Sonntag, 7. Januar 2018


Wo Gott zu Hause ist

Gleich als ich herein gekommen bin, habe ich mich so willkommen gefühlt. Zu Hause. Sagte er leise und zieht seinen Ärmel über die Kanüle in seinem Arm. Man sieht sofort: Gott ist da. Sagt er und schaut auf das ewige Licht in der Ecke der Kapelle. Es ist so harmonisch hier. So fühlt es sich richtig an. Fügt er hinzu. Still sitzen wir nebeneinander und lauschen auf Klaviermusik. Wir sind nur zu zweit. Ein paar gute Worte lese ich uns. Dann er zählt er von sich. Und plötzlich wird eine Erinnerung ganz lebendig. Davon muss ich ihnen erzählen. Sagt er. Und streicht schüchtern über das schüttere Haar. Und dann erzählt er von sich als kleinem Jungen. Mit der strengen Großmutter im fast ausschließlich katholischen Umfeld. Und dass es verboten war, in eine evangelische Kirche zu gehen. Allerstrengstens! Hatte Großmutter gesagt. Und auf seine Frage, ob dies eine kleine oder mittlere Sünde wäre, hatte sie geantwortet, dass es nichtmal eine große, sondern eine himmelschreienden Sünde wäre. Dort sollte er niemals seinen Fuß hinsetzen. Es macht ihm große Angst und weckte gleichzeitig seine Neugier und seinen Protest. Und so schlich er, der kleine katholische Junge, an einem Sonntagnachmittag in die Nähe der evangelischen Kirche. Eine Weile zauderte er. Und kämpfte mit sich. Doch dann wagte er sich an die Tür. Eine große alte Tür. Wie in seiner Kirche. Er schaute nach links und rechts und dann sah er durch das riesengroße Schlüsselloch. Durch die ganze Kirche und den Mittelgang bis auf den Altar konnte er sehen. Dort sah er Hände. Hände, die behutsam Brot teilten und es sorgsam in eine Schatulle betteten. Hände, die einen Kelch hielten und den Rest in einer wunderschönen bauchigen Flasche bargen und schließlich alles feierlich mit einem weißen Tuch abdeckten. Er schweigt einen Moment. Schluckt. Dann redet er weiter. In diesem Moment verstand ich etwas tief in mir. Ich wusste in diesem Moment absolut sicher: auch hier ist Gott zu Hause. Das nährt meine Sehnsucht bis heute. Die Sehnsucht, dass wir endlich eins werden. Wir schauen uns bewegt an. Beten noch einen Psalm und das Vaterunser. Dann segne ich ihn. Gesegnet gehen wir beide davon.



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