Predigt zu dem Domfestspielen Halberstadt
Predigttext aus Markus und Hiob:
I
Es war üblich, dass Pilatus zum Pessachfest einen Gefangenen begnadigte, den das Volk bestimmen durfte. Damals war gerade ein gewisser Barabbas im Gefängnis, zusammen mit anderen, die während eines Aufruhrs einen Mord begangen hatten. Die Volksmenge zog also zu Pilatus und bat für Barabbas um die übliche Begnadigung. Pilatus erwiderte: »Soll ich euch nicht den König der Juden freigeben?« Ihm wurde nämlich immer klarer, dass die führenden Priester Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatten. Doch die führenden Priester redeten auf die Leute ein, sie sollten fordern, dass er ihnen lieber Barabbas freigebe. Da versuchte es Pilatus noch einmal und fragte sie: »Was soll ich dann mit dem anderen machen, den ihr den König der Juden nennt? Was wollt ihr?« »Kreuzigen!«, schrien sie. »Was hat er denn verbrochen?«, fragte Pilatus. Aber sie schrien noch lauter: »Kreuzigen!« Um die Menge zufriedenzustellen, ließ Pilatus ihnen Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus mit der Geißel auszupeitschen und zu kreuzigen.
II
Das Trauerkleid ist meine zweite Haut, besiegt und kraftlos liege ich im Staub.
Ganz heiß ist mein Gesicht vom vielen Weinen, die Augen sind umringt von dunklen Schatten.
Das Atmen fällt mir schwer, mein Leben endet, der Docht verglimmt, mein Grab ist schon geschaufelt. Rings um mich höre ich den Hohn der Spötter, auch nachts lässt ihr Gezänk mich nicht mehr schlafen. Du forderst Bürgschaft, Gott? Sei du mein Bürge! Wer sonst legt seine Hand für mich ins Feuer? Doch jetzt bin ich die Spottfigur der Leute, ich werde angespuckt; Gott stellt mich bloß. Vor Kummer ist mein Auge fast erblindet, ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. Ihr haltet euch für redlich, seid entsetzt; ihr meint, ihr hättet keine Schuld, erregt euch, in euren Augen bin ich ein Verbrecher. Ihr seid gerecht und lasst euch nicht beirren, seid rein und schuldlos, fühlt euch nur bestärkt.
I
Die Soldaten brachten Jesus in den Innenhof des Palastes, der dem Statthalter als Amtssitz diente, und riefen die ganze Mannschaft zusammen. Sie hängten ihm einen purpurfarbenen Mantel um, flochten eine Krone aus Dornenzweigen und setzten sie ihm auf. Dann fingen sie an, ihn zu grüßen: »Hoch lebe der König der Juden!« Sie schlugen ihn mit einem Stock auf den Kopf, spuckten ihn an, knieten vor ihm nieder und huldigten ihm wie einem König. Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Mantel wieder ab, zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an und führten ihn hinaus, um ihn ans Kreuz zu nageln.
II
Kommt doch, kommt ruhig alle wieder her; bei euch ist doch nicht einer mit Verstand! Vorbei sind meine Tage; meine Pläne, die Wünsche meines Herzens, sind zunichte. Die Freunde sagen mir, die Nacht sei Tag; das Licht sei mir ganz nah, behaupten sie, obwohl die Finsternis mich überfällt. Mir bleibt als Wohnstatt nur die Totenwelt, im Dunkel dort kann ich mich niederlegen. Das kalte Grab (…) da sollte es für mich noch Hoffnung geben? Kann jemand nur ein Fünkchen davon sehen?
(aus Markus 15 und Hiob 16/17 / Gute Nachricht)
Nein, das ist keine subtile Anspielung auf den Zustand unserer Kirche oder der Weltlage, auch wenn es tatsächlich Ähnlichkeiten gibt.
Es beschreibt einen Ort, den ich gestern besucht habe. Eine altes Klostergelände. 800 Jahre alt. Vor 30 Jahren von einigen wackeren Benediktinerbrüdern gefunden und erworben. Sehr sicher würde niemand hier unter uns auf die Idee kommen, dieses zerbröckelnde und hier und da vermodernde Grundstück auch nur ernsthaft zum Leben in Erwägung zu ziehen. Als die Brüder kamen, war die Kirche kurz vor dem Einstürzen. Viele Gebäude schwer beschädigt. Wacker und tapfer und treu und demütig haben sie Jahr um Jahr für diesen alten heiligen Ort gekämpft. Bei Salzwedel in der Altmark liegt dieser etwas verzauberte Ort - das Kloster Dambeck. Niemand hatte für möglich gehalten, dass außer Abriss dieses gewaltigen Grundstückes, in deren alten Klosterhäusern einige Jahrzehnte Milchkühe wiederkäuten, der Mist im alten Kreuzgang lag und Trecker parkten, überhaupt etwas anderes in Frage käme.
Bruder Jens und seine Mitbrüder haben gefunden, dass sie genau dort hingehören. Dass ausgerechnet dies ihr Ort werden sollte. Die Geschichten der letzten drei Jahrzehnte sind haarsträubend. Wie sie mit eigenen Händen den Dachstuhl der alten Kirche selbst und mit wenigen Mitteln wieder aufgebaut haben. Dachbalken für Dachbalken. Niemand hätte das für möglich gehalten. Viele haben ihnen Steine in den Weg gelegt. unerwartet haben andere geholfen. Sie mussten mit sehr wenigen Mitteln auskommen. Niemand gab etwas auf dieses Grundstück oder sah etwas anderes als Bauruinen.
Hiobs Geschichte in der Bibel, aus der wir vorhin gehört haben, lässt Leiden und Zerbrechen und Zerbröckeln sichtbar werden. Auch Unglück, Frustration und ungerechtes Widerfahren im Leben. Tod und Verlust. Es ist eine Klagestimme, die ungeschönt die Geschichten ohne Happy End zeigt. Solche Geschichten, wie sie auch uns im Leben passieren und schon passiert sind. „besiegt und kraftlos liege ich im Staub…“ sagt er und: “Das (ist wie ein) kalte(s) Grab (…da) sollte es für mich noch Hoffnung geben? Kann jemand nur ein Fünkchen davon sehen? Hiob erlebt seine ganz persönliche Passion.
Die Domfestspiele erzählen in diesem Jahr die Passionsgeschichte von Jesus mitten im Sommer. Mitten im Blühen, zwischen Erdbeeren und outdoor Festen. Zwischen Konfirmationsfeiern und Hochzeiten in Pavillons mit Lichterketten. Zwischen Sonnenbaden und Schwimmbad, einem Glas Lillet und dem Duft der Rosen.
Passt sie überhaupt irgendwo hin?
Nein. natürlich nicht.
Passion passt uns nicht.
Tränen und dieser stechende Schmerz im Bauch vor Traurigkeit passt mir nie.
Alleine zurück bleiben im Leben, unter Kollegen, in einer Familie, in der Meinungsvielfalt. Passt mir nicht.
Die Mühsamkeit, einander nicht mehr zu verstehen ist mir zu viel.
Das Sorgen um einen oder eine, die schwer krank sind oder denen das Leben unerträglich ist, würde ich lieber nicht tragen.
Die Verantwortung für das, was neben mir in meinem Land los ist, wer würde die schon übernehmen.
Alles nicht wünschenswert für ein entspanntes Leben, für den Weg den ich mir wünsche.
Die Bibel verschweigt sowas nicht. Sie bildet genau das ab. Und dass wir es uns nicht aussuchen können. Sie ist echtes Leben. Aber das alleine macht sie nicht aus. Die Kraft der Bibel liegt in den Geschichten, in denen das Unerwartbare passiert. Wo aus Asche etwas Neues entsteht. Wo einer stirbt und wieder aufsteht. Die Bibel beschreibt, dass uns Gott genau dieses Bild mitgeben will und es bewusst neben die Bilder von Passion legt. Mit seiner Leidenschaft für uns Menschen - ist er in Jesus gestorben und wieder neu geworden. Und das mache ich immerzu, meint er.
Wir sind die, die von Auferstehung wissen.
Wie die Jünger und Jüngerinnen sind wir „Die danach“.
In Kloster Dambeck klopfte es letztes Jahr an die Tür. Dem hochbetagten Bruder Jens stellten sich zwei junge Männer vor. Sie suchten für ihre Familien nach einem Ort, an dem sie eine neue Gemeinschaft gründen könnten. Der Bruder schickte sie weg. Er suchte ja Brüder und keine Familien. Und betete weiter um Nachfolge. „Ich warte Gott, schickst Du mir jemanden?“ Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Am nächsten Tag rief er die jungen Männer an. Sie zogen nur wenige Monate später ein. Drei junge Familie leben jetzt dort. Weitere Menschen wollen dazu kommen, wollen diese alten zerbröckelnden Mauern reparieren und wollen das zerbröckelnde Kirchenleben erfrischen. Was für ein Fest konnten Bruder Jens und alle Gäste gestern feiern! Mitten zwischen ruinösen, aber angefangenen Gebäuden und welchen mit neuem Dach, aber Löchern in der Wand. Da sind Dinge passiert seitdem, die kann man kaum glauben.
„Fürchtet Euch nicht“, sagt übrigens Jesus immer wieder in den vielen Begegnungen nach seiner Auferstehung. „Ihr wisst: Neues kann werden. Weil Gott ein leidenschaftlicher Gott ist. Nun geht. Und fürchtet Euch nicht. Seid Menschen der Auferstehung. Haltet Dinge für möglich. Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft,
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