Samstag, 23. November 2019







Bibeltext für den Ewigkeitssonntag: 
1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zu den Händlern und kauft für euch selbst. 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.
(Matthäus 25, 1-13 / Lutherbibel 2017 / Bibleserver.de)



Predigt zum Ewigkeitssonntag,
für alle Traurigen und unsere Ältesten, die wir heute einführen
und für dich, wen du das liest.....




Können Menschen verloren gehen?
Können Menschen verlorenen gehen,
können sie Gott verlieren oder er sie?
Können Sie komplett am Leben vorbei schießen?
Können Sie Gott verpassen?
Können Sie ein richtiges Leben verpassen?
Und wenn ja, haben sie dann Gott verpasst?
Und wenn ja, gleich für immer?

So lautet doch die eigentliche Frage hinter diesem Text.
Die Frage ist, an wen sich diese Geschichte wendet.
An die Lebenden? An die Toten?
An uns? An mich? An dich?
Sicher ist: Jesus meint ernst was er sagt.
Dieser Text ist darum offensichtlich für die,
die noch etwas ändern können in ihrem Leben.
Jesus rechnet wirklich damit, 
dass Menschen verloren gehen können.

Und:
Jesus rechnet damit, 
dass Menschen gerettet werden können.

Wenn Jesus selbst nicht auch verloren gegangen wäre, 
hätte er nicht gerufen: 
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“.

Wenn Jesus nicht auch gerettet worden wäre, 
hätte er nicht sagen können: „Ich bin auferstanden!“.

Das ist Gottes Logik. Menschen können verloren gehen.
Können vergessen haben, das Öl des guten Lebens in ihren Lampen zu sammeln, 
das es hell macht für sie und dabei auch noch für andere leuchtet. 
Gott sagt uns darum ernsthaft, was gut ist im Leben und was nicht. 
Er sagt ernsthaft, dass wir danach leben sollen.
Er weiß aber dennoch, dass nicht alle in der Lage sind, dieses Öl zu sammeln. Dass wir zu schwach, zu gedankenlos, zu vergesslich, zu einsam, zu traurig, zu enttäuscht, zu locker, zu unsicher sind. Er weiß, dass wir manchmal verloren gehen vor der Tür des Lebens, dass sich das Leben taub anfühlen kann, als wäre es kurzzeitig hinter die Tür geflohen und wir stünden davor ohne Schlüssel.

Und darum kann Gott retten. Immer.
Gott ist eben unvergleichlich. 
Was Gott macht
ist nicht zu vergleichen.
Was Gott für uns ist,
gleicht niemandem und nichts.
Er gleich für mich nicht der zugeschlagenen Tür;
er sagt, er selber sei die Tür.
Er ist für mich niemand, 
der mich mit dem erloschenen Öl trauriger Tage
in die Dunkelheit schickt.
Nicht ohne einen Docht der Hoffnung.
Gott kommt in der Mitte der Nacht,
Manchmal erst, wenn die Hoffnung zum Zerbersten gedehnt ist.
Wie in dieser Geschichte.
Er wendet die Dinge. 
Die Nacht beginnt ganz allmählich zu schwinden.
Tagesfunken von Kraft und Wiederaufstehenkönnen
wirft er an den Himmel.
Zeichen der Überwindung.

Die Geschichte der Wartenden mit den Öllampen 
ist noch nicht zu Ende.
Es ist unsere Geschichte, 
weil wir manchmal vergessen, worauf es ankommt.
Es ist unsere Geschichte, weil wir auch wollen müssen.
Weil wir aufstehen könnten.
Es ist unsere Geschichte, weil sie noch nicht zu Ende erzählt ist.
Es ist die Geschichte unserer Lieben, 
die schon längst mit ihm beim Fest sitzen, in seiner Wärme.
Es ist unsere Geschichte von Nächten, die Tag werden.

Das Himmelreich gleicht Leuten,
die hier in B. in der Kirche sitzen
und wissen, da kommt noch was.
Die die Trauernden halten, die Kinder bestärken und 
zusammen die Gemeinde leiten und lebendig machen.
Die erlebt haben, wie der Bräutigam immer wieder 
für Momente spürbar unter ihnen ist. Himmelreichsmomente.

Das Fest… 
Das kommt noch!
Das Öl… 
für unsere Lebenslampen
könnten wir mal wieder suchen gehen.
Und:
Niemand muss vor der Tür bleiben,
auch wenn er oder sie mal verloren ging.
Am Ende wird Gott alle Tränen abwischen
Und alles neu machen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 
der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 
und stärke unsre Liebe. Amen.


Donnerstag, 7. November 2019

Atem für zwei


„Er hat so gerne gesungen.“, sagt sie endlich nach langem Schluchzen, rückt ihr Kopftuch gerade und stopft eine graue Strähne hinein. Sterbend liegt ihr alter Vater im Bett. Vater Alexander, mit dem sie vor fast 30 Jahren nach Deutschland gekommen war. Mit deutlichem Akzenten und rollendem „Rrrr“ spricht Marina. Erzählt vom Vater. Ehrfurchtsvoll. Mit viel Angst, wie es ohne ihn gehen soll. Tief gläubig sagt sie, er müsse dies leiden wie der Herr Jesus Christus. Und dass er bald beim Herrgott wäre. Ich nehme die zerlesene Bibel vom Nachttisch des alten Mannes. Psalm 23 lese ich vor. „Ach“, sagt sie sehnsüchtig, „in seinem Hause sein…“ „Bleiben“, sage ich. „Bleiben heißt, dass die Wände seines Hauses schon hier um uns sind und dass sie hinein reichen in diese andere Welt. Dass wir also verbunden sind: die auf dieser Seite und die auf der anderen Seite. Und dass wir den Stecken haben für die finsteren Täler. Dass Gott unser Stecken ist. Direkt in unserer Hand.“ Eine Weile ist es ganz still. Dann beten wir. Bedeutungsschwer spricht Marina das Vaterunser. Jedes einzelne Wort davon meint sie wirklich. Vorsichtig nehme ich ihr alte Gesangbuch in die Hand. Sie könne heute nicht singen. Sie würde so gerne. Sie müsse immer weinen. Ich blättere darin. Ein sehr altes Liederbuch ohne Noten. Es sei noch von der Schwiegermutter und aus Sibirien mitgebracht. Dann nimmt sie es doch und schlägt ihr Lieblingslied auf. Es ist mir unbekannt. Zart lege ich meine Hand in ihren Rücken und sie holt Luft. Mit einer warmen tiefen Stimme und unüberhörbar russischer Melancholie fängt sie leise an. In der zweiten Strophe summe ich vorsichtig mit. Dann stimme ich mit ein in das unbekannte Lied aus dem sibirischen Gesangbuch. Zwischendurch bricht ihre Stimme. Meine hält. Zusammen singen wir bis zum Ende. Sie schnieft und schnaubt laut die Nase. „Ja. „ sagt sie. „Ja!“ Ich segne Alexander und sie rückt das Kopftuch gerade. Wir drücken uns mit beiden Händen. Sie lächelt wunderschön zwischen den Tränen. 



.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...