Freitag, 19. April 2019



Karfreitag.
Heute keine Predigt.
Brot und Wein teilen.
Die Geschichte hören.
Was Jesus widerfahren ist.

Und dazu zwei Texte.
Zwischen Leben und Tod.




I

Die Nichtigkeiten
ruft er aus
dann muss er Luft schöpfen
unübersehbar sind seine Stunden gezählt

Die Nichtigkeiten
all das Versagen
das aufgeben und alles verlieren
und zerbrechen an sich oder anderem
und zerstören von dem, was einem eigentlich lieb ist
und Kontrolle über sich verlieren und
am Ende sein, richtig am Ende

Das ist der verlorenen Sohn
eigentlich sollte die Geschichte
Der wartende Vater heißen
Denn er wartet

Immer

Der Sohn darf wieder kommen
er vergibt ihm das alles.

Das ist ein geiles Ding aus der Bibel
Seine Bartstoppel zittern leicht
die Augen sind nur halb geöffnet
seine Stimme hat einen UdoLindenbergKlang
Er sieht aus wie einer
von dem man sich nicht gerne ansprechen lässt
der Alkohol ist ihm ins Gesicht gezeichnet
und dennoch
habe ich keinen gefunden
der gewisser in den Tod geht

Der wartet auf mich.
sagt er zu mir

Der Vater
Das ist meine Lieblingsgeschichte

Du kennst den Sohn
sage ich
er nickt
oh ja
flüstert er
den kenne ich
Und den Vater
frage ich
er nickt nur
ja

und wir beten lange
und zählen auf
was dem Sohn wiederfahren ist
auf seiner Lebensreise
und bitten den Vater
seine Rückkehr zu begleiten

Dann bin ich bei ihm
sagt er

Ich segne ihn und singe
wir sind still
ich erhebe mich
und sag zum Abschied
Ade

man sieht sich
sagte er

und hebt die dürre Hand mit den Kabeln und Schläuchen
sehr hoch hebt er die Hand
mit dem kleinen Holzkreuz darin

hinter dem Horizont gehts weiter
sage ich leise
er nickt
und seine Lippen sage tonlos
Jawoll





II

Es ist nach fünf und die Sonne geht gerade unter,
sie schickt noch einmal warme goldene Strahlen über den Horizont.
Wenig später stehen wir an ihrem Bett.
Fromme katholische Menschen
aus einem kleine Dorf in Unterfranken.

Ein Blutgerinsel.
Gerade noch war sie ihre 10 km gelaufen.
Nur einen Tag davor.
Da war alles in Ordnung.
Am Wochenende war die ganze Familie zusammen gekommen
und sie hatte das Urenkelchen auf ihrem Arm durch das Haus getragen.

Nun lag sie da.

Zeit sich zu verabschieden.
Alle waren schon da.
Morgen würden die Geräte abgeschaltet.
Er streichelt sie. Redet mit ihr.
53 Jahre verheiratet.
Dann singen wir.

Bleib bei mir Herr.

Wie eine Glocke legt sich das Lied um uns.
Die Intensivstation hält einen Moment den Atem an.
Sein tiefer Bass gesellt sich zu meiner hellen Stimme.
Im Leben und im Tod, Herr, bleib bei mir.
Seine Stimme bricht.
Ich lese Psalm 23.
Tränen laufen über sein Gesicht.
Dann halten wir ihre Hände und beten das Vaterunser.
Für sie und mit ihr.

Gott ist da.

Er ist so spürbar da im tiefen frommen Glauben des alten Mannes.
Sie wird leben.
Sagt er.
Das ist mir so ein Trost.
Dass sie dort leben wird.
Auf der anderen Seite.

Es ist nach fünf und ihr Leben geht gerade hinüber
sie schickt noch einmal Wärme in sein Herz
Dann wird sie gehen

Hinter den Horizont

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...