Freitag, 25. Dezember 2020

Lass Dir Deine Hände füllen

In leere Händen ist mehr Platz für Gott

- Weihnachtspredigt


So stehe ich sonst hier, bei Gott:

die Arme voll bis zum Anschlag.


Die Arme und die Augen,

den Bauch und das Herz

voll bis zum Anschlag.


Ein geschmückter Weihnachtsbaum daheim,

leuchtende Kerzen,

eine sich schiebende fröhliche Menschenmenge,

Weihnachtsmärkte mit Zuckerwatte

und klimpernden Karussells.

Konzerte in jedem Ort,

die Bänke voll,

Schulter an Schulter mit meinen Nachbarn.

Besuche.

Grüße.

Der Schwatz in dichter Zweisamkeit,

die vollgepresste Kirche

- manche müssen noch stehen.

Familientreffen.

Dicke Gänsebraten.

Volle Tische.

Geschenkberge.

Geldscheingeschenke als Blüte gefaltet.

Knisterndes Papier.

Von allem so viel

habe ich sonst,

die Hände voll,

wenn ich zu Weihnachten

hierher komme.


Doch stell dir vor,

das alles wäre einmal nicht da,

oder viel weniger davon.

Wie jetzt.

Und du kommst hierher

mit dem wenigen in der Hand,

das dieses Jahr möglich war.

Mehr Sehnsucht als Rausch.

Mit gefühlt leeren Händen und leerem Tank.

Viel weniger als das Viele sonst.


Mit wenig stehst du hier an der Krippe.

Wieviel mehr kann plötzlich

so ein kleines Licht sein!

So ein Stern!

Augen, die dich ansehen!

Die vertraute Musik,

die geblieben ist.

Und von diesem

kannst du reichlich

bekommen!




Reichlicher als sonst könnte Gott deine Hände füllen:

leere Stellen in dir,

Risse im Alltag,

das Weh in deinem Herzen.

Diesmal gibt es dafür:

Umarmungen von Gottes gutem Geist.

Diesmal für dich stattdessen:

Zuversicht wider die Angst und

Ausatmen gegen die Enge.


Ein „Stattdessen"das dich dennoch satt macht

- auch ohne das viele.

Und diesmal,

wo deine Hände leerer waren als sonst,

merkst du es!

Dieser Gott kommt echt in die Welt!

Diesmal merkst du es tatsächlich:

hier im Herzen,

hier in deiner Seele,

hier in deiner Kraft.

Am dem Weihnachten

wo du nur mit Wenigem kamst

gehst du mit einem Mehr von Gott. Amen 


💫


Donnerstag, 24. Dezember 2020

Gedanken an Heiligabend ....


 ...das geschah kurz bevor Maria und Josef aufbrachen...


Maria lachte schallend.
„Hach, Gott, Josef, ich dachte schon einen Moment, du meinst das ernst. Echt jetzt. Der war gut. Einen Moment dachte ich wirklich, du ziehst das durch, Josef.
Einen winzigen Moment dachte ich, dass du dich jetzt ernsthaft losmachen willst und wir 130 Kilometer zu laufen haben. So eine Strecke kann man sich ja kaum vorstellen. Wie lange sollte das dauern, das alles? 3 Wochen? Oder so? Das geht nicht! Überhaupt nicht. Dauert viel zu lange. So einen langen Einschnitt in mein Leben kann ich überhaupt nicht vorstellen gerade. Ich habe nämlich schon etwas vor. Das habe ich schon länger vor, du lieber Dummkopf. Ich werde dein Kind auf die Welt bringen! Ich brauche jetzt meine Familie. Ich brauche, dass wir uns sehen können, reden, umarmen, lachen, streiten, uns sehen. Ich brauche, meine Mutter und den Vater. Meine Schwestern. Die Tante, die Fröhlichkeit der keinen Neffen. Ich brauche gute Essen - wo soll ich denn da was her kriegen. Ich brauche jetzt keinen Stress. Aber das weißt du ja alles. Darum hast du ja nur Spaß gemacht. Auf so eine blöde Idee käme doch keiner. Einfach mitten im Lauf den ganzen Alltag über den Haufen zu werfen. Wie sollte man so eine Zeit überstehen? Du weißt nicht, wie lange das dauert… du weißt nicht, wo es lang geht. Ja, gut, man könnte sich nach den Sternen richten. Die beruhigen mich oft. Sie sind so stet und so fest und wandern immer ihre Bahn. So vertraut, da ändert sich nichts. So ein Stern ist unersetzbar, wenn du mal nicht weiter weißt. Aber wie soll das gehen, so eine weite Strecke. Von jetzt auf gleich. Hier aus meiner Gemütlichkeit heraus gerissen. Würden wir das überstehen? Was wird aus unserem Leben hier? Wer weiß was da auf so einer Reise alles passiert, man hört ja viel. 130 km - nee also, so lange würde ich ja gar nicht durchhalten. Da ginge mir die Puste aus. Aber vor allem würdest du mir das nicht antun. Stimmt’s, Josef? Das würdest du nicht tun, mich heraus reißen aus meinem Alltag und auf eine Reise schicken, die alles ändert, alle meine Pläne, die mich trennt von meiner Familie und die irgendwie ziemlich trostlos aussieht. Dass würdest du nicht tun Josef oder? Wer sowas macht, muss doch total irre sein. Stimmt´s, Josef? Josef…..!? Wieso lachst du nicht?“

„Maria. Weißt du’s nicht mehr? Wir sollen uns gegenseitig daran erinnern, hat er gesagt. Fürchte dich nicht, hat er gesagt. Weißt du noch? Fürchte dich nicht! Maria, das heißt nicht einfach nur Fürchte dich nicht. Das heißt „Fürchte dich nicht wenn es unerwartet kommt. Fürchte dich nicht, wenn etwas länger dauert und du nicht weißt wie lange. Fürchte dich nicht in der Nacht, fürchte dich nicht, wenn du ohne deine Familie sein musst. Fürchte dich nicht, dass du Hunger bekämst. Fürchte dich nicht, dass alles schief gehen könnte. Fürchte dich nicht, obwohl manches wankt. Fürchte dich nicht vor langen Strecken, ich habe Atem für dich mit. Fürchte dich nicht, wenn du Angst hast, es nicht zu schaffen. Fürchte dich nicht - das sagt ER dir.“ 
Mehr weiß ich auch nicht.
Aber daran halte ich mich fest.
Und nun komm…."








Mein Corona-ICH

 Alles ist anders.

Mein ICH auch.
Ich glaube, ich habe ein Corona-ICH.
Das neue ICH ist müder als ich,
von Dingen die eigentlich keine Kraft kosten sollten.
ICH lässt den Wäscheberg tagelang liegen,
obwohl mehr Zeit dafür wäre als vorher
und an anderen Tages 
putzt es 10 Fenster und räumt den Dachboden auf.
Es ist ein Warte-ICH,
das immerzu wartet.
Ein überflutetes ICH
mit Zahlen und Bildern,
süchtig nach den nächsten Perlen 
an der Kette der Unheilsbotschaften.

Das ICH
würde gerne tagsüber im Bett liegen,
vielleicht einfach Winterschlaf machen
und in Monaten erst wieder aufwachen.
Dann lieber in einer Welt, die Verlässlichkeit bietet,
in der man Pläne machen kann
über den nächsten Tag hinaus.

Mein Corona-ICH
würde gerne tiefer atmen,
im Supermarkt Menschen umarmen
oder fett mit 20 Freunden auf einmal Kaffee trinken.

Das Chorona-ICH
ist eine Art Krisen-ICH,
das innerlich unter den Tisch geklettert ist.

Es sucht manchmal
vergeblich nach einer Spur im Tag,
hat kein richtiges Zeitgefühl mehr
und sitzt manchmal nur so da.
Das hätte es früher bestimmt nicht gemacht.

Dieses andere ICH fragt sich,
was mein eigentliches Ich gerade machen würde
und hat Sehnsucht nach ihm.
An manchen Tagen kratzt es Goldstaub von Sternen
und streut ihn auf den Weg.



Sonntag, 20. Dezember 2020

Die Trauer am Tisch


 „Weihnachten ohne Dich"

- vielleicht liest du das hier.

Und du musst dieses Jahr Weihnachten feiern „ohne“ jemanden.

Für manche ist es das erst Mal ohne diesen geliebten Menschen.

Andere haben das schon erlebt. Und fanden es schwer.


Weihnachten „mit ohne“ haben wir gerade alle irgendwie.

Viel lieb gewonnenes geht dieses Jahr einfach nicht.

Es ist ein Weihnachten ohne Einiges,  

auf das wir aber auch mal verzichten können, 

merken wir jetzt.

Es ist ein Weihnachten ohne Anderes und Andere, 

die uns sehr viel bedeuten und die uns fehlen, 

merken wir jetzt.

Das wird ein Weihnachten mit viel Sehnsucht und Vermissen.

Allerdings: 

das meiste davon wird alles irgendwie wieder kommen.


DU kennst einen, der nicht wiederkommen kann.

Da ist ein Platz am Tisch, auf dem Sofa, 

auf der Bank vor dem Haus, im Kinderbettchen 

- eben gerade neben Dir, 

der leer bleibt seit einiger Zeit. 

Eine Leerstelle. 

Wie ein abgeschnittener Zweig an einem Baum. 

Stattdessen ist jemand anderes eingezogen 

wie ein ungebetener Gast: die Trauer.


Sonst, im Alltag, kommst Du klar. 

Du hast Dich daran gewöhnt, dass es nicht zu ändern ist.

Du hast Dich daran gewöhnt, dass es ein Leben 

ohne diesen Menschen gibt, dass es einfach weiter geht.

Muss es ja auch.

Du hast Dich daran gewöhnt, dass es manche Tage gibt,

 wo es wirklich gut geht, wo sich alles fast wieder normal anfühlt.

Du hast Dich daran gewöhnt, dass es dann diese Moment gibt,  wo ein Wort,

ein Klang, ein Geruch, ein winziger Hauch der Luft plötzlich Kaskaden der Erinnerung in Dir öffnet.

Das ist manchmal schlimm, aber manchmal auch schön.


Wie eine Berührung aus der Ferne. 

Wie die Vergewisserung, dass der Faden nicht abreißen wird.


Aber Weihnachten? 

Puh.

Für manche ein kleiner Berg im Kopf.

Weihnachten war doch schon immer SO 

- auf eine bestimmte Weise!

Und die war Dir wichtig. 

WIE wichtig, das merkst du erst, wenn sich alles total verändert. 

Und die sonst als etwas fade empfundene Normalität plötzlich das schönste wäre, 

das passieren könnte. 

Irgendwie brauchst Du nun einen neue Normalität.

Wie könnte die sein?

Wie könnte die sein, mit einem leeren Platz 

und einem ungebetene Gast: der Trauer. 

Bietest Du ihr vielleicht einfach einen Platz an?

„Na gut, du Trauer, setz dich halt dazu…

Man kann das ja gar nicht mit ansehen, 

wie du dich da immer in der Ecke rumdrückst. 

Setz dich mal hier mehr ins Licht. 

Ich wollte dich ja nicht unbedingt hier haben.

Aber wo du jetzt da bist,

ist wenigstens jemand da.

Jedenfalls vorübergehend. 

Du weißt schon, du darfst dann auch mal wieder gehen. 

Da wünsch ich mir auch mal wieder: Weihnachten ohne dich.

Aber weil du jetzt da bist…

vielleicht trau ich mich ja mit dir einen dieser Kekse zu essen, 

die ich seitdem nicht mehr angerührt habe,

eine Weihnachtsmusik zu hören, die Erinnerungen weckt.

Tränen sind ok. Sie sind mein Schmuck heute Abend.“


Jesus sagt: „Kommt her zu mir,

die ihr mühselig seid. 

Ich will euch Ruhe geben.

Lasst mich zu dir setzen. 

Ich setze mich neben Deine Trauer und neben Dich.

Wir werden dort zusammen sein.

und ich helfe Dir tragen.“ 

.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...