Donnerstag, 17. März 2022

... von der Marter aller....

 Erstanden


Diszipliniert und gerade liegt er in seinem Krankenbett. Der dunkelblaue Trainingsanzug sitzt tadellos an seinem großen schlanken Körper, als würden auf den Schultern noch immer die silber geflochtenen Schulterstücke sitzen. Er versprüht Lebensenergie und Optimismus. Der ehemalige NVA-Major erzählt leiser werdend von seiner Operation so nahe am Herzen. Seine Zukunftssorgen erzählt er halb und halb schluckt er sie runter. Er wäre ja Optimist. Immer wenn er mich anschaut und ihm das Wort „Pfarrerin“ auf meinem Namensschild ins Auge fällt, werden seine Züge weicher. Seine Augen verschwimmen und aus tiefster Erinnerung holt er - komplett verschüttet hinter Jahrzehnten von Gehorsam, Befehlen und Galgenhumor - Zitate aus seiner Konfirmandenzeit hervor. Von der schlesischen Heimat erzählt er. Und von der Lausitz, in der er aufwuchs. Und dass er das als Offizier zurück lassen musste. Immer wieder kommen ihm Fetzen alter Lieder oder Bibelverse in den Sinn. Wie einmal von jemandem in ihn gesetzte Bojen. Auch vom Tod seiner Frau erzählt er. Da muss er zur Seite blicken, um sich wieder zu fassen. Plötzlich geht ein Ruck durch ihn. Jetzt hätte er es wieder! Und dröhnend singt der Major den alten Osterhymnus „Christ ist erstanden von der Marter aller…“, mit allen Strophen, „ wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen..“ Es ist als würde dazu sein Herz salutieren. „Christ will unser Trost sein!“ Es klingt über die ganze Station. Als wäre ein alter Quell in ihm aufgebrochen. Er räuspert sich. Schluckt, als ich ihm zum Abschied Segen wünsche und nickt nur. Ganz ohne Schulterstücke. 



     (Foto: DHM)

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