zusammenkommt, kann jeder etwas beitragen: einen Psalm, eine Lehre, eine Offenbarung, eine Rede in fremden Sprachen oder eine Deutung dazu. Alles soll dazu dienen, die Gemeinde aufzubauen.“

Lasst uns also von Gott reden, lasst uns feiern und singen und beten, lasst uns auch leben, immer SO, dass alle, die uns begegnen, sagen: „Tatsächlich, Gott ist mitten unter euch!“ Amen!



Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.

Lied: Nun danket alle Gott....


    (Foto: blounge.at)

.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...