Sonntag, 24. Januar 2021

 




Dann will ich sie mal ziehen lassen:

Maria und Josef, 

und die anderen die Staubfänger von meinem Schrank.


Josef ist eifrig als erster an die Kiste geeilt,

das knisternde Einwickelpapier schon auf seinem Körper und

die Ruhe im Karton schon auf der Zunge spürend,

ob all der Erwartungen an ihn, 

die ihn in dieser alten Geschichte jedes Jahr neu bedrücken. 


Der dicke König flüstert mit dem Schwarze, 

dem König of colour des Zuges,

sie scheinen sehr vertraut zu sein,

das ist man wohl, wenn man lange Wegen zusammen geht.


Die Schafe sind direkt ohne zögern vorne dabei,

das ist so ihre Art: einfach hinterher, 

denn der, der vorne geht hat ihr Vertrauen.


Das Jesuskind schaukelt samt Krippe auf den Höckern des Kamels

das es nicht unbedingt eilig hat.

Man sieht, wie einfach es ist, sich tragen zu lassen.

 

Maria steht irgendwie ein wenig im Schatten von allem,

sie tut sich nicht hervor,

jetzt kann sie endlich wieder in Ruhe alles in ihrem Herzen bewegen.


Die Schäfer machen murmelnd den Schluss, 

sie lästern über das feine Volk, dass wiedermal den Platz ganz vorne bekommen hat,

sie schlurfen hämisch hinterher ohne den Platz vorne wirklich beansprucht zu haben. 


Jetzt geht es ab in die Kiste.

Mein Mann findet, das klingt makaber,

aber so tun sie es schon 2000 Jahre.

Sie sind das jährliche Auferstehen erprobt.

Immer zur besten Zeit.

Dann, wenn auch im dunkelsten Haus mal eine Kerze brennt.

Nicht einen Moment zu früh

rollen sie sich Jahr für Jahr aus verschlissenem Papier

um mit wachen Augen und Staubflocken auf dem Kopf,

das Sofa im Blick, 

das Leben für ein paar Wochen aufzusaugen,

mit dem Geruch nach Tannenduft, Schweißfüßen und und frisch gebrühtem Kaffee,

mit Weihnachtsplatten von 1963 und „Wer wird Millionär“.

Nun lass ich sie ziehen die stummen Gestalten.

Nur einen Monat verkünden sie geübt lautlos vom Schrank zum Sofa hin.


Aber elf Monate lang weiß ich:

ich habe eine Kiste voll Licht und Glück auf dem Boden stehen. 


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