Predigt zu Jakob und der Himmelsleiter im Dom zu Halberstadt
Wir sind in der Fremde.
Wie Jakob.
500 km Flucht. Zu Fuß.
Weg vom dem, wie es immer war.
Aus Geborgenheit, der Kindheit,
der Liebe, der Sorglosigkeit.
Weg aus allem, was er kennt.
Auf einen Weg, den er nicht kennt
zu einem Ziel, das er auch nicht kennt.
500 km zu Fuß.
Und selber Schuld.
Selber Schuld. Kein Lebensplatz mehr dort.
Ein Schnitt mit Kindheit und Vergangenheit,
als er seinen Bruder und seinen Vater betrog.
500 km zu Fuß.
Schleppend durch die Nacht laufen.
Nichts sehen. Anstoßen und stolpern.
Am Ende sein. Wo es nicht mehr weiter geht.
Im Dunkeln sucht er sich einen Stein.
Hart liegt sein Kopf, steinschwer seine Gedanken.
Mitten in seiner Nacht plötzlich Lichtgedanken.
Etwas, das ihn anhebt, die Dunkelheit beendet.
Wir sind in der Fremde.
Wie Jakob.
Zerstritten haben wir uns mit so manchen.
Und selbst betrogen auch so manches mal.
Manche alte Idee und das ein oder andere Ideal,
und eigentlich alle Neujahrsvorsätze verraten.
Gemeinsam die guten Formen des Miteinander verlassen
an so manchen Orten.
Gottes Wort verloren. In so vielen Häuser und Herzen.
Wir sind wie auf einem Weg in die Fremde.
Und wie welche, die herkommen aus einem Land
in dem immer schon alles besser war.
Und ja, manches war besser.
„Gemeinschaft für alle sein“ war nicht woke oder eine Mode,
„Barmherzig sein“ noch kein peinlicher Gutmenschenvirus.
Aber manches früher Bessere lag in einem Früher, das es gar nicht gab,
das wir verklären oder nur wünschten.
Wir sind Fremde, gerade … im eigenen Land
manchmal in der eigenen Haut,
einige im eigene Haus,
viele sind fremd in einer Entwicklung, die zu komplex ist.
An so manchem davon sind wir selbst schuld.
Jakob ist auf dem Weg vom zu Hause in die Fremde.
Ein Betrug lag hinter ihm.
Selbst schuld ist er an seinem Aufbruch und dem Verlust.
Schwer sind ihm die Schritte gefallen,
dass er auszog und nicht, dass er ging, sagt die Bibel.
Schwere gezogene Schritte.
Es ist Dunkelheit.
Unbekanntes Land.
Ein Stein nur ist unter seinem Kopf
Engel das Abschieds
wandeln hinauf und
Engel des Anfangs hinunter zu Jakob.
Abschied nehmen gehört zum Vorangehen.
Wo etwas endet, gibt es einen Anfang. Auch für uns.
Abschiedsengel und in-der-Fremde-sein-Engel,
Engel für den Anfang und welche für kleine Hoffnungen,
sagt die Bibel, sind dann zwischen dem Himmel und Dir auf der Erde unterwegs.
Gott hat für jede LebenswirklichZeit genau die passende Begleitung und Behütung.
Jakob in der Fremde träumt.
Eine Leiter zu Gott die nur in einem Traum Realität haben kann, weil in der Realität Gott unerreichbar erscheint. Oder ein Gott, der einem im Traum eine Leiter baut, um zu zeigen, dass er erreichbar ist.
Er lässt Jakob sehen, dass er neben ihm stände.
Das Land und das Fremde, es wird Dir einst gehören, sagt Gottes Stimme. Das Fremde wird nicht mehr fremd sein.
Du wirst nicht mehr einsam sein und verloren.
Du wirst von dem Ort, wo das geschieht, gering denken. Er sieht nicht eilig aus, nicht würdig. Du wirst es erst nicht gewusst haben, dass dort Gott wohnte.
Jakob nannte den Ort Bethel - Gott ist hier zu Hause.
Wo ist Dein, mein Bethel, wir, die auch auf Härte liegen in manchem fremd sind, in Ungeplantem und in Ungewissem? Genau dort, sagt die Geschichte, wäre bereits der Ort der Begegnung und wenn er auch nicht zum Anfassen wäre. Kann ich das glauben?
Jakob ist ein Gottbegegner für mich und Dich, damit wir Gewissheit haben. 500 km Flucht zu Fuß und er versteht, dass sein Gott genau da bei ihm ist und sagt: ich werde Mitsein. Lass uns gemeinsam in dieser Fremde gehen.
Gottesbegegnungen gibt es. Menschen erleben sie. Manchmal sichtbar, oft jedoch nur quantengroß, wie wenn ein Tröpfchen in Dein Herz fällt und sich minimal etwas ändert an Deinem Gemüt, Deiner Ausrichtung, Deiner Schwere. Winzig kleine Momente, wo der Abstand zwischen Himmel und Erde für einen Wimpernschlag aufgehoben ist. Heilige Momente. Heilige Orte.
Die heilig sind, weil etwas Heiliges passiert ist mit Dir.
Wie nachher vielleicht, wenn die Stimmen vom Chor zusammen schwingen oder wenn Herr Heinrich die Finger auf die Tasten der Orgel legt. Wenn Du den sanften Atem eines winzigen neuen Menschleins siehst. Wenn Du den allerletzten Hauch eines lebensalt gewordenen Menschen siehst, der SterbensFrieden bringt. Wenn eine/einer nicht alleine bleibt in einer Katastrophe, sondern jemand einfach dableibt. Wenn Du und ich entscheiden mit einem einzigenMenschen barmherziger zu sein als wir es bisher waren. Wenn jemand von uns in den nächsten Tagen einen steinschweren Augenblick hat und Bruchteile von Sekunden weiß, es ist wie bei Jakob: Engel des Aufbruchs und der Anfangs sind ganz nahe! Es wird weiter gehen. Nicht alleine. Nicht alleine! Gott, der Mitsein will, wird da ein. Ist da. Eine Leiter zum Himmel steht nahe meinem Kopf. Trotz allem Dunkel, trotz eigener Schuld, Krankheit, Ärger, Streit, Katastrophen, für die niemand kann, trotz Fremde, stehe ich mit meinen Beinen auf festem Boden und mein Glaube steht auf festem Boden und der Himmel ist so real, dass Gott dort seine Leiter anlehnen kann. Unbekanntes und Fremdes kann heilig werden und vertraut.
Was Jakob tat, als ihm dies alles klar wurde?
Er nannte den Ort Bethel - Gott ist hier zu Hause.
Hier bin ich. Mit Gott verbunden, trotz Fremde.
Das nimm für Dich jetzt gerade mit:
immer wieder zu sagen „Gott ist hier zu Hause“.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.
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