Predigt zum CSD 2025in Merseburg
Du bist kein Zufall
Sondern Deine Identität ist
voll und ganz absichtlich
so wie Du bist
und ich auch
ehe ich es wusste
und Du auch
ehe Du es wusstest
wusste Gott über deine Herzensregungen
über dein weiblich und männlich über
dein Sosein jenseits all der roten Linien
die andere zogen
aber die nicht Gott zog
Das glaube ich ganz fest
Als würdest Du zu Gott sagen:
"Gott, ich bin gay, bi, trans…" (was auch immer deins ist…)
Und Gott würde antworten:
"Ich weiß Sweetie - ich wusste es doch lange vor Dir."
Du bist Teil von mir.
So. Und nicht anders.
Das ist wie ich dich gemacht habe.
Neulich habe ich von Mo* gelesen. Mo passt auch in keine Linien. Sie verwendet die Pronomen they und sie. Mo ist eine behinderte nonbinäre Student*in. Sie lebt in den USA. Die Frage nach Gott hat Mo schon immer schwer bewegt. Es war eigentlich gleichzeitig die Frage, inwiefern sie dazu gehört. Zugehören darf - zu allen anderen: der Gesellschaft, den Menschen um sie herum. Mit ihrem Körper und auch den Veränderungen, die sie durch-gemacht hat, mit ihrem Weg, jenseits binärer Ideen, mit den Operationen und Therapien. Gehört sojemand dazu?
Unsere Religion hat leider seit Jahrhunderten den Körper - dieses empfindsame, pulsierende, lebensvolle Wunderwerk Gottes - verachtet und hat die Sexualität laut gefürchtet und nur leise gelebt. Hat Lehren geprägt, die Schuld und Scham mit Körpern verbanden. Ich bin froh, dass das gerade besser wird. Diese christliche Religion ist aber interessanterweise gleichzeitig eine sehr körperliche. Mit einem Gott, der in einem Menschenkörper auf die Erde kam. Der gleiche Menschenkörper, der fast unbekleidet in allen unseren Kirchen zentral in der Mitte unseren Blicken ausgesetzt ist. In jeder Kirche siehst Du diesen Körper, den Gott sich ausgesucht hat. Er ist gezeichnet. Und er soll ein Symbol sein. Für Gottes Nähe, für sein Mit-uns-Körper-sein und für eine Verwandlung vom Tod ins Leben.
Mo hat dieser Gedanke besonders gefallen. Dass Jesus da am Kreuz, so zerstört er da auch aussieht, gerade so unser Bezugspunkt ist. Jesus, der als Kind Gottes gilt. Und wir, die wir auch als Kinder Gottes gelten.
Mo schreibt sinngemäß: „Der Gedanke lässt mich nicht los, wie mein physischer Körper – der gebrochen ist, von Traumata, Operationsnarben, Ängsten und mit einem Gehirn, das so viele Verletzungen in sich trägt und der nicht von meiner Trans- und Queerness getrennt werden kann – als nach dem Bild Gottes geschaffen angesehen werden kann. Wie? Nichts an mir fühlt sich besonders heilig an. Tatsächlich wurde mir immer wieder klar gesagt, dass es nicht heilig ist, was ich verkörpere, sondern Sünde. Das ist auch der Grund, warum ich mich oft so weit weg vom größeren Leib Christi fühle."
Denn das Bild vom Leib hat die ersten Christ*innen damals so geprägt, dass sie in den Briefen schrieben, die ganze Gemeinde, alle Menschen, die glauben, wären wie ein Körper. Mit unterschiedlichen Aufgaben, aber eine Einheit. Und aufeinander angewiesen und bezogen.
Dort (1.Kor 12) steht zum Beispiel: „Ihr seid ein Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: ‚Ich brauche dich nicht!‘ Und der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: ‚Ich brauche dich nicht!‘ Im Gegenteil, die scheinbar schwächeren Teile des Körpers sind unentbehrlich.“
Mo mag genau dieses Bibelstück besonders. Es gibt ihr die Gewissheit: „Es gibt keinen Teil von mir, der es nicht verdient, dazuzugehören. Es gibt keinen Teil von dir, der nicht gebraucht und gewollt wird.“
Da steht auch noch: „Gott aber hat den Leib
zusammengefügt und den Gliedern, denen es an Ehre mangelte, größere Ehre gegeben, damit keine Spaltung im Leib sei, sondern seine Glieder in gleicher Weise füreinander da seien.“
Mo hat das geholfen zu glauben, dass sie mit Absicht genau so - nichtbinär - von Gott gedacht ist. Sie sagt:
„Der Leib Christi besteht aus uns allen. Zu sagen, dass einer von uns nicht dazugehören kann, suggeriert, dass etwas an uns außerhalb der Reichweite Gottes liegt. Hört auf, Gott einzuschränken. Nichts ist außerhalb der Reichweite Gottes. Dieser Leib Christi ist trans, weil ich trans bin. Dieser unser gemeinsamer Leib Christi ist auch mit behindert, weil ich behindert bin. Der Leib Christi ist vernarbt, gebrochen, traumatisiert, krank, queer, missbraucht, weil ich all das bin und Teil des Leibes Christi bin. Gott nimmt all das an und heißt jeden/jede in seiner Gemeinschaft willkommen. Wir sind berufen, hier zu sein. Wenn Gott all das ehrt, dann muss es uns auch gut genug sein.“
„Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.“, heißt es schon im 2500 Jahre alten Psalm 139, „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. Es war dir mein Gebein nicht verborgen, da ich im Verborgenen gemacht wurde, da ich gebildet wurde unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, da ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.“
"Manchmal habe ich versucht
von Dir weg zu gehen und Dir zu entrinnen - Gott
aber wohin könnte ich fliehen
damit Du mich nicht siehst
in meinem Tasten nach mir
nach der Person
die ich werde
Bin ich in himmlischen Tagen
wo ich frei bin und echt
oder in dunklen Tagen
wo ich so hadere mit meinem Schicksal
und zögere damit hinaus zu gehen
und offen zu legen
bin ich mit anderen
fröhlich Liebenden
oder in Ängsten und Verstecken
wo ich lande
auf der Flucht
vor der Wahrheit über mich
- so bist Du auch überall dort
Du lässt mich nicht los
Du stehst zu dem wie ich bin
Denn Du hast mich so gemacht" (PridePsalm, Quelle s.u.)
Mo hat ihren Glauben an Gott behalten können. Durch solche Sätze . Sie hat im Zentrum der Bibel die richtigen Worte gefunden: dass sie unbedingt dazu gehört. Dass Jesus mit ihr über ihre eigenen Narben und Schmerzstellen verbunden ist, aber vielleicht auch über die Schönheit ihres Körpers und über die Lebenslust.
Ich finds gut, sagte Gott zu allem, was er geschaffen hat.
Wir alle sollten nicht kleinlicher sein.
Ich bin glücklich über einen Gott
dessen Fülle und Weite ich nicht denken kann
und dessen Unendlichkeit mich einschließt,
auch wenn ich queer bin.
Ich bin glücklich dass ich mir das sagen kann und allen, die auch anders sind.
Ich bin glücklich, dass es Menschen gibt, die meine Existenz nicht in Frage stellen. Und die solidarisch sind, da wo andere meinen, dass jemand außerhalb des Leibes Christi stünde oder außerhalb der Gesellschaft.
Und wo eine Seele an der Liebe zu sich selbst,
zu anderen
oder an Deiner Liebe zweifelt, Gott,
da halte Du ihn/sie ganz fest. Amen.
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*Quelle zur Geschichte und den Texten von Mo:
Quelle zum PridePsalm: https://www.evangelisch.de/blogs/spiritus/243939/09-06-2025
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