Samstag, 14. September 2019

Ich war eine Hundertprozentige.
Das war ich.
Ich war hundert Prozent für den Sozialismus.
Also, dass alle Menschen gleich sein sollen und so.
So hatte man mir das erklärt.
Und ich gehörte zu denen, die mit Begeisterung
zur Demonstration gingen.
Mit einem Fähnchen in der Hand.
Manchmal sogar mit mehreren.
Die fröhlich im Marschschritt gingen,
begeistert winkend.
Überzeugt dass dies was Gutes ist.
Und ich wusste, dass man dazu die rechte Faust heben konnte
und laut „Rot Front“ rufen.
Ich war eine Hundertprozentige,
du kannst mich heute in der Nacht wecken
und zum Beispiel singen:
„Ich trage eine Fahne…“
und ich würde wie aus der Pistole geschossen  
antworten:
„und diese Fahne ist rot.
Es ist die Arbeiterfahne,
die Vater trug in der Not.
Die Fahne ist niemals gefallen,
sooft auch ihr Träger fiel,
sie weht heute über uns allen
und kennt schon der Sehnsucht Ziel.“
Du findest das Lied heute bei YouTube
unter „DDR-Kinderlieder“.
Ich war hundert Prozent dabei.
Ich wusste, was ein Klassenfeind ist.
Und konnte den Namen Wladimir Iljitsch Lenin aussprechen.
Das alles hatte man mir beigebracht.
Ich war eine Hundertprozentige,
und ich war fünf…
Fünf Jahre alt.
Fünf Jahre alt!
Fünf Jahre alt!!! 



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...