Sonntag, 30. Dezember 2018

Predigt am Altjahrsabend 

"Merke auf mich, mein Volk, hört mich, meine Leute! Denn Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich bald zum Licht der Völker machen. Denn meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil tritt hervor, und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm. Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde! Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich, und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen." (Jesaja 51, 4-6)

Das Leben ist zart und verletzlich
wie ein winziges Mückenbein
und die Welt ist es auch

Das Kleid der Erde hat Feuer gespien
und Tsunamis haben es getränkt
Waldbrände und wilde Stürme haben es
in Falten gelegt
die Bilder von schwimmenden Plasteteppichen
auf einmal dunkelblauen Meeren
ätzten Löcher in das schön Blumenmuster
im Kleid der Schöpfung
„Sudan“ ist auch ein Name
haben wir gelernt,
der so hieß, 
war das letzte männliche nördliche Breitmaulnashorn
der Welt
Mückenzart ist die Welt 
so verletzlich
Sie schreit uns an
in rekordverdächtiger Hitze und Kälte 
damit wir sofort aufhören
dieses Kleid aufzuzehren
In keinem Jahr
war mir dies so deutlich wie in diesem Jahr:
2018.

„Hebt eure Augen auf gen Himmel 
und schaut unten auf die Erde!“

…wie ein leuchtend blaues Wunder
sieht sie aus
- betrachtet aus dem All
Wenn wir doch alle einmal
einen Blick werfen könnten aus den Fenstern der 
Raumstation
In Demut würden wir zurück kehren
als hätten wir sie zum ersten Mal gesehen
in mückenbein-zartblau
so einmalig diese Erde
so einmalig dieser Himmel
der nicht zerfallen soll
nicht zugedunstet vom Smog
nicht zerschossen von den Geschossen
deren Verkauf hier in unserem Land
Rekorderträge gebracht hat
und woanders tausendfachen Tod
und zerstörte Landschaft
Das Kleid der Erde
nimmt Schaden
hängt 
wie ein geschreddertes Bild 
gerade noch im Rahmen
verletzt
in diesem Jahr:
2018.

Zart wie eine Mücke
ist auch dein Leben
Das hast du selbst erlebt in diesem Jahr
verletzlich ist dein Leben
und zart 
voll von Streicheleinheiten des Glücks und
von Rissen im Porzellan der Tage
Aufstehen und legen
Schmerzen haben und sie loswerden
manchmal auch nicht loswerden
und manchmal doch Tränen der Freude,
tanzen, essen, feiern, empfangen, arbeiten,
geschenkt bekommen, schenken, umarmen
So war dein Jahr 
2018.

........

Und so wie Welt 
aus dem Welt All betrachtet 
von einem hellen Schimmer umgeben ist,
gibt es nicht nur dieses Mückenzarte
sondern auch noch
Gottes Arm
um es herum:

„Weisung wird von mir ausgehen
mein Recht will ich bald zum Licht der Völker 
machen meine Gerechtigkeit ist nahe
mein Heil tritt hervor
mein Heil bleibt ewiglich 
meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen
sie harren auf mich 
und warten auf meinen Arm“

Und ich denke an den Arm von Rudolf,
meinem Tanzlehrer
Ich war 13 und mückenleicht
und er viermal so alt und grau
klein und rundlich
Und einmal da nahm er mich an die Hand
freundlich 
mit einem Blitzen in den Augen
und obgleich ich nur ein paar Schritte beherrschte
fegten wir durch den Saal
in seinem starken Arm drehte und fing er mich
Jede Faser seines Körpers zeigte mir die Bewegung
in die ich einfach hinein gehen konnte
Hin und wieder ließ er Platz
für eine eigene kleine Drehung
Doch immer landete ich in dem starken Arm
nah an nah, zum Spüren nah
Das machte meinen Tanz leicht
ohne Zwang und ohne Angst
beschützt im festen Arm von Rudolf.

So tanzen zu können 
durchs Leben 
in Gottes Arm! 
Das wärs!
Nah an nah - zum Spüren nah -
mit Gerechtigkeit und Heil,
eine Friedenspolka in die Menschen hinein,
auch wenn ich nur wenige Schritte kenne!
Das wärs!
So gehalten das Kleid der Erde zum
leuchten bringen
anstatt es zu zerschleißen!
Das wärs!
So frei sich den Himmel bewahren
anstatt ihn zu verlieren!
Das wärs!

Es geht.
Sagt Gott.

Hebe deine Augen auf gen Himmel und schau unten auf die Erde! Wenn dir auch der Himmel wie ein Rauch vergeht und der Erde Kleid immer wieder zerfällt und du dich verletzlich fühlst wie eine zarte Mücke:
mein Heil bleibt ewiglich
meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen
mein Recht will ich bald zum Licht der Völker machen
meine Gerechtigkeit ist nahe
mein Heil tritt hervor

Was auch vergeht:
Gott bleibt. 
„Darf ich bitten?“, sagt er zu dir. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 
der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe.


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