Samstag, 4. Oktober 2025

... vom gerecht sein.

PREDIGT ZU ERNTEDANK 

UND 800 JAHREN KIRCHWEIH IN COCHSTEDT BEI MAGDEBURG


In großen Kisten stehen sie auf dem Tisch: Möhren, Kohl, Salate, Brote, Äpfel… einiges davon ist schon angeschlagen oder verdorben, manches ist abgelaufen oder kurz davor. Mit Handschuhe greifen wir in die Kisten, die herein getragen werden und sortieren auseinander. Was nicht mehr gut ist, das geht in den Müll oder in die Kiste für den Bauernhof. Der Rest wird sauber einsortiert. An einem anderen Tisch packen andere Frauen Kisten. Später wird sich die große Tür öffnen und eine lange Schlange von Menschen wird sich sehr geduldig hineindrängen, sich registrieren und eine winzige Summe bezahlen, dafür, dass sie von den eigentlich entsorgten Lebensmitteln bekommen. Für manche ist das ein Aufatmen, denn der Kühlschrank ist schon leer. Einigen sieht man die Armut an. Andere würde man hier nie vermuten. Zu der Sorge um Geld, um Schulden, als Alleinerziehende, als Rentnerin, als Arbeitsunfähiger, kommt die Scham. Die Schmach. Kommen Demütigungen. „Selbst Schuld, faule Sau, Parasit, Unterschicht“, das hören sie, die Alten, die immer hart gearbeitet haben und wo es doch nicht reicht bis zu den Kindern, die ohne Pausenbrot in die Schule kommen. 


 Die Frauen, die hier arbeiten sind selten aus der Kirche, es sind Frauen, die selbst von Armut betroffen sind. Sie haben hier Hilfe bekommen und geben davon zurück, ehrenamtlich. Jede Woche. Sonst würde hier nichts laufen. All die Touren zu den Supermärkten und privaten Geschäften, die Sortierung, die Ausgabe. Kaum jemand in den Tafeln hier in Mitteldeutschland ist dafür angestellt. Das tun Menschen für andere. Oft welche, die wissen, wie das ist, dazusitzen mit einem leeren Portemonnaie, kein Geld für den Schulausflug oder neue Schuhe, für einmal Friseur oder ein Eis am Stand. Jeden Monat bin ich in diesem Jahr unterwegs und arbeite einen Tag lang mit. Bewegende Geschichten höre ich da und tief beeindruckende Menschen erlebe ich, die denen, die zur Tafel kommen, über die Woche helfen mit ihrem Engagement.


Und hier sitzen wir und danken für den Überfluss. In meinem Garten hingen die Äste der Obstbäume vor Früchten tief, unsere Schränke daheim sind voll, wir haben, wie viele, einen Zweitkühlschrank. Gut gehts uns.



Überall in unseren Kirchen sitzen wir heute in einem Raum der Fülle. Umgeben von Dingen, die uns nähren. Wir leben nicht auf einer leeren und öden Erde, sondern auf einer, die uns satt macht. Die Fülle und Menge der Dinge, die wir haben, ist immens. Auch wenn sie nicht gut verteilt sind. Seit Menschengedenken feiern Menschen diese Fülle, man kann es weit zurück verfolgen, dass es ein Innehalten von Menschen gibt, wenn ihre Mühe und der Segen des Himmels, viel Unverdientes und Unsteuerbares, ihnen Leib und Seele erhält, sie täglich erfreut, begeistert und stärkt. Auch hier in Cochstedt macht Ihr das schon lange. Stellt Euch vor, dass hier ganz gewiss auch vor 800 Jahren und vor 400 und vor 200 Jahren, vielleicht genau hier, wo gerade Eure Füße stehen, Menschen glücklich Korn und Früchte Gott zeigten und schlicht dankbar waren. Einfach dankbar und lebenserfahren, dass Lebenbleibenkönnen keine Selbstverständlichkeit ist. Durch wilde Zeiten haben die Menschen das erlebt, nicht nur die Fülle, auch viel Not. Sie waren dankbar von Herzen für Leben und Auskommen. Es ist heute eine Tradition, man könnte auch sagen ein Vermächtnis, inne zu halten, und einmal wenigstens laut und tief „Danke“ zu sagen. Danken macht das Herz gut.


Die ältesten und neuesten Texte der Bibel nehmen das Thema Dank und Ernte und das Thema Teilen und Not von vorne bis hinten auf. Das ist ein hoch präsentes Thema in unseren Texte. So wie heute im Wort vom Propheten. Ich lese es besonders gerne für alle, die hinterfragen, mit welchem Mandat Kirche sich heutzutage für andere einmischt, es kommt von höchster Stelle, kann ich nur sagen, denn so steht es Wort für Wort in der Heiligen Schrift aller, die sich christlich nennen:    


Gott spricht: „Ladet die Hungernden an euren Tisch,

nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, 

gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, 

etwas zum Anziehen und helft allen bei euch, die Hilfe brauchen!“


Worte, die sich an viele richten. An sowas wie eine Gemeinschaft, vielleicht eine Gemeinde, ein Dorf, eine Stadt, ein Land, eine Gesellschaft, Worte, die untereinander gelten. Worte, die uns Nachhilfe geben, wenn wir diskutieren, was die Standards unseres Miteinanders sind und wenn wir zusammen klagen, dass es uns besser gehen müsste. Hier sind klare Worte.


„Ladet die Hungernden an euren Tisch,

nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, 

gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, 

etwas zum Anziehen und helft allen bei euch, die Hilfe brauchen!“


Die Bibel sagt auch, was wir davon haben:


Dann strahlt euer Glück auf wie die Sonne am Morgen und eure Wunden heilen schnell; 

eure guten Taten gehen euch voran  und meine Herrlichkeit folgt euch als starker Schutz.Dann werdet ihr zu mir rufen und ich werde euch antworten; wenn ihr um Hilfe schreit, werde ich sagen: ›Hier bin ich!‹ Wenn ihr aufhört, andere zu unterdrücken, mit dem Finger spöttisch auf sie zu zeigen und schlecht über sie zu reden,wenn ihr den Hungernden zu essen gebt und euch den Notleidenden zuwendet, dann wird eure Dunkelheit hell werden, rings um euch her wird das Licht strahlen wie am Mittag.“


Das ist ein Ehrenmann, eine Ehrenfrau, sagt die Jugendsprache. Das könnte man hier sagen: ein Ehrenmann ist einer, der bei der Frage, wie das Leben besser geht, nicht aushält, dass andere an sozialer Kälte zerbrechen, einer, der es nicht dabei belassen will, dass die einen nicht mehr wissen, wohin sie ihr Geld noch verplempern sollen und andere das lebenswichtige Medikament nicht bekommen. Das ist eine Ehrenfrau, die nicht mit Häme auf die schaut, die weniger hat, sondern still zuhilft.


Und Gott sagt: meine Gerechtigkeit lebt davon, dass Du gerecht bist. Wenn Du das tust, dann wird das mein Haus zu einem besseren machen. Du wirst mich an Deiner Seite haben, denn derjenige/diejenige wird müde werden, der/die alle Lebenskraft aus sich alleine ziehen will. 


Gott verspricht seinen Menschen:

Ich, der HERR, werde euch immer und überall führen, auch im dürren Land werde ich euch satt machen und euch meine Kraft geben. Ihr werdet wie ein Garten sein, der immer genug Wasser hat, und wie eine Quelle, die niemals versiegt.Was seit langer Zeit in Trümmern liegt, werdet ihr wieder aufbauen; auf den alten Fundamenten werdet ihr alles von Neuem errichten. Man wird euch das Volk nennen, das die Lücken in den Stadtmauern schließt und die Stadt wieder bewohnbar macht.« (Jes 58)


Also: Was ist die gute Botschaft? Was ist für mich drin heute im Wort der Bibel? Alles, würde ich sagen: Licht, Heilung, Gerechtigkeit Herrlichkeit, Führung Gottes, Körperstärken, satt werden, Gott sagt „hier bin ich“. Da, wo kein Egoismus ist, sondern Du so handelst, dass es den anderen hilft. Das ist die gute Nachricht, ich werde zu Gottes guter Nachricht, wo ich dieses Mandat Gottes leben werde. Wo ich mit meinem Tun, meiner Haltung ein lebendiges Evangelium bin. Ich für andere und dadurch andere für mich. So entsteht starke Gemeinschaft. Gottes gute Botschaft könnte alle da draußen und hier drinnen treffen, weil sie sie hören oder wir etwas tun.


Gott sagt: meine Gerechtigkeit lebt davon, dass Du gerecht bist. Wenn Du das tust, dann wird das mein Haus zu einem besseren machen. Du wirst mich an Deiner Seite haben, denn derjenige/diejenige wird müde werden, der/die alle Lebenskraft aus sich alleine ziehen will. 


Danke, Gott - für alle Fülle.

Für Deine Klarheit.

Du bist da auf soviel Weisen.

Hier 800 Jahre lang und länger.

In jedem und jeder von uns ein Leben lang.

Lasst uns Gottes Gerechtigkeit teilen.

Es ist heute nötiger denn je. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. Amen.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

... vom gerecht sein.

PREDIGT ZU ERNTEDANK  UND 800 JAHREN  KIRCHWEIH IN COCHSTEDT BEI MAGDEBURG In großen Kisten stehen sie auf dem Tisch: Möhren, Kohl, Salate, ...