Samstag, 29. September 2018

Predigt zu Erntedank 2018



Sie sagen,
dass sie um 1,6 % gewachsen ist.
1,6%.
Das klingt goldig, oder? Fast niedlich.
Würde ich um 1,6 % wachsen, dann von 169 cm um 2,7 cm,
dann wäre ich 172 groß.
Wenn das kleine Baby um 1,6 % wächst nach seiner Geburt, dann um 8mm. 
Sie wäre 1,6 % gewachsen, sagen sie.
Aber „sie“ ist nicht niedlich.
Sie sprachen von unserer Wirtschaft.
Davon, wieviel wir hier in unserem Land
produzieren und herstellen
und wieviel es zu kaufen gibt
und wieviel verkauft wurde,
wieviel die Leute ausgegeben haben oder bestellt.
Und sie sagen mir, es ist eine tolle Sache.
Sie sagen es mit Befriedigung,
als wäre es ein ungeschriebenes Gesetz,
dass alles immer mehr werden muss.
Wachstum. Wachstum. Wachstum. Wachstum.
Atemberaubend. Pausenlos. Gnadenlos. Grenzenlos.
Sie meinen, dass es immer mehr werden MUSS,
was wir aus dieser Erde heraus holen.
Dass es immer mehr werden SOLL,
was wir gewinnen, daraus machen, essen, anziehen, trinken, fahren,                                   verschenken, benutzen, lagern, uns holen, uns leisten.
Glauben wir es nicht auch schon?
Hinterfragen wir es noch?
Erstmal klingt es gut. Positiv. Logisch.
Dinge wachsen, werden schöner, besser, anwendungsfreundlicher,                                               leichter einsetzbarer, erschwinglich, reichlich.
Da, wo es wenig gibt.
Da brauchen Menschen auch Wachstum.
Sie brauchen das Nötigste zum Leben.
Dringend.
Aber was ist,
wenn sie das Nötigste zum Leben schon haben?
Wenn wir das Nötigste zum Leben haben?
Ich stelle mir diese riesigen Kornfelder vor.
Im August.
Gelb.
Gold.
Rauschend voller Körnerfrucht.
Ich staune, wenn ich davor stehe,
wie eng das Getreide wächst,
Halm an Halm an Halm;
da passt kein Finger dazwischen.
Und wie dick und groß die Ähren sind.
Sie neigen ihre Köpfe, schwer von gutem Korn.
Und ich frage mich: wie soll das weiter gehen?
Immer mehr in jedem Jahr?
Und nächstes Jahr und übernächstes Jahr…. ?
Mehr als diese Halme passen nicht auf einen Acker.
Ein Acker hat eine Grenze.
Und mehr als zwei Stück Kuchen am Tag
und ein paar Scheiben Brot kann auch kein Mensch essen.
Wozu also eigentlich immer mehr?
Ich stelle mir die Regale in den Supermärkten vor.
Alleine 64 verschiedene Sorten Senf.
1,6 % heißt nächstes Jahr 65, dann 66, 68..80…100 ?
Wer soll das essen?
Esst ihr 64 verschiedenen Senfsorten?
Wozu? Brauchen wir das wirklich?
Was machen wir da eigentlich?
Und dann hören wir heute aus der Bibel:
Predigttext:
(Predigttext kommt im ganzen Gottesdienst
immer wieder als Wechselspruch vor.)
L: Denn alles, was Gott geschaffen hat
G: ist gut
L: und nichts ist unnütz
G: wenn es mit Dank genommen wird
L: es wird geheiligt durch Gottes Wort
G: und durch unser Gebet.
So heißt es im Timotheusbrief
und ich muss den Kopf schütteln
- es ist nicht alles gut.
Übermaß ohne Grenzen ist nicht gut.
Wer bezahlt eigentlich dafür?
Wenn wir uns das alles nehmen?
Der Erde die Nährstoffe, die Früchte,
dem Boden die Bodenschätze,
der Natur ihr Geschenke.
Was geben wir zurück?
Was lassen wir noch für die,
die nach uns hier leben wollen?
- es ist nicht alles gut.
Übermaß haben nur einige und das ist nicht gut.
Zahlen diese anderen vielleicht dafür?
Weil wir uns alles nehmen?
- es ist nicht alles gut.
Wir erleben Trockenheit, die uns Angst macht,
sterbende Wälder - jetzt nach der Trockenheit,
zur Neige gehende Rohstoffe,
Wassermangel in der halben Welt.
Gut ist es, sagt die Bibel,
was Gott gemacht hat.
Und was machen wir daraus?
Alles, was Gott gemacht hat ist gut, sagt die Bibel…
- mit Gottes Wort und wenn wir beten,
dann wird es ein Segen für uns.
Nicht von alleine. Es gibt einen Rahmen dafür.
Es liegt also an uns, das Gute in diesem Rahmen zu nutzen.
Das wussten wir schon. Dass es Grenzen gibt.
Also:
Einer muss anfangen aufzuhören.
Aufzuhören,
Verpackung um Verpackung zu schlingen
oder sie so zu kaufen,
Wasser den Durstigen zu nehmen
und es ihnen in Plasteflaschen zu verkaufen,
Meere leer zu fischen und
anderen ihr Einkommen zu nehmen,
Tiere in ihren großen Anlagen zu bedauern
und dennoch das billigste Fleisch im Angebot zu nehmen,
alte wertvolle Wälder abzuholzen
für minimalen Gewinn eines überkommenen Brennstoffs.
Einer muss anfangen aufzuhören.
Einer? Sollte das gehen?
Das bringt nichts, sagt ihr?
Wenn einer was anfängt oder aufhört?
Der Alternative Nobelpreis
ging in diesem Jahr an Yakouba Sawa-dogo.
Ein einzelner Mensch.
Er ist Bauer und wohnt in Gourga
im Norden des afrikanischen Landes Burkina Faso.
Sie nennen ihn dort den “Mann der die Wüste aufhielt“.
Seit Jahrzehnten forschten Wissenschaftler,
wie man das Fortschreiten der Wüsten dort aufhalten kann
und fruchtbares Land erhalten.
Er hat es einfach gemacht. Er hat einfach mal angefangen.
Aus vertrocknetem Wüstenland entstanden
12 ha grüner Wald.
Er sagt:
„Die größte Widerstand war nicht der gegen die Wüste,
sondern gegen die Menschen.
Wenn du etwas beginnst, das ihnen nicht gefällt,
dann behandeln sie dich wie einen Spinner.“
Die Leute hielten ihn für einen Verrückten
Einmal setzten die Leute
seinen neuen Wald sogar in Brand.
4 ha Wald und Getreidefeld gingen in Flammen auf.
Er sagt:
„Du kannst nicht Gutes tun,
ohne dadurch Widerstand zu provozieren.“
Zehntausende Bäume stehen nun auf seinem Land
in der Sahelzone. In der Wüste.
Auf ehemals totem Land.
60 verschiedene Arten.
Die meisten werden erst Früchte tragen, wenn er tot ist.
Einer muss anfangen aufzuhören
Einer muss anfangen, zufrieden zu sein.
Einer muss anfangen Grenzen zu setzen.
Einer muss anfangen 1,6 % zu lassen.
Auch wenn es Gegenwind geben wird.
Gott hat alles gut gemacht.
Er hat auch uns gemacht.
Wir sollen auf diese Erde aufpassen.
Denn diese Erde lebt.
Sie lebt vom Nehmen und Geben.
Von Aktivität und von Ruhe.
Vom Verausgaben und Kraftschöpfen.
Sie lebt davon, dass wir die Hände über sie halten
und sie schützen
wie es Sein Wort sagt.
Das wäre ein Segen.
L: Denn alles, was Gott geschaffen hat
G: ist gut
L: und nichts ist unnütz
G: wenn es mit Dank genommen wird
L: es wird geheiligt durch Gottes Wort
G: und durch unser Gebet.
Amen.

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