Sonntag, 29. Oktober 2023

...aus dem Herzen gesprochen....

Predigt 

mit schwerem Herzen 

und voller Sehnsucht nach Frieden...


  Wochenlied:

1) Zieh an die Macht, du Arm des Herrn,
wohlauf und hilf uns streiten.
Noch hilfst du deinem Volke gern,
wie du getan vorzeiten.
Wir sind im Kampfe Tag und Nacht,
o Herr, nimm gnädig uns in Acht
und steh uns an der Seiten.

2) Mit dir, du starker Heiland du,
muss uns der Sieg gelingen;
wohl gilt's zu streiten immerzu,
bis einst wir dir lobsingen.
Nur Mut, die Stund ist nimmer weit,
da wir nach allem Kampf und Streit
die Lebenskron erringen.

3) Drängt uns der Feind auch um und um,
wir lassen uns nicht grauen;
du wirst aus deinem Heiligtum
schon unsre Not erschauen.
Fort streiten wir in deiner Hut
und widerstehen bis aufs Blut
und wollen dir nur trauen.

4) Herr, du bist Gott! In deine Hand
o lass getrost uns fallen.
Wie du geholfen unserm Land,
so hilfst du fort noch allen,
die dir vertraun und deinem Bund
und freudig dir von Herzensgrund
ihr Loblied lassen schallen.


(Text: Friedrich Oser / Melodie: Melchior Vulpius)








Ein menschliches Herz wiegt etwa 300 g,

meins wiegt in diesen Tagen gefühlt mehr als sonst.

Mein Herz ist übervoll gerade mit so vielem.


Und wenn ich ehrlich bin, 

dann würde ich jetzt lieber 15 Minuten schweigen.

Und möglicherweise wäre das sehr angemessen

angesichts dessen, was gerade in der Welt los ist.


Der Sonntag heute legt mit seinen Texten eine Spur 

zum Thema Krieg und Frieden, Versöhnung und Trennung,

der ich wohl nicht entweichen kann,

in Tagen, in denen die Nachrichtenbilder alles andere als jugendfrei sind 

und sich mit einer Größe in mein Leben schieben, dass es mich bedrängt

und alles so unübersehbar und so kompliziert macht. 

Könnte das nicht alles bitte etwas einfacher sein? 


Und in meine Ernüchterung und Ratlosigkeit 

mit dem zu weit entfernten und zu komplex gewordenen 

Frieden 

höre ich hier in den Texten:


Ich will das nicht, sagt Gott, Gedanken des Friedens habe ich doch über dich. 


Du sollst, ihr sollt vollkommen sein.


Und: halte Deine Backe hin, sagt Jesus, geh zwei Meilen

geh mehr als nötig, sogar mit deinem Feind.

Ihr sollt euch unterscheiden in Eurem Denken und Tun.


Und dazu dann dieses Wochenlied: … mit:

Macht und Arm und Volk und Sieg und Seiten.

Kampf und Streit und Mut und Stund.

Feind und Not und Hut und Blut.


„Aber du bist doch Gott, du hilfst doch allen….“ - endet es…


Ist das so?

Manche zweifeln. Manche verzagen.

Wortlos lassen mich die Überflutung dieses Weltengewitterns, 

dieser Kriegsdonner und dieser Regen aus Bildern zurück.

Dafür habe ich manchmal gar keine Worte mehr.


Daten brennen sich dauerhaft in mein Zeitgedächtnis, 

wir reden von ihnen wie von Blitzeinschlägen 

oder Momenten als die Zeit plötzlich stehen blieb.

Daten ähnlich dem 1. September 1939.

Daten wie der 11. September 2001 / Nine eleven,

wie der 24. Februar 2022

und nun der 7. Oktober 2023.


Sie teilen die Zeit und die Welt in ein davor und danach,

teilen in ein Vorher von mehr Gottesvertrauen und Frieden

und ein Nachher mit Ratlosigkeit, Zweifeln und Unsicherheit.

Die Friedenspredigten, die mir einst leichter von der Hand gingen, 

bleiben mir im Hals stecken, so kompliziert ist die Welt.


Vorgestern Nacht.

Stephan sitzt vor mir.

Eigentlich will ich am Abend der Tagung ins Bett.

Er - mir völlig unbekannt - sitzt mit Freunden im Voyer des Hotels, 

im Vorbeigehen kommen wir kurz ins Gespräch und er erzählt einfach los.  

Er berichtet von seinem Einsatz im Nahen Osten,

genau in der Region, aus der jetzt sekündlich Bilder eintreffen.

Er hat dort mehrfach dienstlich gelebt und gearbeitet, Menschen ausgebildet. 

Er kennt die Straßen und Gassen, die Regeln und den Alltag dort. 

Er erzählt von der Herzlichkeit der Menschen und der Schönheit des Landes, 

er erzählt von feigen Angriffen, von Steinewerfern und trauernden Müttern, 

erzählt vom roten Licht der wandernden Pointer aus Waffen, 

die suchend über Häuserwände wandern 

und auch über ihn und seine Freunde als sie einfach nur auf dem Balkon sitzen. 

Er erzählt von Unrecht und auch von seiner Hoffnung, 

dass die Menschen, die er ausbildete, es besser haben werden. 

Er sagt es traurig.


Ich sage Euch nicht, wo genau er lebte. 

Denn es spielt keine Rolle. 

Er hätte genau das - so oder so - erleben können: 

Alltag, Menschen, Hoffnung, Trauer, Aufbruch. 

Er hätte das mit den einen oder den anderen Menschen erleben können. 


Predigttext:

„Da zog Abram herauf aus Ägypten mit seiner Frau und mit allem, was er hatte, und Lot mit ihm ins Südland. Abram aber war sehr reich an Vieh, Silber und Gold. Und er zog immer weiter vom Südland bis nach Bethel, an die Stätte, wo zuerst sein Zelt war, zwischen Bethel und Ai, eben an den Ort, wo er früher den Altar errichtet hatte. Dort rief er den Namen des HERRN an. Lot aber, der mit Abram zog, hatte auch Schafe und Rinder und Zelte. Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß und sie konnten nicht beieinander wohnen. Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh. Es wohnten auch zu der Zeit die Kanaaniter und Perisiter im Lande. Da sprach Abram zu Lot: Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht alles Land offen? Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken. Da hob Lot seine Augen auf und sah die ganze Gegend am Jordan, dass sie wasserreich war. (…) Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem andern, sodass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten jener Gegend. (…) Als nun Lot sich von Abram getrennt hatte, sprach der HERR zu Abram: Hebe deine Augen auf und sieh von der Stätte aus, wo du bist, nach Norden, nach Süden, nach Osten und nach Westen. Denn all das Land, das du siehst, will ich dir geben und deinen Nachkommen ewiglich. (…) (1. Mose 13)


Auf diesem Berg möchte ich gerne stehen, 16 km nördlich von Jerusalem 

und hinab schauen können und die Wahl haben. 

Die Wahl haben zwischen Terror und Frieden. 

Die Wahl haben zwischen Mauern und keinen. 

Die Wahl haben zwischen Waffen und keinen. 

Die Wahl haben zwischen einfachen Fragen.


Mit ruhigem stillem Stolz und Großherzigkeit 

löst Abram die Spannungen zischen seinen und Lots Leuten. 

Er schafft Raum zwischen ihnen. 

... Ach, Raum schaffen zwischen denen im Streit und im Krieg. 

Wenn man das so könnte… !!

Das Land erträgt die beiden nicht. 

Der Jordan und die Höhen, die Wüste und das Meer, sie tragen nicht mehr. 


Das wir gerade erleben scheint verworrener als verworren, 

keine einzige Erklärung zu dem, was gerade dort los ist, 

würde stimmen, keine einzige, jede ist immer nur die halbe Wahrheit. 

Das Land trägt es kaum mehr, 

als würden Jordan und Höhen weinen 

und die Wüste und das Meer vor Schmerzen schreien. 


Steht Dir nicht alles offen? fragt Abram. 

Du bist offen zu wählen, sagt Jesus. … 

Aber so einfach ist das nicht. 


Ich wünschte, wir könnten dort stehen und es wäre offen und wir hätten die Wahl. 

Und alle, die sich trennen müssen, weil es nicht zusammen geht, 

könnten den Kopf heben, den Blick aufrichten, wie es von Lot und Abram erzählt wird. 

Manchmal reicht es nicht zur Versöhnung und manchmal heilt die Liebe nicht, 

manchmal gibt es Trennung und braucht es Raum dazwischen. 

Lot und Abram hat es geholfen, sie halfen sich später einander wieder. 

Aber einen Schlussstrich ziehen können unter so Verworrenes, 

das schon alleine wäre eine Sehnsucht wert. 


Die Bibel hat die Verheißungsgeschichte Gottes 

immer in menschlichen Geschichten erzählt. 

Sie beschreibt in dieser Geschichte 

Menschen, die zurück treten können, 

die deeskalieren, 

die einen Stop-Punkt finden 

und es nicht weiter treiben lassen. 


Was für eine Verheißung ist mir das! 


Und dazu aber dann dieses Wochenlied: … mit:

Macht und Arm und Volk und Sieg und Seiten.

Kampf und Streit und Mut und Stund.

Feind und Not und Hut und Blut.


Ein Lied, das Menschen in Vorkriegszeiten des 2 Weltkrieges besonders inbrünstig sangen, 

die Deutschen Christen sangen es und die Bekennende Kirche sang es, 

sogar auf der Bekenntnissynode in Barmen. 

Ich bekomme Gänsehaut bei der Sprache des Liedes. 

Genug Blut und genug Not! 

Ich habs so satt. 

Keine Siege mehr bitte. Keine Siege mehr bitte! 


„Ein Sieg trägt in sich schon wieder den Samen der Rache“, sagt Rabbi Leibowitz. 


Lieber will ich singen:

Zieh an die Macht des Lassens, du Arm des Herrn,

wohlauf und hilf uns streiten für die Liebe.

Noch hilfst du deinem Volke gern, Versöhnung zu finden

wie du getan vorzeiten.

Wir sind im Kampfe mit uns selbst und deiner Barmherzigkeit Tag und Nacht, 

o Herr, nimm gnädig uns in Acht vor schneller Wut und bösen Kommentaren 

und steh uns an der Seiten mit Deinem Sehnsuchtsmut.


Mit dir, du starker Heiland du, 

mit Deinen hingehaltenen Wangen

muss uns doch endlich der Sieg 

über Hass und Vergeltung gelingen;
wohl gilt's zu streiten immerzu, 

wohl gilt's zu streiten immerzu, 

den Frieden nicht zu lassen.

Herr, du bist Gott! In deine Hand o lass getrost uns fallen.


Ich hab Sehnsucht, dass Menschen auf die Berge steigen und Gott sagt:  

Hebt Eure Augen auf und seht doch von der Stätte aus, wo ihr seid, 

nach Norden, nach Süden, nach Osten und nach Westen. 

Denn das ganze Land, das ihr seht, 

will ich euch allen geben und euren Nachkommen ewiglich. 


Ich bitte Dich - schau Dich um in dieser Woche 

als würdest Du von diesem Berge schauen. 

Nimm allen Sehnsuchtsmut zusammen. 

Lass dich nicht überwinden von all den Bildern. 

Schnapp Dir Gottes Gedanken des Friedens, 

die er über dich hat, bevor Du wieder ins Tal eilst. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unser Liebe. Amen.



.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...