Für die Abendandacht im Klinikum habe ich einen Text von Susanne Niemeyer ausgesucht. Darin geht es darum, dass wir manchmal einen „Plan B“ im Leben brauchen. Schon oft gebraucht haben. Ihn wundervoller Weise immer gefunden haben. In großen und kleinen Katastrophen. Das passt in die Klinik. Wo Menschen ihr „Plan A“ oft abhanden kommt. 

Die Kapelle ist leer. Es ist um sieben. Draußen ist es dunkel. Einer kommt doch noch. Ein muskulöser Anfangsfünfziger. Einer, er sonst zupackt. Er setzt sich nur still hin. Man sieht es. Das braucht er jetzt. Nach einer Weile setze ich mich dazu. Er hätte sich nur hierher verirrt, sagt er. Und noch nie war mir so klar, wie in diesem Moment, was in diesem „Verirren“ manchmal alles steckt. Kein Zufall. Er wäre aber nicht kirchlich. Gar nicht. Aber heute hätte er um ein Gespräch bitten müssen. Nicht Seelsorge natürlich. Und so ein Psycho schon gar nicht. Und jetzt wollte er herkommen und „dem da vorne“ (er zeigt zum Altar) danke sagen. Dass sich heute eine Ärztin fünfzehn Minuten Zeit für ihn genommen hätte. Nur zum reden. Er wäre sonst geplatzt. Vor Angst. Vor Sorgen. Vor Enge. Das Herz…. Das Leben auf den Kopf gestellt. Das 24-Stunden-Gerät an seinem Arm pumpt sich auf. Wie solle man das alles aushalten. Hier könne er es jetzt gerade aushalten. Aber christlich sei er nicht. Wir sitzen. Reden. Schweigen. Er könne nicht mehr arbeiten. Still gelegt. Rentner. In seinem Alter. Selber schuld, sagt er und klopft sich an die Brust. Man müsse besser haushalten mit seinen Kräften. Aber zu tun gäbe es ja genug. Haus und Hof. Aber mehr wolle er nicht sagen. Er sei so ein typischer Mann, sagt er. Nicht drüber reden. Naja. Vielleicht ja doch. Aber nicht jetzt. Er könne „dem da vorne“ ja auch was dalassen, das machen manche, sage ich. Er lächelt unsicher. Wir schweigen. Meine Andachtstexte lasse ich heute liegen. „Der da vorne“ hat alles mit angehört. Der Mann drückt mir schweigend die Hand. In meine Hand legt Gott etwas Segen für ihn. Den nimmt er mit. Gott hatte mal wieder einen „Plan B“.