Dienstag, 18. September 2018



Nenne Gottes Namen
und er ist da

Gottesnamen nennen 
ist nicht nur ein Sagen
Es ist ein Meinen
Aussprechen
Hersprechen
Sichtbar-werden-lassen

Der unaussprechliche hebräische Name Gottes 
der heilig ist
als würde er schimmern
glühen
unanfassbar
hocheilig

Die neunundneunzig schönen Namen Gottes
die eingehen sollen in das Herz
ungeahnte Räume öffnen
voll Gott

Nenne Gottes Namen
und er ist da
so habe ich es erlebt
neulich

Ein kleines Dorf
wir sitzen am Tisch
wie immer
mit Kaffee und Kuchen

Die Namen Gottes
habe ich ihnen erzählt.
Frauen im allerbesten Alter.
Das Leben tragen sie im Gesicht
und auf den Händen.
Sie dürfen sich einen Gottesnamen wählen
einen von den vielen
einen, der sie berührt 
und ihn aussprechen

und es ist 
mit einem Mal
als würde
Gottes Heiligkeit
persönlich
den Raum durchfluten
es wird leiser mit jedem Namen
bis es knistert:

"Befreiende Kraft des Lebens“ 
flüstert Anneliese mit dem Krebs in der Brust
„Halt meines Lebens“
sagt Lore, die zwei Kinder verlor
„Ewige innere Wärme“
nickt Irene, die den Mann gerade zu Grabe trug,
der in ihren Armen gestorben war
„Hand die mich trägt und hält“
meint Elvira, die die Enkel zu Hause hat,
weil die Tochter zur Chemo gefahren ist
„Lehrer der Welt“
sagt die Lehrerin,
die Christin blieb 
durch alle Wirren einer Diktatur ohne Religion
„Der du uns Liebe schenkst“
raunt Maria die kinderlos blieb und ohne Mann
„Ursprung des Friedens“ 
spricht zitternd Olga, die uns jedesmal vom Krieg
und der Flucht aus Schlesien erzählt
„Meine Zuflucht“ sagt die fromme Ursula
die mit den Schmerzen kämpft gegen die nichts hilft
und mit Gott, der ihr die Schmerzen gibt
„Licht im Dunkel“ liest Dorothee am Ende zaghaft
die gerade selber frisch aus dem Krankenhaus wieder da ist

Sie nennen Gottes Namen
nichts weiter 

und er ist da

Wir halten die Luft an

Das Leben steht in diesen Namen
ihr Leben
das ganze
Gott ist plötzlich so greifbar
mit seinem Namen
mit dem Namen 
auf ihren Lippen
Wir schauen uns in Stille an
So ist es ihnen noch nie gegangen
Gott wie im Nähkästchen eingesperrt sonst
er liegt in der Luft
er füllt den Raum

Heilig ist dieser Moment
man mag die Schuhe ausziehen
Alles hängt dran an diesem Gott
Schweres und Hartes und die geweinten Tränen
sie erkennen es wieder
wie es an ihm hängt
er war es immer gewesen
der es gehört und ertragen hat
er 
derselbe
der 
eine

Nur schon der Name
auf den Lippen
und er ist da

das hatten sie immer erhofft


(18.9.2018)



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