Samstag, 27. Juni 2020

Gott hat zu tun / Predigt am 28. Juni 2020

Lesung aus dem Michabuch:

Wo ist solch ein Gott, wie du bist

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, 

der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld 

der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld 

der an seinem Zorn nicht ewig festhält, 

der an seinem Zorn nicht ewig festhält, 

denn er hat Gefallen an Gnade! 

denn er hat Gefallen an Gnade! 

Er wird sich unser wieder erbarmen, 

Er wird sich unser wieder erbarmen, 

unsere Schuld unter die Füße treten

unsere Schuld unter die Füße treten 

und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. 

und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.



(Bildrechte Ferdi Rizkiyanto)



Predigt:

Ich sehe ihn vor mir: Gott.

Ganz deutlich. 

Wie er Tag für Tag seinen Zorn nicht mehr fest hält.

Mit großer Liebe lässt er seinen Zorn los.

Finger für Finger und lässt ihn einfach fallen.

Dazu braucht man einen wichtigen Grund und 

etwas, das größer ist als Zorn, sonst gelingt das nicht.

Der Zorn ist manchmal wie ein wildes Tier. 

Wenn er seinen Kopf hin und her schüttelt, 

dann sieht er nichts mehr, 

dann ist da nur noch er, der Zorn.

Er packt mit seinen Tatzen nach deiner ganzen Kraft,

all die anderen darinnen schubst er zur Seite

und genießt es zu brüllen und Gewalt zu tun.

Ich sehe es vor mir.

Gott lässt den Zorn los. 

Der rennt davon 

- so ganz ohne jemanden, der ihn will.

Aber Gott hat ihn gebraucht,

denn der Zorn spürt auf, wo es quer läuft.

Nun lässt er ihn laufen.


Aber jetzt ist wieder all das andere zu sehen.

Das, was ihn zornig gemacht hat.

Und was macht Gott?

Er tritt drauf. 

Es ist sein Versuch,

dass das endlich alles zu Ende ist. 

Die Schuld, die Gleichgültigkeit, die Anmaßung, die Ungerechtigkeit, die Selbstsucht, die Lust am Verletzen, am Niedermachen, Missachten, Vergewaltigen, Töten, Lügen, Zerstören, all die Ausreden, warum jemand jetzt nicht Rücksicht nehmen kann oder seinen Lebenswandel ändern. Er stampft mit seinen riesigen Füßen auf Worte wie Neger und Hurensohn und Judenschwein. Er hopst auf die Gifte und Feuer im Wald, auf Schweineställe so groß wie Flughäfen, unnütze Müllberge und Ketten von Versklavung aller Art, auf Hunger, Kriege und ungesehenes Leid.

Es hat etwas Wildes und Herzerfrischendes, so darauf herum zu trampeln und ich könnte glatt mit ihm trampeln. 

Aber es hat auch etwas Verzweifeltes. Denn so ganz lassen sich all diese Dinge nicht zertrampeln. Alles scheint miteinander verwoben: das Lieben des einen mit seinem gemeinen Missachten,  die Ausreden der anderen mit eigenen schmerzenden Narben und das Lachen des Dritten mit einer unbekannten Lüge. 

Und darum nimmt Gott alles und wirft es ins Meer. So weit weg, dass meine Augen es von hier nicht mehr sehen können. Das arme Meer, denke ich noch. Aber es ist riesig und tief und alle Sünde und Schuld passt hinein und sinken tief auf den Meeresgrund.  

Mir ist gleich klar: es ist ja nicht wirklich weg,

aber wie Gott es so mit gewaltiger Kraft hinein wirft, und wie er so viel Energie darauf wendet und Konzentration und Leidenschaft, es weg zu schaffen, sehe ich auf das still gewordene Meer und wie alles sein könnte und ich sehe, wie manches sich lösen könnte.  Schuldverstrickungen, Sündenfälle. Man  könnte es vielleicht doch lösen. Nur für eine alleine ist es zu schwer. Es bräuchte richtig viele Hände und Füße, Zorn und Loslassen.

Ich meine, Gott hätte ja einfach weg laufen können bei diesem Anblick von Verwirrendem und Kaputtem und nicht zu seinem Reich der Liebe Passendem. Aber das macht er nicht. Er probiert es einfach weiter. Es lässt nicht locker. Und bei allem: Er hält zu mir. Das ist seine größte Kraft. Seine Allmacht. Zu mir zu halten. Zu dir. Zu uns. Tag für Tag mit Wut und Liebe. Über jeden Zweifel erhaben, dass dies alles noch lösbar wäre. All die Schuld, auch meine, und was sie bewirkt haben. 

Lobt diesen Gott, sagen die Alten.

Wo ist solch ein Gott, wie er ist

der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld 

der an seinem Zorn nicht ewig festhält, 

Er wird sich unser wieder erbarmen, 

unsere Schuld unter die Füße treten

und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. 

Lobt diesen Gott, sagen die Alten.

denn er hat Gefallen an Gnade! 

Er löst dich. Macht deine Hände frei.

Das ist Gnade. Tiefe Gnade. Gelöst sein können.

Sich von Gott lösen lassen. Wissen dass Gott nicht aufhört um, meinetwillen und deinetwillen. 

Vielleicht auch um seinetwillen. 

Wo ist so ein Gott? Amen.


Und die Gnade Gottes, die höher ist als unsre Vernunft, halte unser Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.

Freitag, 19. Juni 2020

Konfirmationspredigt 2020

mit dem Song "Meer sein" von Silbermond


(Foto: B.Schlauraff)

 

Es ist gut,

das zu sagen:

„Gott, du bist da.

Du stehst uns bei.“

Es ist gut, Gott einfach Danke zu sagen.

Es gibt 10.000 Gründe dafür.


Und dennoch:

wohnt da ein Sehnen tief in mir

eine Sehnsucht 

nach 

MEHR

nach viel mehr


Und du? Ja, DU.

Von was ersehnst du dir „mehr“?


                    .....
 

Grad jetzt vielleicht:

mehr Zeit für dich 

mehr wahrgenommen werden

mehr Gemeinsames endlich wieder

mehr Klarheit im Chaos

mehr Sicherheit 

mehr Gesundheit 


Kennst du auch diese alte Sehnsucht am dünnen Faden

nach mehr Liebe

mehr Gerechtigkeit

mehr Frieden


mehr Mut

mehr Glaube

mehr Zuversicht


mehr Gelassenheit

mehr Vertrauen

mehr Ehrlichkeit


mehr Rücksicht

mehr Offenheit

mehr Geduld

 

nach

mehr sicheinlassenkönnen

mehr wie Jesus sein

mehr Einfachheit


oder die Sehnsucht aus tiefstem Herzen nach

mehr Umarmungen

mehr Küssen

mehr lachen

mehr fühlen und spüren

mehr Melone

mehr Prosecco

mehr Knoblauch

mehr nichtstun 

mehr Live-Musik  

mehr tanzen

mehr fröhlich sein

mehr Wildheit

mehr geliebtsein


und manchmal die Sehnsucht der müden Momente

nach mehr Ruhe

mehr Zeit

mehr Schlaf

mehr Wolken

mehr Sand 

mehr Meer.


Da könnte viel mehr sein.

Für Gott ist Mehrsein kein Problem.

Gott hat Mehr.

Mehr von allem.

Uns bleibt die Sehnsucht.

Oder ist es am Ende nicht doch so:

auch wir könnten mehr sein?


Wir könnten viel mehr sein.

Zusammen könnten wir mehr sein.

mehr von alledem

einzeln könnten wir mehr sein

für uns selbst

wenn wir uns trauten


Zusammen haben wir in diesen Tagen erlebt

wie manche Dinge mehr werden

die wir nicht wollen

und dann auch


wieviel mehr 

weniger sein kann

wieviel mehr

wir zusammen sein können


Und ist es nicht so,

dass da das Leben ist?

Wo wir mehr sind?

Mehr als ein Wort.

Mehr als unsere Möglichkeiten,

Mehr als Schweiß und Erfolg.

Mehr als Gewohnheiten.

Meine Sehnsucht schaut nach Gott,

weil Gott mehr ist, als ich weiß

Und er sagt, dass ich mehr bin 

 

hör mal.....



Ich wünsche dir etwas.

Ich wünsche dir Gott.

Du kannst in seinem Meer mehr sein.

Amen.


.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...