Samstag, 28. April 2018

Predigt zu Kantate

Ich schleiche singend durch den Keller.„Nanana…live is life… nanaaaa“Durch den wirklich dunklen Keller im alten Haus.„Nanana…live is life… nanaaaa“Pssssst!!!War da ein Geräusch?Hat es nicht geknistert?Wackelt da was hinter den Kohlen?„Nanana…live is life… nanaaaa“

Der Keller war unheimlich.Er roch feucht und muffig.Die Wände waren staubig, unruhig, nur leicht getüncht.Allein die Treppe, die war glitschig und das Geländer mochte man nicht anfassen.Spinnweben hingen von der Decke.Das Licht war nur schummrig.Freiwillig bekam mich da niemand hin.Aber manchmal half es eben nichts, die Heizung musste angeheizt werden.Durch drei Kellerräume bis in den vorletzten.Die Ofentür quietschte. Halt! War da was? Stille.Das Rütteln und Klirren bis die Asche heraus war.Im letzten kleinen Kabuff liegen die Kohlen.Das Geschepper mit dem Eimer, das laute Rappeln der Kohlen dort hinein. Pssssst! War da noch ein Geräusch?Und dann die unheimlich Stille, wenn das Holzzeltgebaut war und der Kohlenanzünder geheimnisvoll dadrunter knisterte, die leckenden Flammen flackerten und Gespenster an die Wand malten.Warten. Luft anhalten. Lauschen. Kohle schütten.„Nanana…life is life… nanaaaa . ..Alle meine Entchen…“Alle Lieder, die mir einfielen, egal welche.Es hörte ja keiner.

Und dann:Was für eine Erleichterung,die Glitschitreppe wieder hoch zu gehen!Die offene Tür! Licht, Wärme, frische Luft, Menschen,Freiheit, Keine Angst mehr. Nicht mehr alleine.Hier war nichts mehr unheimlich.Manchmal sang ich weiter.Nun aber fröhlich, ausgelassen, erleichtert.

Aber das war nur ein Keller.
Wie, wenn es ein Gefängnis wäre?Ein Loch, in dem ich hätte bleiben müssen?Eine kalte Zelle im Stasiknast, ein Luftschutzbunker,ein Versteck im Krieg,die dumpfe Höhle irgendeiner schlimmen Angst…Hätte ich noch singen können?

Paulus konnte es einmal. Paulus und Silas waren damals mit Feuereifer unterwegs in Philippi. Sie gingen in eine Stadt nach der anderen. Wenn sie dort angekommen waren, dann suchten sie die Menschen dort auf, wo die sich trafen. Dort erzählten sie ihnen von Jesus. Sie fassten mit an, trugen etwas nach Hause, hoben etwas auf einen Wagen, kamen ins Gespräch. Hörten den Menschen zu. Wie Jesus es ihnen gezeigt hatte. Viele Menschen glaubten und ließen sich taufen. Das passte einigen in der Stadt nicht. Wichtige Gewinne drohten einzubrechen. Wer brauchte schon eine Wahrsagerin, wenn er nun Jesus vertraute? Sie hatten Angst um ihr Geld und riefen die Stadtrichter. Die ließen Paulus und Silas die Kleider vom Leibe reißen, schlugen sie mit langen Ruten auf die Haut.

Predigttext / Apostelgeschichte 16, 23.34:"23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen.
24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.
25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen.
26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab.
27 Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.
28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!
29 Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen.
30 Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?
31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!
32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren.
33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen
34 und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war."

Menschen singen in der Angst.Das gibt es.Jona hat gesungen im Bauch des Walfisches.Das Volk Israel, als es im Nichts herum irrte.Die jungen Protestanten und Lutheranhänger sangen in ihren frisch reformierten Kirchen, sangen gegen die Ehrfurcht vor der eigenen Courage, sangen endlich in ihrer Sprache: „Ein feste Burg…"Die Soldaten sangen, im ersten Weltkrieg, gemeinsam mit ihren Feldgeistlichen bevor sie sich in den Kugelhagel warfen.„Lilli Marleen…“ - sangen sie in den Schützengräben 30 Jahre später, weniger Kampflieder, eher Liebeslieder, Heimatlieder… vom schönsten Wiesengrunde.Menschen in den KZ´s sangen. Manchmal leise abends um das Leben noch zu spüren.Demonstranten sangen „We shall overcome…“ um sich Mut zu machen oder um nicht zu schreien.Wir Christen sangen in den Kirchen 1989 leise hoffnungsvolle und auch laute wütende Lieder: „Du lass dich nicht verhärten….“ und „Wir sind die Moorsoldaten…“, wie oft haben wir da mit bebender Stimme gesungen….Und erst Montag, da sang einer laut zusammen mit mit den Toten Hosen in seinen Kopfhörern, weil er wieder in die Schule musste, die ihm Angst machtund neulich, da sangen wir am Bett von einem, der gestorben war, um einen seidenen Faden zu haben zum Festhalten in Momenten der Leere und wenn der eigene Tod uns auf die Pelle rückt.

Und manche lächelten darüber.Und manchen war das zu mutig. Und niemand ahnte immer, was er wirklich bewegen könnte.Er war einfach da, der Gesang.Wie eine Melodie des Herzens:Existenzielle Lieder,Gesang beim Leben auf der Schippe,Stimmen, die die Furcht vertriebensie klein machtenoder schmal genug, dass wir hindurch gehen konnten.

Und darum kann es seinmitten in der Nachtund wenn es die schwärzesten Stunde wärein einem Lochin einer Kammerin einem Dunkeldass ein Liedaus deinem Herzen steigtund du singen kannstund dir ist, als ob Fesseln abfallenund Türen offen stehendie verschlossen schienen

Das sagt die Bibel.

Nimm dir das heute mitin die Tage die kommenals Wegzehrungals eingeweckten Mutvorratals verrückte Ideeals unverrückbare Wahrheit. Und üb schon mal das Singen.„We shall overcome“„Du lass dich nicht verhärten..“„Ein feste Burg“Sing!Sing dem Herrn, denn er tut Wunder! Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.

(Bild: Heiko Meyer, Dinkelsbühl / unterfranke.blogspot.de)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...