Samstag, 21. April 2018

Predigt zum Sonntag Jubilate



"Hallo, meine Schwester Bettina.
Ich bin in einem kleinen Dorf namens paheh koreyo suma am Nordufer von Gambia…“, schreibt Modou Cham.
Nach eigenen Angaben ist er Anfang 20.
Er kümmert sich um seine kleinen Geschwister.
Zwei Schwestern und ein Bruder, alle unter 6 Jahre.
Er schreibt mir und bittet um Kontakt.
Warum? frage ich ihn.
Weil er ein Mensch ist und ich ein Mensch, schreibt er.
Ich kenne ihn gar nicht.  Soll ich antworten?
Will ich das alles von seinem schweren Leben hören?
Es ist doch ein schweres Leben in Afrika, oder?
Er wird doch sicher Geld wollen?
Oder nur eine europäische Frau kennen lernen?
Oder sind das meine blöden Vorurteile?
Aber wäre er ein Mensch aus unseren Breiten,
irgendein Henri aus Mönchengladbach
oder eine Luise aus Binz,
würde ich mir sein Anliegen auch anhören.
Aber von so einem - aus einem winzigen Dorf in Gambia?
Von dem ich nicht mal weiß, ob es das wirklich gibt?
Gambia liegt mitten im Senegal. In Westafrika.
Ein winziges - hauptsächlich muslimisches - Land. 

„Hallo Schwester. Grüße. Wie geht es dir heute und deine liebe Familie? Gott segne euch alle.“, schreibt er.
Und ich schreibe ihm,
wie wir in Deutschland leben.
Und er erzählt mir von seinem Alltag.
Er besteht hauptsächlich darin,
Essen zu finden und Brennholz.
„Hallo.  Sind Sie noch bei mir?“, schreibt er.
„Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie unsere Situation jetzt verstehen. Schau, ich liebe dich nie für das, was du hast, aber wer du bist, und Hilfe von dir zu erbitten, liegt an meinem schlechten Familienzustand hier. Ich weiß, du hast ein reiches Herz. Sieh, was du uns alles tun kannst aus deinem guten und reinen Herzen. Ich habe meine Eltern bei einem sehr schweren Autounfall verloren. Früher habe ich körperliche Arbeit gemacht, um meine Familie zu versorgen, aber wenn es keine Arbeit gibt, also kein Essen? Da werde ich mich sehr freuen, wenn du hier dein Herz für uns öffnen kannst. Wirklich, es ist schwer, unter dieser Art von Lebensstil mit Schmerz und Stress zu leben, Gott weiß, wie viel Traurigkeit wir passieren, aber ich glaube, durch die Liebe von Gott werde ich gesegnet sein. Dein Modou.“

Predigttext:
„Gott hat einst gesagt: 
»Licht strahle auf 
aus der Dunkelheit!« 
So hat er auch sein Licht 
in meinem Herzen 
aufleuchten lassen 
und mich zur Erkenntnis seiner Herrlichkeit geführt, 
der Herrlichkeit Gottes, 
wie sie aufgestrahlt ist in Jesus Christus. 
Ich trage diesen Schatz in mir 
- einem ganz gewöhnlichen, zerbrechlichen Gefäß. 
Denn es soll deutlich sichtbar sein, 
dass das Übermaß an Kraft, 
mit dem ich wirke,
 von Gott kommt 
und nicht aus mir selbst: 
Ich bin von allen Seiten bedrängt,
aber ich werde nicht erdrückt. 
Ich weiß oft nicht mehr weiter, 
aber ich verzweifle nicht. 
Ich werde verfolgt, 
aber Gott lässt mich nicht im Stich. 
Ich werde niedergeworfen, 
aber ich komme wieder auf. 
Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat, an meinem eigenen Leib. 
Aber das geschieht, 
damit auch das Leben, zu dem Jesus auferweckt worden ist, 
an mir sichtbar wird. 
Darum verliere ich nicht den Mut. 
Die Lebenskräfte, die ich von Natur aus habe, 
werden aufgerieben; 
aber das Leben, das Gott mir schenkt, erneuert sich jeden Tag. 
Die Leiden, die ich jetzt ertragen muss, 
wiegen nicht schwer und gehen vorüber. 
Sie werden mir eine Herrlichkeit bringen, 
die alle Vorstellungen übersteigt und kein Ende hat. 
Ich baue nicht auf das Sichtbare, 
sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann. 
Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. 
Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen…".  
(2.Kor 4, 6-10. 16-18 / Gute Nachricht)

Besteht da noch Hoffnung?
Für diesen Modou Cham aus Gambia?
- der irgendwie wie Paulus redet und sagt:
"Gott weiß, wie viel Traurigkeit wir passieren, aber ich glaube, durch die Liebe von Gott werde ich gesegnet sein.“
Besteht da noch Hoffnung?
Für seinen täglichen Hunger und seine Chancenlosigkeit?
Für alle anderen „Modous“, die so leben müssen wie er?

Besteht da noch Hoffnung?
Für für mich und mein Sattsein auf Kosten anderer?
Für meine Hilflosigkeit bei allem guten Willen?
Für diese Welt und alle, die glauben, sie wäre noch zu retten?
Für uns alle, 
die immer so viel auf dem Rücken mit sich herum tragen?

Natürlich werde ich kein Geld nach Gambia schicken.
Das macht man doch nicht einfach so.
Es wird Hilfsorganisationen geben, 
die sich dort kümmern kann.
Dafür zahle ich ja.
Jeden Monat.
Für mein Gewissen.
Kann ich etwas dafür,
dass Modou kein Essen hat und seine Geschwister auch nicht?
Ganz egal, ob es ihn wirklich gibt?
Ehrlich?
Es macht mich müde und traurig, dass diese Welt so ist.
Und ich kann Modou nicht helfen.
Nur anhören.
Was er mir zu sagen hat. 
Uns hier. Uns Reichen.

„Ich bin von allen Seiten bedrängt,
aber ich werde nicht erdrückt. 
Ich weiß oft nicht mehr weiter, 
aber ich verzweifle nicht. 
Ich werde verfolgt, 
aber Gott lässt mich nicht im Stich. 
Ich werde niedergeworfen, 
aber ich komme wieder auf. 
Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat, an meinem eigenen Leib. 
Aber das geschieht, 
damit auch das Leben, zu dem Jesus auferweckt worden ist, 
an mir sichtbar wird. 
Darum verliere ich nicht den Mut.“

Armut bedrängt mich.
Schuld bedrängt mich.
Gott lässt mich nicht im Stich.
Dass er mir das sagt,
macht mein Seelen-Gepäck leichter.
Und ich gebe nicht so schnell auf.
Daraus, so sagt Gott, würde seine Herrlichkeit wachsen.
Ich müsse nur auf das Unsichtbare schauen.

So wie Roland. Wir kennen uns schon 25 Jahre.
Seit vielen Monaten kämpft er gegen den Krebs.
Gerade hat er hoffnungsvoll eine Chemotherapie
hinter sich gebracht und nun schreibt er mir:

„Wir sterben! - Gestern Abend spät hat meine Frau diesen Satz in Facebook gepostet. Ohne erkennbaren Zusammenhang. Ich habe den Satz erst entdeckt, als sie schon geschlafen hat. Und als sie dann noch mal aufwachte, habe ich eine Szene gemacht: Ich will nicht, dass du das so schreibst! Und dann hat sie ihn wieder gelöscht. Und gesagt: Aber es stimmt doch: Wir sterben.
Es stimmt, aber es stimmt auch nicht. Es ist ein Satz, entstanden auf dem Hintergrund des gestrigen Tages. Am Vormittag hatten wir ein Gespräch mit meinem Onkologen. Der Chirurg aus Dresden hatte geschrieben, dass er eine Operation auf Grund der letzten Befunde nicht für möglich hält. (…)
Was meine Hoffnung auf Heilung, (…) betrifft, lag ich (…) wohl eher falsch. Aber darin, dass jedes Aufstehen am Morgen ein Stück Auferstehung ist, dass jeder Tag neues Leben und dass Christus die Hoffnung auf Leben ist, auch wenn wir sterben, das bleibt richtig. Und das möchte ich viel lieber posten: Wir leben! unser Herzen und Sinne auf Jesus Christus. Euer Roland.“ (*)

…das Herz sinkt und jemand hilft ihm wieder auf.... 
der Mut macht schlapp .... und bekommt neue Kraft.... 
irgendwo zwischen Durchhalten und Zweifel.... 
eigene tiefe Verletzlichkeit erleben, 
und selbst darin noch Stärke finden 

- wenn es SO ist, 
IST GOTT DA.

- wenn es SO ist, 
IST GOTT HIER.

Gott hat einst gesagt: »Licht strahle auf aus der Dunkelheit!« So hat er auch sein Licht in meinem Herzen aufleuchten lassen und mich zur Erkenntnis seiner Herrlichkeit geführt, der Herrlichkeit Gottes, wie sie aufgestrahlt ist in Jesus Christus. Ich trage diesen Schatz in 
MIR - einem ganz gewöhnlichen, zerbrechlichen Gefäß. 
Denn es soll deutlich sichtbar sein, dass das Übermaß an Kraft, mit dem ich wirke, von Gott kommt und nicht aus mir selbst: Ich bin von allen Seiten bedrängt, aber ich werde nicht erdrückt. Ich weiß oft nicht mehr weiter, aber ich verzweifle nicht. Ich werde verfolgt, aber Gott lässt mich nicht im Stich. Ich werde niedergeworfen, aber ich komme wieder auf. 
Darum verliere ich nicht den Mut.“

Tod bedrängt mich.
Verlust bedrängt mich.
Gott lässt mich nicht im Stich.
Dass er mir das sagt.
macht mein Seelen-Gepäck leichter.
Und ich gebe nicht so schnell auf.
Daraus, so sagt Gott, wird seine Herrlichkeit wachsen.
Ich muss nur auf das Unsichtbare schauen.

Sichtbar ist:
Da sagt Modou Cham, Gott segnet ihn,
in allen seinen alltäglichen Traurigkeiten.
Sichtbar ist:
Da sagt Roland dass er lebt,
obgleich das Sterben näher rückt.

Unsichtbar ist 
der EINE,
der vermutlich an mich glaubt,
der an Heilung glaubt und an Überleben,
an Wunder und geschwisterliche Menschen,
der wohl annimmt,
dass eines Tage welche sagen, 
lass mal liegen, die Gewehre, wir gehen Tee trinken,
der offenbar davon ausgeht,
dass da endlich viele in ihre übervollen Hände sehen 
und Schiffe schicken mit Lebens- Mitteln übers Meer
Der es für möglich hält,
dass wir 
überstehen
überwinden
überwältigen.
Und
dass aus allem
Herrlichkeit ersteht -
über alle Maßen.

„Ich baue nicht auf das Sichtbare, 
sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann. 
Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. 
Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen…".  

Und das Unsichtbare
kann dich tragen:
„Die auf den HERRN harren, 
kriegen neue Kraft, 
daß sie auffahren 
mit Flügeln 
wie Adler, 
daß sie laufen und nicht matt werden, 
daß sie wandeln und nicht müde werden.“

Also:
„Leg die Flügel an
der Himmel ist weit
Es wartet ein Haus
sein Name ist Leben
Du bist willkommen 
am hellen Tag
in dunkler Nacht
Breite die Arme aus
Vertrauen ist dein Wind
hebt dich
trägt dich 
ins Morgen“ (S. Niemeyer)

JUBILATE
Deo, omnis terra!.
Jauchzet Gott, alle Lande, Halleluja! 
Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen









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