Samstag, 21. September 2019

Predigt von Leitern und Gottestüren
für den 22. September 2019


Predigttext: 1. Mose 28, 10ff:

Jakob schaut die Himmelsleiter

10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran 
11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. 
12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 
13 Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 
14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. 
15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.
16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! 
17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. 
18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf 
19 und nannte die Stätte Bethel; vorher aber hieß die Stadt Lus. 
20 Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: Wird Gott mit mir sein und mich behüten auf dem Wege, den ich reise, und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen 
21 und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der HERR mein Gott sein.
22 Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal, soll ein Gotteshaus werden; und von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben.





Kein Zelt mehr.
Keine Familie.
Kein Mensch weit und breit.
Niemand.
Nur die Wüste.

Ein Mann der alles hat.
Der alles bekommt.
Güter. Leben. Gesundheit. Heimat. Liebe.
Er begeht einen Verrat. 
Er belügt seinen Vater und seinen Bruder.
Er lässt sich anstiften zum Unrecht.
Er betrügt seine Familie.
Er muss fliehen.
Die Mutter, die ihn mit allem versorgt hat,
die lässt ihn natürlich auch hier nicht ohne etwas ziehen.
Er hat das, was er tragen kann, bei sich.
Nur: all seine Güter und die Heimat und die Liebe, 
die muss er zurück lassen.
Mitnehmen kann er nur: sein Leben und seine Gesundheit.
Aber ohne Garantien. Ohne Sicherheiten.
Er hat im Rücken einen wütenden Bruder,
der zu allem bereit ist.
Im Gesicht hat er nur Unbekanntes.
Mitnehmen muss er auch: sein Gewissen.

Er läuft bis es nicht mehr weiter geht.
Vielleicht könnte er sich eine weiche Mulde suchen 
zum schlafen oder einen trockenen Strauch,
einen großen Stein, an den er sich legen kann.
Vielleicht könnte er auch seinen Mantel nehmen 
oder seine Tasche um seinen Kopf darauf zu betten.
Er nimmt einen Stein.
Einen harten Stein.
Vielleicht will er das so.
So hart ist sein Leben gerade.
Vielleicht fühlt sich diese Härte gerade im Moment richtig an.
Es tut jetzt weh. 
Selbst in der Ruhe.
Gemütlich ist da in meiner Phantasie nichts.
Jakob kuschelt sich nicht auf den Boden.
Er liegt schutzlos da. 
Er ist ausgesetzt dem, was um ihn herum ist und in ihm ist.
Er hat sich von allem, was ihm lieb ist, weit entfernt.
Hier ist ihm alles fremd. Er wird ein Fremder.
Er ist erschöpft und am Ende angekommen.
Es ist dunkel um ihn.
Er schläft ein.
Den Kopf auf einem Stein.
Und nun erscheint in dieser Geschichte 
das eigentlich unwahrscheinlichste Zeichen, das 
in dieser Nacht 
in einer Wüste 
bei diesem geflüchteten Mann 
am Ende seiner Kräfte 
auftauchen könnte. 
Es könnte ein Tier sein. Ein Wind. Eine Person. Eine Speise. 
Ein Weg. Ein Stern. Eine Erinnerung. 
Aber es ist:
eine Leiter.
Eine Leiter im Nichts.
Und ein Tor.
Ein Tor im Nichts.

Mitten da
ist Gott.

Es ist eine Geschichte darüber, 
wo Gott ist.

Nicht etwa wird die Geschichte 
des blinden alternden Vaters Isaak weiter erzählt.
Nicht etwa wird die Geschichte 
der verzweifelten Mutter Rebekka weiter erzählt, 
die ihren Lieblinsgsohn weg schicken muss 
und nie wieder sehen wird.
Nicht etwa wird die Geschichte des komplett betrogenen  
Bruders erzählt, des Verlierers , die Geschichte von Esau. 
Nicht wird erzählt, wie Gott bei diesen daheim zurück gebliebenen  Menschen ist. Es sind Menschen, bei denen wir Gott - sicher zu Recht und nicht sehr überrascht - vermuten. 
Hier wird ausgerechnet die Geschichte eines Betrügers erzählt.
Und wie Gott bei ihm ist,
bei ihm, Jakob, den - ausgerechnet - Gott erwählt hat.

Wieso ist Gott mit ihm?
Wieso war Gott nicht in meiner Gesundheit, sondern in meiner Krankheit? - fragt mich eine Frau diese Woche am Krankenbett.
Wo ist dieser Gott und was ist seine Logik? - fragt mich dieser Tage ein Jugendlicher, der sein Leben im Moment und schon viel länger als unerträglich empfindet.

Was ist die Gotteslogik?
Gottes Logik ist nicht so einfach.
Keine klaren Summen.
Keine logischen Ergebnisse.
Vielleicht ist es auch gar keine Art von Logik.
Sie ist anders.

Sie ist von einer ganz anderen Gerechtigkeit, 
die wir nicht fassen können.
Es scheint nicht vorhersehbar, wo Gott plötzlich da ist.

Er stellt Leitern an Mauern in Ostberlin.
Er stellt Portale der Menschenwürde 
an Bahnhöfe mit Flüchtlingszügen. 
Er stellt Zelte zum Aufatmen in eine tödliche Krankheit.
Er öffnet Tore zum Zuhören zwischen Menschen, 
die sich politisch voneinander entfernt haben.
Gottes Leitern und Tore stehen an den unwirtlichsten Orten.
Gott braucht diese Leitern und Tore nicht. Wir brauchen sie.
Und die Geschichte sagt:
Trau dich ruhig an diese unwirtlichen Orte!
Es ist möglich bis ans Ende zu gehen.
Es kann ungemütlich werden.
Du könntest eine Leiter brauchen und sie könnte erst kommen, 
wenn du sie nicht mehr erhoffst.
Aber Gott wird da sein
da inmitten.

Jakob ist in der Nacht.
In der Finsternis.
Es ist kalt. 
Er ist ohne Familie.
Ohne Menschen.
Ohne Zelt.
Aber im Haus Gottes.
An dieser leeren Stelle seines Lebens
öffnet sich ein Portal 
zu Gott. Ausgerechnet.

Auf unserer Suche nach Heimat
und einem gemeinsamen Zelt
in dieser Welt, 
in unserem Land,
in dem alle Platz hätten,
wird Gott aber nicht nur mit den Verzweifelten sein,
sondern auch mit den Verzweiflern,
ist Gott nicht nur mit den Betrogenen,
auch mit den Betrügern.
Und wir könnten es auch sein.
Das ist Gottes Logik.
Er ist nicht der plötzlich Unerwartete
sondern der immer Erwartbare.
Er ist eben nicht nur in den Selbstverständlichkeiten
und den warmen Kissen.
Er ist auch in den Steinen.

Er stellt Portale und Leitern des Himmels  in unsere Wüsten
nur um uns zu sagen:
Ich bin dein Gott.
Ich bleibe bei dir.
Schau, wohin dich das führt.

Wow.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen




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