Predigt an Palmarum
Wir haben Grüne Zweige
an den Fuß des Lebensbaumes
hier im Kreuzgang gelegt.
Ganz nahe an die Stelle der Skulptur,
wo aus dem verdorrten Baum
ein neuer Sproß hervor kommt.
Und wir haben Hosianna! gesungen.
Stell dir vor, du würdest
für Gott
Grüne Zweige auslegen
überall dahin, wo Du ihn vermutest!
Auf die Parkbank
in einen Warteraum
an den Bahnsteig
in den OP
auf eine Schaukel
in die Kirchenbank
auf dein Sofa
Und dann würdest du jedesmal laut Hosianna! rufen
Weil Gott mitten in Dein Leben geht
Da fallen mir so manche Ort ein,
wo ich gerne einen Zweig hinlegen würde,
weil ich glaube, dass Gott dort sichtbar war.
Zum Beispiel in Rentwertshausen auf den Bürgersteig.
Ein kleines Dorf hinter dem Thüringer Wald.
Etwa 320 Menschen leben dort.
Letzten Dienstag ist es passiert.
Ich bog mit meinem Auto gerade unter der kleinen
Eisenbahnbrücke hindurch, da sah ich ihn vor mir.
Rechts am Straßenrand.
Ungefähr haargenau 3 m hinter dem Ortsschild.
Saß er? Bückte er sich? Stand er gerade auf?
Ich sah im Augenwinkel seine gebückte Haltung.
Eine Aufwärtsbewegung.
Einer rappelte sich dort wieder auf.
War etwa jemand gestürzt?
Ein schlanker junger Mann - sehe ich im Näherkommen,
neben sich ein Wanderrucksack - auf die Erde gestellt.
Als ich fast auf seiner Höhe bin,
fällt er wieder zu Boden,
auf die Knie,
die Hände liegen auf der Bordsteinkante.
Ich erschrecke, bremse ab.
Neben meinem Beifahrerfenster
erscheint das Gesicht von Herrn Hoffmann.
der schaut wenige Meter hinter dem jungen Mann
sehr ungläubig aus seinem Hoftor.
Unverhohlen, mit verständnislosem Blick und mit offenem Mund
schaut er zu diesem Mann.
Im Rückspiegel erkenne ich endlich die Lage,
Herr Hoffmann vielleicht auch und zieht ungläubig die Augenbrauen zusammen…
Gerade sehe ich noch, wie der junge Mann sich leichtfüßig erhebt
und sich nochmals gen südOsten verbeugt,
die Hände in einer weichen Bewegung anhebt und wieder auf die Knie geht.
Er betet.
Auf dem Bürgersteig in Rentwertshausen.
Mein Auto ist längst weiter gerollt,
als ich das gerade verstehe.
Hier betet einer.
Mitten am Tag.
Vor anderen.
Öffentlich.
Aber auch irgendwie so innig und schlicht.
Das Gesicht gen Mekka, das ist in etwa in die Richtung,
in die der Fachwerkturm der kleinen Dorfkirche zeigt.
Gott wird sichtbar weil einer betet.
Und im Beten IST Gott, da bin ich sicher!
Gott wird sichtbar auf dem Bürgersteig.
Irgendwo am Rande
eines kleines Dorfes
an einem Dienstag Vormittag 9 Uhr
im Gebet eines mir Fremden.
2000 Jahre vorher, ziemlich genau.
Irgendwo in Jerusalem. Fällt ein vermutlich ebenso
dunkelhaariger junger Mann auf seine Knie. Er ist etwa 30.
Er schaut in den Himmel. Er betet vor allen anderen.
Er braucht es gerade so dringend.
Seine Freunde und Freundinnen und viele andere hatten ihn
mit grünen Zweigen in der Stadt begrüßt. Ein wenig übertrieben fanden manche.
Aber er sieht noch das Grün der Zweige
und das Bunt der Tücher und Kleider auf dem Weg.
Von dieser Freude ist noch etwas in ihm.
Jetzt! Jetzt haben sie es verstanden, Vater, dachte er.
Und doch war das alles hier nur der Anfang.
Er lächelte leise. Es waren wunderbare letzte Stunden, dachte er.
Gemeinsam am Tisch. Seinen engsten Vertrauten hat er
als Freund die Füße gewaschen und ihnen nochmal alles gesagt, alles.
Alles, was sagbar ist von Gott.
Zum Abschluss nun, jetzt gerade, betet er noch einmal für sie… und… ja,
auch für sich selbst, bevor sie gleich in den Garten Gethsemane gehen würden.
Er braucht dieses Gebet. Denn auch ein Jesus kann mal ans Ende kommen.
So wie du und ich. Jesus betet:
„Vater. Jetzt ist es soweit. Jetzt gehe ich zu dir.
Ich habe hier auf der Erde alles zu Ende gemacht.
Hier auf der Erde habe ich alles getan, was du mir gesagt hast.
Vater. Ich habe Dein Werk sichtbar gemacht.
Ich habe Dich sichtbar gemacht und Du mich,
denn wir gehören zusammen.
Vater, du hast die Menschen lieb.
Darum hast du mich zu den Menschen geschickt:
Damit ich ihnen alles von dir erzähle. Jetzt bin ich fertig.
Viele Menschen haben mir zugehört.
Diese haben ihre Herzen für dein Wort auf gemacht
und sie haben gemerkt, dass ich wirklich von dir komme.
Dass du mich geschickt hast.
Vater. Jetzt bald gehe ich zu dir zurück.
Dann bin ich nicht mehr auf der Erde. Weil ich bei dir bin.
Aber die Menschen sind noch auf der Erde. Die Menschen sind noch in der Welt.
Doch du bist bei ihnen.
Beschütze die Menschen, meine Freundinnen und Freunde und alle,
denen ich begegnet bin und noch begegnen werde. Amen, mein Vater.“
Jesus betet bevor er endgültig die Kontrolle über sein Leben abgibt,
bevor er endgültig alles in Gottes Hand legt - bedingungslos -
und bevor er das Leben loslässt.
Er betet wie einer, der für sich betet,
nicht logisch nach sortierten Strichpunkte, sondern kreisend in Gedanken.
Gott hier bin ich. Er spürt die Gefühle, die in ihm aufkommen,
weil es bald zum Ende kommen wird.
Wie ist es da am Ende seines Lebens? Mit etwas über 30!
Was hat er getan mit seinem Leben? Wozu und für wen war er da?
Jesus wendet seine Augen zum Himmel, also zu Gott,
in einem Moment, der mir zweifellos Panik und Herzklopfen machen würde.
Denn der Tod droht. Nicht mehr viel Lebenszeit bleibt. Und er schaut zurück.
Gott sichtbar machen, Gott groß sein lassen, Gott aufleuchten lassen
- das hat er, Jesus getan.
Die alten Übersetzungen verwenden dafür das Wort verherrlichen.
Das war Jesu Aufgabe, dass die Menschen Gott erkennen
- manchmal in dem, was er, Jesus erklärte, manchmal in dem,
was er tat und manchmal einfach unerklärlich - aber spürbar in dem
was zwischen ihm und den anderen geschah.
Jesus hat Gott sichtbar werden lassen in einer Krankheit,
in einer Heilung, in Fürsorge, in der Zuwendung, in seinem Ich zu einem Du,
in Brot und Wein, im Scheitern, im Handauflegen, beten, Tische umreißen, mitgehen, ansprechen.…
In dem was er tat ereignete sich Gott!
Als würde der Alltag aufreißen und göttlicher Glanz hindurch scheinen.
Wie in der bekannten Geschichte der Gebrüder Grimm,
als durch durch einen Riss im wilden braunen Pelz des Bären,
der an einem Türhaken hängen blieb,
plötzlich goldener Prinzenschimmer hervor schien.
Aus dem dicken Pelz. Echter Schimmer.
Gott ereignet sich immernoch. Jeden Tag.
Auch in Deiner Nähe. … aber es zu bemerken……
Manche können das.
Marlene zum Beispiel.
Da war sie noch klein.
Zuerst hatte sie über den großen Dom gestaunt.
Wie hoch der war. Wie der Himmel!
Wie wundervoll!
Dann hüpfte sie mit Mutter und Bruder zum Spielplatz
gleich daneben.
Sie staunten.
Eine riesige Arche Noah
zum hinein klettern.
Auch die Mutter kletterte ein wenig.
Plötzlich stand sie inmitten
von schimmerndem Glitzerpulver
tief im Bauch der Arche.
Vielleicht hatte es ein Kind verstreut?
Sie rief die beiden zu sich.
Guckt mal!
Sie staunten zusammen.
Was sollte sie den Kindern sagen?
Gerade schwankte sie noch
zwischen Einhörnern und Zahnfee,
da sagte Marlene unbekümmert:
Na das ist doch ganz klar!
Gott hat das verteilt. Ist ja wohl logisch!
Damit man weiß, dass er hier war.
Hier unten, wo es dunkel ist.
Und hopste davon.
Die Mutter blickte sich um.
Sollte Gott wirklich?
Später erzählte sie mir davon.
Immer noch sehr berührt.
Ob Gott im Glitzer war, ist nicht sicher.
Aber ganz sicher war er in Marlenes Herzen,
in ihrem Vertrautsein mit Gott und in ihrer Gewissheit,
dass so ein Schimmer im Dunkel selbstverständlich
etwas mit Gott zu tun haben müsste.
Jesus hat Gott sichtbar werden lassen.
Und er hat gesagt: „Und jetzt bis Du dran“.
Im braunen Pelz deiner Tage
könnte sich Gottes Herrlichkeit auftun
die unter Deiner Haut sitzt,
In einer ungebrochenen Hoffnung, in einem Aufatmen,
in den Tränen, in einer plötzlichen Klarheit
nach einer Zeit, wo du Gott schwer vermisst hast
oder wenn du dich zu etwas überwinden kannst.
sei dir sicher:
Auch DU könntest Gott sichtbar machen. Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft,
der halte unsern Verstand wach und unsere Hoffnung groß und stärke unsre Liebe.
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