Montag, 13. August 2018

Sprachgrenze
Wir sitzen still an ihrem Bett. Wie ein Hauch ist ihr Leben noch. Wunderschön und zart liegt sie im Bett. Das weiße Haar wie eine Krone auf dem Kopf. Sie lächelt uns mit großer Güte alle an. Alfred tätschelt ihre Hand. Er erzählt aus den Zeiten, wo das Dörfchen DDR-Sperrgebiet war. Auf seine Felder kam er nur auf Antrag und mit vielen Papieren. Manchmal ließen die Wachposten ihn nicht passieren. Besucher mussten lange zuvor einen Antrag stellen. Abendspaziergänge gingen nur in kleinen Runden. Dabei sah er abends vom Hügel am Friedhof die Lichter auf der anderen Seite. Er hörte auch die Glocken der Kirche. Von da drüben. Zehn Minuten zu Fuß. Vierzig Jahre unerreichbar. Fremd geworden. Eine Landschaft wie ein Gemälde. Nur noch zum Ansehen. Was für eine unfassbare Freude war das, als sie über das Feld gehen konnten. Wie lagen sie sich in den Armen. 89. "Aber das Größte war", sagt er: "wir hörten uns gegenseitig sprechen. Und die anderen sagten, Tränen lachend: Ja, ihr schwätzt ja bi mir!" Seine Augen schimmern. Er hält Elfriedes Hand. "Bald wirst wieder g´sund!" Elfriede lächelt zurück. Ich sage nichts. Es ist unvorstellbar für ihn, dass sie gehen könnte. Unerreichbar sein könnte. Ich sage nichts. Das ist unsere zarte Sprache hier an ihrem Bett. Elfriede und ich lächeln uns an.



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