Samstag, 20. November 2021

Löffelfrage.....

    Predigt am Ewigkeitssonntag 

„Ach, hätte ich doch nur ein Baumhaus gebaut – ich wüsste genau, wie es ausgesehen hätte. … Warum bin ich nie auf einen Berg gestiegen und hab dann einfach meinen Mund gehalten? Oder … eine Nacht ohne Zelt am Strand, knallrote Stöckelschuhe, ein eigenes kleines Café irgendwo mit Ausblick, New York City Marathon in unter 4 Stunden… (einen roten Porsche… die Reise nach Afrika…) Hätte ich doch nur!“ Manchmal hört man solche Sätze, voller Bedauern. Doch wie wäre es, wenn wir genau jetzt an das süße Leben glauben, statt auf die Bitterkeit zu warten? Kurz vor Ewigkeitssonntag haben Kolleginnen und Kollegen in Hamburg Menschen auf der Straße gefragt: Was willst Du unbedingt noch machen, bevor Du stirbst? Was willst Du bewegen in Deinem Leben? Was soll nicht spurlos an Dir vorbeigehen? (Text z.t. Popup Kirche) 
Viele der befragten Menschen waren irritiert. Viele waren befremdet. „Moment, ans Sterben denke ich doch noch gar nicht.“ und „Ich will doch noch gar nicht sterben…“ Manche haben sich sehr gestört gefühlt. Einige fanden die Frage geschmacklos. Und der ein oder andere wurde sehr traurig, weil er oder sie gerade jemanden verloren hatte.
Ein Kind sagte: „Einmal fliegen können.“
Andere sagten „Ein Leben in Sorglosigkeit und Freiheit. Irgendwo im Süden. In einem kleinen Loft mit Blick über die Stadt.“ Ich vermute, dass die befragten Menschen anders weiter in ihren Tag gingen als bis zu dieser Frage. Ob sie sich sonst je diese Frage gestellt hätten?
„Tja“, sagte ein Mann auf der Krebsstation vor vier Tagen zu mir, „man sollte nichts aufschieben. Man muss gleich leben!“ Der Krebs hat ihn direkt getroffen, als er in den Ruhestand ging. Er hatte sich darauf gefreut. Seit Jahren. Er hatte schon so viele Idee. Wie unfair kann das bitteschön denn sein, dass man sich abrackert und dann kann man den Schluss gar nicht genießen? „Ich hätte es anders machen sollen.“, bekennt der Mann. Er hätte offensichtlich viele Antworten auf die Frage gehabt, was er noch so vorhätte im Leben. 
Wenn Dich jemand fragen würde: Was würdest du sofort in deinem Leben ändern, wenn Du könntest? 
Was würdest Du auf jeden Fall gerne noch in Deinem Leben erleben? Fällt DIR etwas ein? (….Stille)
Was willst du leben und erleben, bevor du stirbst. - Das ist eigentlich eine freche Frage. Eine unerhörte Frage. Mich erinnert jemand daran, dass ich sterben muss. Und ich jetzt, hier gerade, mache es auch mit Dir. Spreche diese Frage vor Dir aus. 
Tatsächlich ist das typisch biblisch. Die Bibel ist an vielen Stellen bei diesem Thema weder heimelig kuschlig noch seicht plätschernd. Sie ist klar, fast hart. Aus ihr spricht die Härte, die Bitternis von Menschen, die Geschichten erlebt haben, die sie zum Nachdenken gebracht haben. „Lehre uns bedenken, dass wir sterben auf dass wir klug werden.“ schreibt jemand in einem Lied, das wir als Psalm 90 kennen. Das ist eigentlich nicht als Gemeinheit gemeint. Es ist so eine Art heilige Unterbrechung. Oder sogar eine heilsame Unterbrechung. So wie dieser Sonntag mit seinem Thema - dem Gedenken der Toten. 
Eine heilsame Unterbrechung ist er, weil er nicht nur daran erinnert, dass es Sterben und Tod gib, auch für Dich. Sondern auch noch eine ganzen Horizont dazu eröffnet, für Dich. Als andere Seite des Todes: Die Seite der Ewigkeit. Mit großen Bilder hat der Prophet Jesaja sie sich vorgestellt: Das Unerledigte sei dann erledigt. Das Unausgesprochene ist dann ausgesprochen. Das Unpassende passt zusammen und der Unfriede ist gelöst. Eine riesige starke Hoffnung. Wir teilen diese Hoffnung mit den Menschen vor 2000 Jahren. Und im Moment könnten wir sehr viele Bilder dazu stellen - was wir uns alles jetzt gerade in diesen Tagen in einer neuen Erde unter einem neuen Himmel anderes wünschen würden. 
Dass es diesen Himmel in unserem Denken und in unserer Seele gibt - macht, dass unsere Gedanken Weite bekommen. Sie wagen Dinge zu hoffen, die ganz unreal erscheinen, aber in Gott möglich sind. Dieser Himmel nimmt unserem Tun und Leben die Atemlosigkeit und Enge, bindet uns mit zarten Seidenschnüren in diesen HimmelsRaum Gottes und macht uns frei. Frei auch so eine Frage zu hören: Was willst du tun, bevor du stirbst? Denn nichts kann uns trennen von Gott. Auch das sagt die Bibel. Weil es Menschen erfahren und geglaubt haben. Es gilt Dir, weil Du es in Deinem Leben erfahren kannst: Nichts kann Dich trennen von Gott. Nicht Deine Ängste. Nicht Deine Unperfektheit. Nicht Dein Zweifel. 
Lass Dich heilsam unterbrechen. Öffne kurz die Tür bei Dir innen - damit Gott einen Funken Ewigkeit in Dein Herz schicken kann - zu Deinen Seufzern und in Dein Verzagen und zartes Hoffen. Und ob Du dann Dein Leben änderst oder nicht… Gottes Siegel ist auf Deinem Herzen. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.



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