Sonntag, 27. August 2023

Zivilcourage braucht die Welt - aber was brauchst Du dafür?

Predigt zum Bonhoeffertag 2023 in Friedrichsbrunn

Motto des Tages: 

Mündige Bürger braucht das Land - zivilisiert, engagiert, couragiert

Quelle: amnesty Schweiz


Predigttext aus der Bibel :  Der reiche Jüngling

Und siehe, einer trat zu ihm und sprach: Meister, was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben habe? 17 Er aber sprach zu ihm: Was fragst du mich nach dem, was gut ist? Gut ist nur der Eine. Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote. 18 Da sprach er zu ihm: Welche? Jesus aber sprach: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis geben; 19 ehre Vater und Mutter«; und: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« 20 Da sprach der Jüngling zu ihm: Das habe ich alles gehalten; was fehlt mir noch? 21 Jesus sprach zu ihm: Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach! 22 Da der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt davon; denn er hatte viele Güter. 23 Jesus aber sprach zu seinen Jüngern: Wahrlich, ich sage euch: Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich kommen. 24 Und weiter sage ich euch: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. 25 Da das die Jünger hörten, entsetzten sie sich sehr und sprachen: Ja, wer kann dann selig werden? 26 Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei den Menschen ist’s unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich. (Evangelium nach Matthäus, im Kapitel 19)




Predigt


 Liebe betrübte Gemeinde! Ihr lieben Betrübten!

eben standen wir hier und sangen:

Ich. glaube. Gott.!

Ich glaube: Gott ist in der Welt. 

Ich glaube: Gottes Schöpfermacht 

Ich glaube: Gott wirkt durch den Geist, 

Ich glaube: Gott ruft durch die Schrift das Wort, 

das unser Leben trifft.


Das sangen wir fest und stark, 

vielleicht auch manche seufzend und hoffend. 

Und das zu singen tut gut.

Mich zumindest bestärkt das.

Aber es ändert nichts daran, 

dass es manchmal ein Betrüben gibt.

Dass ich oft betrübt davon gehe,

wie der Mensch aus dem Evangelium.


Und ich meine nicht das Betrüben über diese Welt, 

(und da wäre Betrübnis genug, wirklich Sorge 

und Angst und Zorn auf so manches, das haben wir alle im Hinterkopf), 

ich meine heute nicht das Betrüben über diese Welt, über die anderen, 

sondern das Betrüben über mich.

Und bei diesem Betrüben über mich möchte ich einmal bleiben, 

denn im Betrüben über die anderen sind wir uns ja meistens schon einig, 

wo ihre Fehler liegen, was an ihrer Meinung falsch ist, 

in welche Schublade sie gehören und dass sie anders sind. 


Und dass vor allem wir ganz anders sind.


Mich interessiert dieser betrübte junge Mann.

Der eifrig oder vielleicht aufgewühlt, 

auf jeden Fall dringlich zu Jesus kommt. 

Mich interessiert sein innerer und äußerer Weg 

hier in dieser Geschichte. 

Sein Abwägen, was er einbringen möchte  aus seinem Leben. 

Und wie ernst es ihm damit ist. 

Und das hat mich schon immer beeindruckt: 

Wie ernsthaft er direkt und ohne Umschweife auf Jesus zutritt 

und ihm sein Anliegen geradezu hastig zuwirft, 

damit ihm niemand zuvor kommen kann. 

Er will es wissen. 

Es plagt ihn. 

Es treibt ihn um. 

Ein anderer Evangelist beschreibt sogar, dass er ihm entgegen läuft. 

Das passiert nicht oft in den Jesusgeschichten. 


Meistens findet man Predigten zu dieser Geschichte 

im Kontext zur Frage des Reichtums und woran man sein Herz hängt oder nicht. 

Der Junge Mann wird als Schwerreicher dargestellt, 

auch in der Kunst, als jemand, der sich von seinem Habe nicht trennen kann. 

Und ja, um Reichtum und Besitz geht es Jesus bei dieser Geschichte auch.


Ich sehe aber auch einen Menschen, 

der es maximal richtig machen will mit seinem Leben. 

So gut es nur möglich ist. Und das will ich selbst auch. 

Wie mache ich es richtig, Jesus?


Der Mann hat das schon lange probiert. 

Er war ein ordentliches und gutes Gotteskind. 

Er hat nichts falsch gemacht und vieles richtig. 

Irgendwie spürt und weiß er, dass das noch nicht alles war. 

„Was noch? Was noch, Jesus?“, fragt er. 

In einer zweiten Erzählung dieser Geschichte steht: 

als Jesus ihn so sah, gewann er ihn sofort lieb. 

Und auch das kommt nicht wirklich oft vor in Jesusgeschichten. 

Jesus liebt diesen jungen Menschen. Auf Anhieb. 

Wer so fragt, der hat eine Frage im Herzen, 

der ist diesen ganzen Weg zu Jesus nicht ohne Grund gegangen. 

Dafür alleine liebt Jesus ihn. Diesen Gedanken mag ich. 

Eins fehlt noch, sagt Jesus ihm: 

alles hergeben und mir vollkommen und radikal nachfolgen. 

Und ich stell mir irgendwie immer vor, dass Jesus das leiser sagt, 

weil er weiß, wie schwer das ist.


Da geht der Mann betrübt davon. 

Ein geliebter Betrübter. 

Es ist eine Geschichte von einem, der weg gegangen ist, so scheint es. 

Der aufgab.


Dabei: die Antwort des jungen Mannes steht noch aus. 

So wie meine Antwort manchmal schmal ist und kleinherzig, 

manchmal zu spät oder zu leise, 

wo es so vieles gibt es, was ich „eigentlich“ machen und sagen 

und ändern müsste an meinem Leben und ich tu´s ja so oft nicht. 

Und gehe weg. 

Und manchmal betrübt es mich. 

Oft sogar. 

Ich würde mich selber gerne mutiger sehen, 

weniger Worte machen und einfach tun 

von dem was ich immer so sage, dass es richtig sei. 


Was ich hier neben allen Reichtumsfragen sehe, 

ist ein Mensch, den die Frage seiner persönlichen Verantwortung nicht kalt lässt. 

Er will sich nicht einfach aus der Affäre ziehen. 

Er macht sich auf den Weg, er selbst, 

er fragt hier nicht: „und was machen die andern?“! 

Sondern: was bedeutet das konkret für mich, 

wenn ich in der Bibel z.B. lese: 

„Tu dein Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, 

die verlassen sind.“ (Spr. 31,8) 



Liebe glaubende Gemeinde!


Einmal gab es ein Bekenntnis. 1945. 

In ihm sagte unsere Kirche aus einer bitteren Erfahrung: 

"Wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, 

nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt 

und nicht brennender geliebt haben.“ (Stuttgarter Bekenntnis)


Der junge Mann kommt zu Jesus, direkt. Er glaubt. 

Und ich glaube auch: er brennt vor Liebe. 

Und eigentlich gibt es eine wichtige Botschaft, 

die Jesus immer wieder wiederholt: 

„Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ 

Glaubt daran, dass Gott etwas bewegen kann.

Auch hier: „bei Gott sind alle Dinge möglich“, sagt Jesus 

am Ende dieser Geschichte und das ist keine süße Vertröstung 

für welche, die es nicht schaffen. 

Es ist einer kraftvollsten Sätze aus der Bibel für mich.


Er ist auch keine süße Vertröstung für welche, 

die es immer nicht schaffen. 

Er ist eine Gewissheit, 

die er allen, die es von Herzen versuchen mit auf den Weg gibt. 

Vielleicht war es sogar noch ein Wort 

für den gerade weg eilenden jungen Mann.


"Bei Gott sind alle Dinge möglich" ist ein Wort, das er Dir mit gibt. 

Nicht als Idee und Gedanken, sondern als eine haltende Gewissheit. 

Als eine Gewissheit, die bleiben möchte. 

Gerade da, wo Dir manchmal die Gewissheit über anderes fehlt. 


Diese Gewissheit zu stärken hieße, ein Fundament zu haben, 

dass Dich mutig sein lässt und vielleicht immer mutiger 

und Dir Vertrauen schenkt, jederzeit die rechte Kraft oder den Mut zu haben, 

Dich auch verantwortlich zu zeigen und glaubwürdig zu leben.



Liebe mit Gewissheit gestärkte Gemeinde!


Vielleicht habe ich mich geirrt. 

Vielleicht geht es in der Geschichte nicht um die Frage, 

was ich bereit bin einzubringen. Was ich bereit bin zu geben. 

Vielleicht geht eher es darum, wohin ich mich mit dieser Frage wende. 

Und ob ich mich anfragen lasse in meiner Verantwortung für diese Welt. 

So wie ich bin, eben nur als Teilzeitvollkommene. 

Dass ich mit diesen Frage auf Jesus zulaufe, 

und nicht aufhöre, mich und ihn zu fragen:


wie ich mutiger bekennen kann und nicht schweigen,

wie treuer beten kann und mich zuständig fühlen,

wie fröhlicher glauben und nicht verzagen,

wie ich brennender lieben kann und nicht erstarren.


Denn, dass Leute nicht wegsehen.

Dass sich jemand an meine Seite stellt.

Dass einer den Mut hat zu mir zu halte.

Dass einer die Kraft aufbringt, zu streiten

- wünschen sich Menschen in Bedrängnis


… und Gott hält das alles für möglich, sagt Jesus. 

Er, der Dich geschaffen hat, 

der Dir Worte schenkt, die dein Leben treffen.



Dorothee Sölle schrieb einmal:

Du hast mich geträumt, Gott

wie ich den aufrechten Gang übe 

und niederzuknien lerne

schöner als ich es jetzt bin 

glücklicher als ich mich traue 

freier als bei uns erlaubt.


Hör nicht auf,

mich zu träumen, Gott

ich will nicht aufhören,

mich zu erinnern,

dass ich dein Baum bin 

gepflanzt an den Wasserläufen des Lebens. 

(In: Loben ohne lügen, Dorothee Sölle, Berlin 2000, S. 12)


Bevor wir heute hören und darüber nachdenken, 

was begehbare und vor allem nötige couragierte Wege heute wären, 

steht dieser Gottesdienst und die Zusage Gottes: 

mit mir wäre es möglich. 


Bevor auch immer Du deinen Rücken streckst 

und Mutiges kannst, 

lass Dir sagen - Gott hält es mit Dir für möglich! Amen


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, 

der halte unser Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe.






.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...