Sonntag, 15. September 2024

.... Salz ist kraftvoll..

 Predigt zum CSD-Gottesdienst in Halle

Dialogpredigt mit dem katholischen 

Gemeindereferenten Thomas Dammann aus Halle



 

Matthäus 5,13-16

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten. {...}

 

I (Thomas)

Vom Salzen zum Ver-Salzen ist oft nur ein kleiner Schritt. Ok, beim Nudelwasser kannst du nicht viel falsch machen. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich stimmt, dass in Italien dafür früher Meerwasser genommen wurde. Ich kann mir das gut vorstellen. Meerwasser hat ja einen Salzgehalt

„Wenn das Salz aber an Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen?“

Gar nicht. Salz bleibt salzig. Salz, das unglaublich lange unter der Erde lagert, bleibt auch nach Millionen Jahren noch stabil Natriumchlorid. Und schmeckt auch so. An Jesus ist kein Chemiker verloren gegangen. Dann muss es etwas anderes sein mit dieser Geschichte...

Ich gehe noch mal zurück. Davor heißt es: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Das ist für mich der leichtere Zugang. Ihr seid es, die Geschmack an eine Sache bringen. Ihr seid es, die verhindern, dass die Nudeln überall in unserer Gesellschaft nach nichts schmecken. Fade. Ihr bringt Geschmack ein. Würz-Kraft. Würze.

 

II (Bettina)

Und wer kennt sie nicht, diese herzallerliebsten Menschen, die eine Speise nachwürzen, bevor sie sie überhaupt probiert haben, die herzhaft nach dem Salzstreuer greifen und erstmal nochmal tüchtig Salz obendrauf tun. Unser Bedürfnis nach Würze ist also scheinbar auch unterschiedlich. Für manche ist gerade „der Hauch von etwas“ genau richtig und für andere muss es richtig „schackalacka“ machen beim Essen. 

Und auch im Leben! 

Ich glaube, Gott mag abwechslungsreiche Küche.


Und das fasziniert mich so am Salz:

Erstens: es genügt schon ganz wenig davon. Wenige Krümel können eine Speise schon verändern und wenn man ein einziges winziges Salzkorn (das ist nur einen halben Zentimeter groß) auf die Zungenspitze nimmt, entfaltet das schon – so klein es ist – eine Wirkung. 

Salz ist kraftvoll.

Und Zweitens: Salz ist nicht nur ein Gewürz, es ist Lebensgrundlage. Unsere Körper brauchen es zum Leben, dafür, dass er überhaupt gut funktionieren kann.

Was Jesus also hier anspricht ist kein „nice to have“: ein bisschen mehr oder wenige Farbe und Würze… die lustige Deko auf dem Kuchen der Menschheit…  nur um den Weltgeschmack etwas abrunden. 

Jesus sagt zu den Leuten, 

dass sie essenziell sind für diese Welt. 

Dass sie zumindest das Potenzial haben, das zu sein. 

Er spricht davon, welche Kraft und Wirkung jede einzelne Person hat – und zwar ausgestattet mit der Idee, dass diese Welt ein herzliches Produkt Gottes ist und in allem dieses Herz voller Liebe steckt. 

Ich höre darin die Überzeugung, dass ich ein Potenzial habe, ohne Zweifel anderen Salz und Licht sein zu können und dass ich unverzichtbar bin. 

…Du auch übrigens!

Das ist schon auch ne große Nummer: Salz sein. Ich habe erlebt, dass Menschen von sich aus dachten, dass damit nicht sie gemeint sein würde, oder dass es ihnen abgesprochen wurde, Salz der Erde zu sein.

Und du, Thomas, warst du immer der Meinung, dass du, so wie du bist, Salz der Erde bist? 



III (Thomas)

Nein, Bettina. Überhaupt nicht. Zumindest nicht so, wie ich bin. Ich habe lange gebraucht, festzustellen und es dann auch zuzulassen, überhaupt queer zu sein. Ich hatte einige Freundinnen, bevor ich sagen konnte, ich liebe einen Mann. Unser kirchliches Arbeitsrecht schützt das übrigens erst seit 2023. Vorher hätte ich deswegen entlassen werden können.

Aber Salz. Das bin ich gerne. Und das war eigentlich immer schon so. Ich habe zum Glück gelernt, einen eigenen Standpunkt zu haben und auch dafür gerade zu stehen. Ich bin streitbar. Und kann einer Diskussion auch tatsächlich, wenn es sein muss,  die richtige Würze geben.

Ich bin gerne Salz der Erde. Auch heute. Auch jetzt. Ich würze in meinem Umfeld gerne. Das mögen nicht alle Mitmenschen, weil ja unser Bedürfnis nach Würze so unterschiedlich ist. Und da bin ich eher „schackalacka“ als „ein Hauch von...“.

Und so wie ich bin, Salz der Erde zu sein, das ist – finde ich – gewachsen. Da bin ich viel mutiger und entschiedener geworden. Aber das brauchte seine Zeit.

Und wie ist es bei dir, Bettina?

 


IV (Bettina)

Ich bin beidhändig geboren. Ich bin Links- und Rechtshänderin gleichzeitig. Für mich war das immer selbstverständlich. Ich habs so genommen, wie ich es gebraucht habe. Als ich zur Schule kam, habe ich einfach losgelegt und mit links geschrieben. Ging gut. Dann wurde mir gesagt, dass es Linkshänder nicht gibt. Ich müsste mich nur umgewöhnen. Ich wusste es nicht besser und dachte - ok. War aber echt blöd. Ich hatte dann in Schreiben eine 4. Aber irgendwann gewöhnte ich mich daran. Später, als keiner mehr darauf achtete, benutzte ich immer selbstbewusster links und/oder rechts für alles. Und so ist es gut für mich.

Als ich anfing, mich zu verlieben, da merkte ich ... auch da: Links und Rechtshänderin. Ich fand Jungs gut und Mädchen auch. Ich ahnte, dass das wieder nicht so geht. Als ich einmal sehr in ein Mädchen verliebt war, erklärte sie mir, dass man nicht beides sein kann. Wenn ich Jungs mögen würde, wäre doch alles klar. Ich wusste es nicht besser und dachte - ok. War aber echt blöd. Ich hatte immerzu einen inneren Kuddelmuddel und merkte, dass ich mich nicht daran gewöhnen würde. An die Einhändigkeit. Ich hatte keine Ahnung, welche Kräfte es freisetzen würde, wenn ich eines Tages laut und klar dazu stehen würde. Das war ein mittleres Erdbeben. Als würden sich verborgene Kräfte lösen, ganze Salzwerke. Ich glaube heute, dass ich nur so richtig Salz der Welt sein kann oder nur weil ich in so vielem beides bin, doppeltgeboren, weitliebend. Das genau ist mein Salz. Darin liegt mein Licht. Und so ist es gut für mich.

 


V (Thomas)

Vielleicht nicht nur für dich, sondern auch für die anderen. Ich finde, da müssen wir uns nicht verbiegen.

Manche hätten das gerne. Muss denn das sein, dass da so viel über Queer und den CSD geredet wird? Ist es denn nötig, dass sich die Kirchen da so ins Zeug legen?

Ja, offensichtlich ja. Ich spüre im Moment so viel Rückwärtsgewandtes. So viel Retro im schlechtesten Sinne. Dinge, von denen ich dachte, sie seien längst selbstverständlich. Dass CSD-Veranstaltungen mit großem Polizeiaufgebot vor denen geschützt werden müssen, die meinen, das müsste doch alles nicht sein, das sei doch alles nicht normal, dagegen müsse man doch was machen. Dass Gegenveranstaltungen massiv einschüchtern wollen, dass Queere nicht mehr auf die Straße gehen und Gesicht zeigen, weil sie nicht wissen, ob sie danach nicht zusammengeschlagen werden.

Diese Suppe von Queerfeindlichkeit, die möchte ich sehr gerne versalzen. Und dass wir uns heute Abend hier treffen und zusammen Gottesdienst feiern, das gehört auch dazu. Dass wir als Seelsorgerinnen und Seelsorger unterschiedlicher Kirchen gestern hier in Halle in der Marktkirche Menschen, ob einzeln oder als Paar, queer oder sonst was, ein Segenswort zugesprochen haben, obwohl meine katholische Kirche das in dieser Form nicht zulässt, das gehört auch dazu. Und so versalze ich tatsächlich auch dem queerfeindlichen Teil meiner Kirche die Suppe. Weil ich weiß, damit stehe ich nicht allein. Und auch, weil ich weiß, Gott hat mich dazu erschaffen, berufen und befähigt.

 


VI (Bettina)

 Ja, das hat Gott. Und darin liegt gute Kraft, sich das nicht ausreden zu lassen, schon gar nicht als würde Gott da einen Unterschied machen. 

Dass Menschen so vielfältig sind, ist kein „Nice to have“, nichts, das man abwählen könnte, es schenkt Weite und Möglichkeiten und es tut mir leid, dass Menschen sich davon offensichtlich so bedrängt fühlen, dass sie einschränken, wer richtig ist und wer nicht. 

Und manchmal bin ich müde, dieses Schöne und die Vielfalt und sogar die Würde verteidigen zu müssen.

Aber mir fällt keine Alternative ein, als das weiter zu tun.


Ich finde, die CSD-Paraden sind ein wunderbares Bild dafür, wie wir diese Vielfalt verteidigen können und lebbar und selbstverständlich werden lassen: ohne Gewalt, aber mit Lebensfreude pur, mit Farben und Schimmer, mit Musik und Tanzen, mit Lachen und Feiern und mit Küssen sogar. Und zusammen. 


Die Liebe stark und sichtbar zu machen. 

Aufdecken, wie Gott ist und wie er die Welt gemeint hat.


Darin sind wir Salz - damit die Gesellschaft, in der wir leben, voll Lebensfreude bunt sein kann.

Salz ist kraftvoll. 


Darin sind wir Licht - damit Einzelne Mut bekommen, weil wir Mut haben.

Die eine ist „ein bezaubernder Hauch von“ und der andere „schackalacka“.


So wie der Geschmack eines einzelnen Salzkorns schon etwas ausmacht - so machst Du was aus und ich und jede einzelne Person hier.  


Weil Gott es hineingibt, in unsere Herzen und Sinne, in unsere Körper und unser Lieben und Leben: 

seinen salzigen Segen, 

seinen würzigen Kraft.

seine aufrichtenden Geist. 


Das ist seine Weise diese Welt schön zu machen. Amen.



Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unser Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsere Liebe. Amen. 



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