Freitag, 7. April 2023

     Karfreitagsmenschen





Das war kein Tag mit HappyEnd. Ich saß auf der Sofaecke und schaute hilflos zu. Gerade konnte ich sie bewegen, hinein zu gehen und sich hinzusetzen und etwas zu trinken. Die ganze Familie saß um mich herum auf dem großen Sofa und weinte. Weinte bitterlich. Alle. Es fiel kein Wort. Laut weinten sie. Ein auf- und abschwellendes Klagen und Schluchzen. Immer mal versuchte jemand was zu sagen. Aber es ging nicht. Das Entsetzen war ihnen in die Knochen gefahren. Der Tod war in ihr Leben gekommen mit voller Wucht. Unerwartet. Es war nicht zu fassen, was ihnen gerade widerfuhr. Lange saßen wir so. Sie erzählten und weinten, schrieen und starrten ungläubig. Eben war er noch da gewesen. Sie weinten heftig und trostlos. Ich wusste nicht recht, ob ihnen meine Anwesenheit angenehm war. Aber sobald ich versuchte, mich zu erheben, hielt eine Hand mich fest. Erzählte jemand schluchzend. Erzählte schluchzend von ihm. Immer wieder. Ich goß Wasser ein und hörte. Aber es war kein Trost. Ich konnte kein Trost sein. Nur sein. Eine sein. Wie die Freund:innen Jesu unter dem Kreuz hilflos zusahen und blieben, konnte ich nur bleiben und hilflos zusehen. Ihr Entsetzen blieb. Ihre Verzweiflung blieb. Ihre Hilflosigkeit blieb. Ihr Weinen und Schreien blieb. Und ich nahm es ihnen nicht. Nichts gab es, das hier Trost geben konnte. Gar nichts. Als ich nach langer Zeit aufbrach, zündete ich eine Kerze an. Aber auch sie gab keinen Trost. Sie war nur da. Die Leute von der Notfallseelsorge sind Karfreitagsmenschen. Etwas anderes als Dasein können sie nicht. Das Schlimme, das, was passiert ist, können sie nicht mehr wenden, nicht schönreden, nicht als Gewinn verkaufen, nicht drüberweg trösten. Hinterher sagen manche, das sei ihnen ein großer Trost gewesen.

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