Samstag, 8. Juni 2019

Predigt zum Pfingstfest

Das bucklige Mädchen
In der holprigen Straße, im hölzernen Haus,
da wohnte ein Mädchen, das trat kaum heraus.
Sie lebte allein und sprach nur mit Gott,
mit ihr trieben Kinder oft Spott.
Sie war klein und zierlich und ging etwas krumm,
denn sie trug unterm Jäckchen 'nen Buckel herum.
Manchmal warfen Jungs nach ihr Steine und Dreck
und kreischten: "Ey, Hexe, geh weg!"
Vielleicht war sie siebzig, vielleicht war sie zehn,
sie war halt ein Kind, das viel Leid hat gesehen.
Sie huschte zur Kirche und wieder nach Haus,
sah bitter und müde meist aus.
Einmal als sie heim kam, da fand sie entsetzt,
im Schnee einen Raben, die Flügel verletzt.
Und neben dem Tier einen kantigen Stein.
Schnell trug sie den Raben hinein.
Sie zog ihre wollene Strickjacke aus
und machte dem Raben ein Bettchen daraus.
Sie tränkte ein Löckchen in Heilkräutersud,
wie tat das dem kranken Tier gut.
Sie pflegte den Raben, sang leis' in sein Ohr,
mal Schlaflieder, manchmal ein Weihnachtslied vor.
Und lachte, denn immer beim "Halleluja"
sang er ein zufriedenes "Kraah!"
Zwar fühlte der Rabe sich wohl in dem Haus,
doch als er gesund war, wollt' er gern hinaus.
Da tat sie ihm traurig die Tür auf und schon
flog krächzend der Rabe davon.
Sie lachte und weinte vor Kummer und Glück,
ganz fern flog das Tierchen und kam nicht zurück.
Sie schaute und schaute, bis sie nichts mehr sah.
Noch krümmer als sonst stand sie da.
Der Schnee fiel herab und der Mond zog herauf.
Das Mädchen sah immer noch blicklos hinauf.
Da flatterte schwarz überm mondbleichen Schnee
der Rabe ganz in ihrer Näh'.
Behänd' ist er auf ihren Buckel gehupft,
hat da mit dem kräftigen Schnabel gezupft.
Und so, als ob man einen Fallschirm aufknüpft,
sind ihr ein Paar Flügel entschlüpft.
Erst hat sie nur leicht ihre Flügel bewegt
und sich dann mit Schwung in die Winde gelegt.
Zog noch ein paar Kreise hoch über dem Dach,
dann südwärts, der Rabe ihr nach.
Hey, war das ein Engel, ein menschlicher Schwan?
Die in jener Nacht aus dem Fenster raus sahen,
haben unheimlich lange zum Himmel geblickt
und sich in die Arme gezwickt. (G.Schöne)



Kann man auch anhören: G.Schöne: Das bucklige Mädchen. 


War es nun ein Mädchen mit Buckel,
oder ein Engel mit versteckten Flügeln ?
Ist es ein knurriger Alter, da am Fenster,
oder nur ein Herz, das vor Einsamkeit schreit?
Ist es ein ungezogenes Gör in der Straßenbahn,
oder eine, die nie eine Umarmung kennen gelernt?
Ist das da im Dreck ein saufender Punker
oder der, der in der Straße am besten zuhören kann?
Ist es ein Toter - da am Kreuz
oder ist er ein Lebendiger?

Was die Dinge sind, 
weiß ich oft nicht.
Fast immer meine ich es zu wissen.
Gut und böse.
Richtig und falsch.
Links und rechts.
Gefährlich oder verwegen.
Heilig und unheilig.
Schnöde Welt oder fast schon Gottes Reich.
Was die Dinge sind, 
weiß ich oft nicht.

Machmal bin ich getäuscht.
Manchmal spiele ich mit.
Manchmal bin ich blind.
Und kann doch plötzlich sehend werden
  • mit SEINEM Geist…

Aber das ist kein Geist, 
der mir das Böse und das Schwarzweiße,
das Linke oder Rechte zeigen wird.
Das ist ein Geist, der zeigt es mir auf eine 
noch ungesehene Weise.
Das ist ein Geist, der pickt aus meinem Buckel
der Kränkungen und Unfähigkeiten völlig Unerwartetes.
Der fährt durch meine Gewissheiten 
und lenkt meinen Blick.
Ganz woanders hin.
Manchmal in die Augen meines Gegenüber
ich meine damit: in seine Sicht.
Der mischt die Farben anders.
Der kennt keine Grenzen.
Der lässt niemanden festnageln 
darauf wie der früher war
darauf was jemand getan hat
darauf was er bisher gedacht hat.
Der ist mehr als nur ein Tröster.
Der kennt den Himmel.
Und er ist tatsächlich auch bei mir.
Und bei dir auch.

Heiliger Geist,
du Dolmetscher
du Sprachenversteher
du Wegeeröffner
du Festgefahrenesloslöser
du Nicht-Festnagler
du auflachend Auflockerer
du tanzend leichter Nehmender
du Tränen Verstehender
du scheinbare Zufälle in unser Leben Werfender
du Unverfügbarer..
- ich wünsche mir, für dich offen zu sein
und gleichzeitig macht es mir Angst,
denn die Gedanken, die du in mich flutest,
werde ich selber denken müssen
und ausführen
und leben.
Ob ich das kann - du, ach so Lebendiger?

Damals zu Pfingsten sind Menschen losgegangen.
Menschen zu Menschen.
Bereit diesen lebhaften Geist in sich zu lassen.
Bereit, dass er in ihnen wirkt.
Bereit, ihn überall aufzuspüren.
Bereit ihre eignen Flügel zu finden und auszubreiten.
Mit der Erinnerung.
Mit der Irritation.
Mit dem Innehalten.
Bereit, Schleusenöffner und Herzrührerin zu werden,
Erinnerer, Erzählerin und Da-Seiende:

PFINGSTEN
Sie sammelten die Reste
Ihrer Freundschaft ein.
Es reichte nicht aus,
unterm Kreuz bei ihm zu sein.
Sie sassen weitab
Mit angstvollen Augen,
während Er starb.
Ernüchtert bis zum Ekel,
enttäuscht bis in die Wurzel des Herzens hinein,
Wesen zwischen Welt und Unterwelt,
Jünger, Apostel, Erwählte,
Sehende, die doch nichts sahen,
Hörende, die doch nichts hörten,
Glaubende, die doch nichts glaubten,
unerweckt, unerleuchtet,
Opfer der Angst,
Erben eines Gekreuzigten.

BIS DER GEIST KAM

Und ihre Bilder von Jesus verbrannte
Und ihre Träume von Macht
Verwehte.
Da erhob sich der schmerzscheue Petrus
Und begann lebensgefährlich zu reden
Wie Isaias und Jeremias zuvor,
und kein Kreuz konnte ihn hindern daran,
allen Menschen zu sagen:
Der Gekreuzigte lebt.
(Martin Gutl, in: Auferstehung, Bibl. Texte verfremdet 12, Calwer München, 1990)


und der sagte: 
Der Vater wird euch in meinem Namen den Helfer senden, der an meine Stelle tritt, den Heiligen Geist. Der wird euch alles Weitere lehren und euch an alles erinnern, was ich selbst schon gesagt habe.  Zum Abschied gebe ich euch den Frieden, meinen Frieden, nicht den Frieden, den die Welt gibt. Erschreckt nicht, habt keine Angst! 

Und Gott blieb danach bei den Menschen,                                      
seit 2000 Jahren                                                                      
mit seinem Geist.     

Wer mit ihm rechnet,                                                               
wer es mit ihm versucht,                                                        
wer sich traut, auch wenn alles dagegen spricht,                                
der kann LEBEN! 
Amen!

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, 
als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

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