Sonntag, 16. Oktober 2022

... fest stehen...

 Predigt am 16. Oktober in Burg


Gestern hatte ich ein winziges Problem. Die Milch war alle. Das Wochenende war noch vor mir. Aber das Problem ließ sich einfach lösen. Der Supermarkt ist um die Ecke. Schnell den Beutel geschnappt und die Schuhe angezogen, zehn Minuten später kullerte eine Flasche Milch in meinem Einkaufskorb hin und her. Naja. Zugegebenermaßen außerdem ungeplanter Weise etwas von meinem Lieblingskäse und eine Tüte Schokostreusel. Vielleicht kennt ihr das. Aber das Problem war gelöst. Das war nicht schwer. War ein einfaches Problem. So lösen wir jeden Tag die Dinge unseres Alltags: fahren Kinder zur Schule, bringen Pakete zur Post, nehmen einen Anruf entgegen, ernten den letzten Wein, saugen die Stube. Dinge, die wir im Allgemeinen im Griff haben. Situationen, die unser Alltag sind, vertraut, wiederkehrend, leichte Schritte und Handgriffe. Da denken wir gar nicht drüber nach, das machen wir mit links.

Manches ist aber nicht so einfach, sondern kompliziert. Komplizierter wird es bei mir zum Beispiel, mich mit meiner Familie zu treffen. Das ist bei fünf Kindern, die an vier unterschiedlichen Wohnsitzen leben, plus meiner eigenen Pendlerwohnung in Magdeburg und der gemeinsamen Familienwohnung in Thüringen, einer Person mit Schichtarbeit, zwei Kindern in der Schule und einem Elternpaar, das am Wochenende arbeitet, eine logistische Herausforderung. Wir haben schon überlegt, eigens eine digitale App zu verwenden, damit wir heraus finden, wann wir alle als Kernfamilie uns mal zusammen sehen können. Ein echt kompliziertes Problem. Für Vorschläge bin ich gerne offen. Komplizierte Situationen haben wir ja auch oft…. Einen Dienstplan machen auf der Pflegestation… den Alltag managen mit Arbeit und Familie, eine Firma leiten mit Terminen und Kosten, sich die Rente so einteilen, dass sie für einen Monat reicht, eine Gemeinde leiten und sich die Aufgaben teilen. Das ist schon großartig, was wir da für Lösungen finden oder finden müssen, auch täglich – das kostet uns auch manchmal viel Kraft. Aber es scheint nicht unmöglich. Nur manchmal mühsam, kompliziert, umständlich, herausfordernd, eben nicht ganz einfach, das machen wir nicht immer mit links. Aber es begleitet immerzu unser Leben. Wir kennen das Problem und finden Lösungen die uns helfen, das gibt uns Vertrauen auch Lösungen für uns völlig neue Situationen zu finden. Wir suchen Menschen die wir fragen können oder das richtige youtubevideo – zum Beispiel dafür, wie wir das praktische Wurfzelt in 8 Drehförmigen Bewegungen wieder zusammen gelegt und die winzige kreisrunde Tasche bekommen. 

Zu viele komplizierte Fragen ermüden uns aber auch. Manche haben Sehnsucht nach einem einfacheren Leben. Es gibt mittlerweile eine große Bewegung, viel weniger im Leben zu haben, es gibt Menschen, die haben ihr Hab und Gut auf 50 Gegenstände reduziert, leben in Tiny – also winzigen Häusern auf kleinstem Raum mit einfachster Ausstattung oder sie gehen in ein Kloster um eine Zeit ohne Termine und Entscheidungen zu haben oder bestellen die Zeitung ab und schauen keine Nachrichten mehr und versuchen das komplex gewordene Leben einfach auszuschließen und vor die Tür zu setzen. Auch unser Urlaub, ein Sonntag und andere Auszeiten sind so ein Ort, wo wir Ruhe haben wollen vor all diesen komplizierten Dingen. Und es ist gut, einmal davon ausruhen zu können, wem dies gelingt.

Im Moment erleben viele Menschen unsere Welt nicht mehr nur kompliziert. Sie scheint komplizierter als kompliziert. Sie fühlt sich komplex bis chaotisch an. Sagen viele. Wie lösen wir alles das, was gerade ansteht? Wer sieht da noch durch, wie alles mit allem zusammenhängt? Wie löst man denn solche riesen schwierigen Probleme: kein youtubevideo hilft, unser Klimaproblem vollständig oder unsere Energiekrise einfach in den Griff zu bekommen, oder das Zerbrechen eines Freundeskreises zu kitten, weil unsere Meinungen zu sehr auseinander gehen oder für die Fragen nach Krieg und Frieden die richtige Meinung zu finden. Wie lösen wir das alles? Manche Menschen sagen mir, sie fühlen eine große Unsicherheit. Viele fürchten das was noch kommt. Einige malen düstere Szenarien an die Wand. Bisher schienen wir die Welt trotz aller Problem im Griff zu haben. Jetzt fragt man sich manchmal: haben wir sie noch im Griff? Habe ich mein Leben noch im Griff? Was gibt mir meine Sicherheit zurück?

Die Bibel sagt: halte Dich an die einfachen Gebote in der Bibel und Dir wird es gut gehen. Im Epheserbrief, dem Predigttext für diesen Sonntag gibt es Ratschläge, wie das gelingen soll:

„So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“

Also, wenn das so einfach wäre, liebe Bibel. Weise zu sein und zu leben in Zeiten, wo sich die Nachricht überschlagen, überkreuzen, widersprechen und ich manchmal den Überblick verliere oder ihn sogar aufgebe zu suchen. Als wenn das so einfach wäre, zu wissen, worauf es ankommt, wenn ich keine Ahnung habe, welche der vielen möglichen Entscheidungen jetzt die richtige ist, welche Meinung, welche Parole, welche Freundschaft sogar oder schlicht welcher Energieversorger oder wenn ich das Gefühl habe, keine Optionen mehr zu haben oder keine Wahl.  Das alles hatte sich bisher nie in Frage gestellt. Sind das die bösen Zeiten, die Du meinst, Bibel? Böse im Sinne: „hier brauchen wir nichts Gutes mehr zu erwarten?“  Und „Danket Gott“ – was macht denn aber eine, die nichts mehr hat, um dankbar zu sein. Oder zumindest wo es sich jetzt gerade so anfühlt für sie?

Die Wissenschaftler sagen: da, wo es für Dich zu komplex wird und du den Überblick verlierst, da nimm die kleine Portion, nur eine erstmal, da probiere einfach, was hilft, da versuche nicht, alles mit einmal zu durchdenken, sondern schau auf den nächsten Schritt. Meinst Du diese Klugheit, Bibel? Einfach anfangen und sich nicht lähmen lassen, vielleicht? Jemanden suchen, der auch eine gute Ideen hat, als alleine ohne Ergebnis zu grübeln? Sich nicht die Kante geben, sondern damit rechnen, dass Gottes Geist mir einen Wink geben würde? Ja, das wäre alles wenigstens ein Anfang. Aber am meisten spricht mich der Gedanke an „ermuntert einander“. Muss ja nicht in Psalmen und Lobgesängen sein, vielleicht reicht auch schon der Anruf. Das Klingeln bei der älteren Nachbarin – ob sie zurecht kommt. Die Umarmung für die verzweifelte und an allem zweifelnde Kollegin. Eine Hand auf der Schulter, wo es mal gekracht hat. Das klingt klein und unbedeutend. Es wäre nicht die Ganzkörpersonne an einem See im Sommer, aber es wäre wie ein glücklicher Sonnenmoment der Dein Gesicht wärmt an einem kalten Herbsttag, der eine unendlich größere Dankbarkeit auslöst als Sonnentage nonstop. Die Bibel sagt, gerade in bösen Zeiten, wo es ungestüm wird, da werdet ihr einander brauchen, um euch Mut zu machen, euch zu ermuntern. Was für ein Segen ist es da, wenn Menschen wie in der Notfallseelsorge zuhören, wo etwas Schlimmes ins Leben hinein bricht. Wo Menschen eine warme Stube finden, Essen für wenig Geld, wenn das Portemonnaie leer ist – und nicht nur das, sondern auch ein Lächeln, eine Ermunterung. Wenn es jemanden gibt, der Deine Geldnot nicht lächerlich macht, sondern mit Dir sortiert, wie es weiter gehen kann. Wenn du einen sicheren Ort findest und zugewandte Menschen. Wenn welche sich Stark machen für andere. Was für ein Segen, wenn wir einander stark machen. Dieses gegenseitig ermutigen kommt öfter vor in den Briefen an die ersten Gemeinden. Denn Ängste kannst du nicht weg denken. Sie bekommen aber weniger Kraft wenn Du sie mit anderen teilst, wenn Du nicht alleine damit bist. Wenn vielleicht Gottes guter Geist Raum einnimmt und die Angst weniger Platz in Deinem Kopf hat. Wenn etwas Dein Herz warm macht.

 




Darum: Lasst uns doch einander als Kirche von Jesus der Boden sein, auf dem wir sicher stehen können. Einander nicht loslassen und nicht aus den Augen verlieren. Die nicht, die auch einfache Probleme nicht selbst lösen können.  Noch nie habe ich das stärker empfunden als jetzt. Vielleicht war es nie ernster und nötiger als gerade. Und lasst und damit sofort beginnen, lasst uns dankbar sein für alle, die das tun, einfach privat, einfach in ihrer Arbeit. 

Lasst uns lieber gute Zeiten daraus machen. Gottes Reich in Funken wie von einer Herbstsonne unter uns verstreuen. Gottes Geist Raum geben und weniger der Angst. Damit wir sicher stehen können, da wo wir gerade sind. Geh hin, sagt Jesus, gib etwas weiter. 

Versuche es mal ganz konkret in dieser Woche: Erinnere jemanden daran, dass das Leben schön ist, lass jemanden lächeln, gib jemandem das Gefühl nicht alleine zu sein, zwinkere Dir selbst mal morgens im Spiegel zu. Das wäre unsere Art, Gottes Reich herbei zu leben. Miteinander. Dein Reich komme, Herr. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe.



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