Freitag, 28. April 2017



Weißt du.
Das Leben sagt immerzu:
Ich liebe dich.
Und Gott sagt es.
Ich liebe dich.
Und besondere Menschen sagen es.
Ich liebe dich. 

Weiß du.
Es ist so ein zarter Satz,
dass sie ihn gut einpacken müssen.
Damit er sich nicht verletzt.
Damit er nicht austrocknet.
Damit er nicht verweht.

Darum sagen sie es eben
anders.
Mit dem Mund
oder mit dem Herzen
oder nur mit einem Finger.

Aber eigentlich
sagen sie es.
Das Leben. Gott. Die Menschen.

Zu dir.
Warum denn nur
fällt es dir so schwer
das zu entziffern?


Dienstag, 25. April 2017

Seine Hände halten mich fest
und mit mir sein Leben
das er nicht loslassen kann
und nicht loslassen möchte
und ich möchte auch nicht
Wir versuchen uns zu verabschieden
und wissen beide 
es ist das letzte Mal
Was sagt man beim letzten Abschied
Machs gut?
Alles Gute?
Naja dann? 
nichts macht Sinn.
Ich weiß nicht ob wir uns wiedersehen.
sage ich vorsichtig
Ich glaub nicht 
sagt er
Sein Gesicht besteht nur noch aus Augen
Sie schauen durch und durch
Er nimmt meine Hand 
mit seinen beiden
ich sage dies und das
was soll man sagen?
Seine Hände halten mich fest
und mit mir sein Leben
das er nicht loslassen kann
und nicht loslassen möchte
und ich möchte auch nicht
Wie kann ich nur gehen 
in einem solchen Moment?
denke ich
Gehen macht keinen Sinn
Denn hier gibt es keine Zeit
Zeit macht keinen Sinn mehr
Ob die Anderen dort schon warten werden
frage ich
nur Schulterzucken
sollen sie warten
jetzt ist doch Leben
und sein Händedruck wird fester

Seine Hände halten mich fest
und mit mir sein Leben
das er nicht loslassen kann
und nicht loslassen möchte
und ich möchte auch nicht
so schweigen wir eine Weile
und seufzen
und schauen
und nicken
das schöne Leben
sage ich
wir seufzen
es war so schön
flüstert er

Seine Hände halten mich fest
und mit mir sein Leben
das er nicht loslassen kann
und nicht loslassen möchte
und ich möchte auch nicht
und ich raffe mich auf
und sage
Wir sehen uns wieder
vielleicht
er weint
ja 
vielleicht
sagt er leise
und ich ziehe meine Hand aus der Seinen
langsam gehe ich raus
rausgehen
ist so endgültig
und macht keinen Sinn

denn seine Hände halten noch das Leben

und sich wiedersehen macht keinen Sinn
aber ich singe 
der Himmel geht über allen auf und auf alle über...
im laut schallenden 
Treppenhaus der Klinik
ich weiß nicht genau
für wen


Samstag, 22. April 2017

Heute - 22. April 2017 - habe ich gemeinsam mit einem Kollegen 
den Predigtslam in Schmalkalden gewonnen.
Und das war mein Text: (wirkt leider nur halb ohne die Stimme...)


Gestern hat mein Mann eingekauft.
Er hat eine neue Brotsorte mitgebracht.
In der Mitte dick und fett 
klebte 
eine Lutherrose.
LUTHERBROT!!

Mir fiel sofort meine Freundin ein.
sie hatte mir am Tag zuvor 
von ihrer Luther-Torte erzählt.
Schokoladentorte 
mit einem Konterfei von Luther 
aus Puderzucker obendrauf.
Und Karfreitag hatte sie ein Foto gepostet 
vom Karfreitags-essen mit Lutherbier: 
Das hatte sie den katholischen Kollegen eingeschenkt, 
die zu Gast waren.

Lutherbier! 
Karfreitag!
Den katholischen!

Und plötzlich brach die ganze Wolke 
über mich herein 
und ich sah alptraumartig  im Geiste
die Gäste mit LutherPuschen an den Füßen
durch die Wohnung huschen
im Regal eine ganze Reihe Luther-Bücher,
ganz vorne „Luthers Krankheiten“ - 
und „Mit Luther sind wir klüger“.
Am Tisch - liebevoll dekoriert 
mit den Lutherkerzen 
und der Lutherschneekugel mit kleine Herzen,
tranken sie LutherBier aus Lutherbechern 
die die Hausfrau auftrug
mit Lutherschmuck an den Ohren 
- natürlich hatten die Gäste
Luthergeschenke gebracht: 
Luthertinte zum Werfen und eine Lutherdose
mit Handschmeichler darin, Motiv: „Lutherrose"
Dann tischte man auf: 
LutherWurst mit LutherSenf obendrauf.
Zum Nachtisch gabs LutherFutter 
aus dem Bioladen, 
das waren lauter Peanuts 
und zur Verdauung gabs Lutherschnaps 
und Kaffe aus Luthertassen 
mit der Aufschrift „Love Luther“ 
und dem Lutherzitat: 
„ Man dient Gott auch durch Nichtstun.“
Danach spielten sie das Lutherspiel 
- zum ausruhn.
Und am Ende des Abends schauten sie auf ihre Lutherarmbanduhr,
zogen die Lutherpuschen aus und steckten ihre Füße mit den Luthersocken in ihre erschrockenen Schuhe,
nahmen ihren Lutherbeutel mit dem Lutherstift
und ihrem Handy mit der Aufschrift
„What would Luther do?“ /
sowie ihrem Hausschlüssel 
mit dem Lutherrosen-einkaufs-chip-anhänger,
gingen vorbei an der Garderobe, 
auf der ein Lutherquitsche-entchen stand,
Da brachen sie


auf zum Marktplatz, 
nicht ohne 
auf dem Weg
den LutherTreck noch mitzunehmen
- ein Höhepunkt im Kulturgeschehen -
als Bereicherung für das Lutherjahr
Und wir reden nicht über die Lutherkondome 
und was danach noch alles war.
HERR GOTT, hilf!!!! -
und führe uns nicht in Versuchung,
zu glauben, DAS wäre unser täglich Brot
das wir brauchen.
und führe uns nicht in Versuchung,
zu glauben, DAS wäre unser täglich Brot
das wir brauchen.

Stell dir nur  EIN  mal  vor,
stattdessen 
säßen wir 
ganz bald 
alle in Worms oder anderswo
auf Straßen und Plätzen
an riesigen Tafeln 
wie bunte Bänder
durch die ganze Stadt 
und wir feierten das Mahl 
alle die da wären
alle würden satt 
- ganz gleich woher sie kämen
und hörten einander zu.

Stell dir nur EIN mal vor, 
wir 
verwandelten
Steinhartes
in
Brot 
jeder Art!

Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein
sondern von allen Worten.
Der Mensch lebt vom Du-zum-Du.
Genau da hat es dich doch erwischt, 
Jesus, als du einsam warst.
ich meine nicht: 
alleine sein - für sich sein -
mal ganz ohne jemand sein,
sondern: 
einsam
verlassen 
ganz.
ohne.

Da brauchtest du kein Brot
sondern ein Du.
Ein Wort.
Und Gott.

Und dann standst du an den Zinnen
wie so viele Klippenspringer dieser Welt
die keine Wahl haben.
An dem sich-auseinander-gelebt- haben- Graben
und an der  „Chemotherapie“ - Klippe
und dem  „nie-wieder-gut-machen-können“- Abgrund.
So viele, die ich kenne, 
die müssen dort springen
sie haben keine Wahl,
davon zu rennen.

HERR GOTT, hilf!!!! -
und führe uns nicht in Versuchung,
zu glauben, DAS wäre dein Wille für unser Leben
und führe uns nicht in Versuchung,
zu glauben, DAS wäre dein Wille für unser Leben

Und schließlich kommst du
an einen Punkt,
auf den höchsten Berg,
von dem aus du nur noch 
herab blicken kannst
der dich unendlich 
weit entfernt 
von den Menschen
als es weiter   nicht     geht.
dort blickst du herab
auf das ganze Weltspektakel.
Scrollst den Bildschirm durch
auf der Mächte-und-Gewalten-App
die unterbrochen wird 
von 
Werbeblöcken:

Er liest:
Schüsse auf dem Champ-Elysees
und ich habe 28 kg abgenommen - "klicke hier".
Menschenretter in Seenot
und frohe Ethnomuster - im "Sale".
Heftige Kämpfe in Aleppo
und 
samtweiche Haut mit Produkten von Deluxe
Hungerkatastrophe in Afrika
und bald gibt es die Super Nintendo Entertainment System SNEs Konsole 
AfD-kämpft für Höcke 
und Lieblingsurlaubsziele in Marokko, "gleich buchen"...

HERR GOTT, hilf!!!! -
und führe uns nicht in Versuchung,
zu glauben, Dein Wille geschieht von alleine,
und führe uns nicht in Versuchung,
zu glauben, Dein Wille geschieht von alleine,

Denn später,
hast du Brot verwandelt.
Nicht zum zaubern,
sondern für ein Du.
Du sprangst in die tiefste Tiefe.
Nicht zum Versuch,
sondern für ein Du.
Du fielst.
Nicht vor dem
Schicksal oder 
der Finsternis,
sondern 
für ein Du.

Und weil einer dich fragte 
„Bist du Gottes Sohn?“.



….UND ?  DU?

Freitag, 21. April 2017



Die Kirche ist gut gefüllt und füllt sich weiter. 
Schwarz Gekleidete strömen herein. 
Ganz vorne steht zwischen Bergen von Blumen und Grünzeug eine Urne.
Die Trauerfeier wird gleich beginnen.
Leise trete ich mit meinen Büchern an das Pult,
lege mir alles zurecht.
Da kommt etwas von rechts.
Ich zucke zusammen.
Ein kleiner schwarzer Ball fliegt auf mich zu,
landet ganz dicht neben mir am Pult.
Ich blicke in die Augen eines kleinen Rotkehlchens.
Es legt den Kopf schief.
Zwinkert, wie mir scheint.
Dann nimmt es ausführlich Anlauf und fliegt zum Fenster hinter dem Altar.
Zwinkert wieder, nickt.
Dann verschwindet es nach oben.
Ich muss lächeln.
Als wollte es mir etwas sagen.
Dann klettere ich über die vielen Treppen 
und durch mehrere Türen hinauf zum Organisten.
Ein verwinkelter Weg wie im Dornröschenschloss.
Wir reden kurz.
Der Arme Vogel, sagte er. Eine ganze Woche schon ist er in der Kirche.
Dann zeigt er mit dem Finger auf die gegenüberliegen Seite.
Dort. Ganze oben, in der dritten Empore über dem Eingang, sitzt das Rotkehlchen.
Es nickt mir zu.
Ich mache mich auf den Rückweg über die vielen kleinen Treppen
und nehme den Ausgang auf die Emporen. 
Leise komme ich näher. 
Das kleine Vögelchen sitzt auf dem Fensterverschluss
des einzigen Fensters, das man öffnen kann. 
Es lässt mich dicht heran.
Dann nickt es wieder und fliegt ein Stück zu Seite.
Vorsichtig öffne ich das alte klapprige Fensterchen.
Zögernd schauen mich die kleinen Augen an.
Also gehe ich über die vielen Treppen hinab in die Kirche.
Es läutet. Die Orgel setzt ein.
Die Trauerfeier beginnt.
Vom Altar aus kann ich das winziger Fenster ganz oben sehen.
Und da.
Der Chor singt gerade:
Weiß ich den Weg auch nicht - DU weißt ihn wohl!
Da hebt es seine Flügel
und rauscht hinaus gen den Himmel.


21.4.2017

Donnerstag, 20. April 2017

buttergelb
spricht er mir nach
sind die Wiesen
hatte ich gesagt
ein Flüstern nur noch seine Stimme
seine Augen
die eine Farbe haben wie geschmolzene Schokolade
saugen sich fest 
am buttergelb
ein ganzes Marmeladeglas voll
Löwenzahnblüten
steht auf dem Tischchen
der Palliativstation
buttergelb
murmelt er
und seine dürren Hände 
fassen mitten hinein
in die weichen pelzigen Pflanzen
etwas Tau ist noch auf ihnen
bald können sie fliegen 

sage ich noch

Du findest es 
verwegen
zu leben
als ob es Gott gibt?

hinaus zu gehen
und das Gute
zu erwarten
ohne Bange
auszuharren
mit dieser 
irren Hoffnung
wagemutig
anzufangen
im Glauben
er würde dich halten

Das 
findest du
verwegen?

Ganz ehrlich.
Ich fände 
es 
verwegen

ohne ihn.

Dienstag, 18. April 2017

heute
habe ich Karfreitag und Ostersonntag gesehen
an einem Tag
Karfreitag war ein Junge und erst sechs
laut schreiend
zog ihn seine Mutter unbarmherzig am Arm nach Hause
er weinte und zitterte vor Angst
vor dem, was ihn zu Hause erst erwarten würde
sein Kreuz, das er zu tragen hat,
heißt „nicht-geliebt“ und „misshandelt“
und ist viel zu groß für ihn
Ostersonntag war eine Frau und schon sehr alt
sie hatte sich voll Ruhe
inmitten ihrer Lieben
auf ihr kleines krummes Kreuz gelegt
und beschlossen, zum Herrn zu gehen
ihr Kreuz heißt „Erlösung“ und „lebenssatt“
und es war ihr leicht geworden
heute
habe ich Karfreitag und Ostersonntag gesehen
an einem Tag

Am Anfang der Karwoche

                              Mit Gott In die letzte Woche der Passionszeit hineingestellt. - anknüpfend an die Erfahrung unserer Mütter und...