Sonntag, 7. September 2025

... vom Verkrümmtsein...

 Predigt in Höhnstedt am 07.09.2025

























Manchen Menschen ist das ja unheimlich, was die Christen da am Sonntag machen. Was tun sie da in ihren Kirchen eigentlich? Am Sonntag haben vermutlich alle so ihre Gewohnheiten. Manche frühstücken lange, manche machen einen Ausflug, manche schlafen aus, manche gehen in die Kirche, manche treffen ihre Familie. Kaum, jemand putzt sonntags Fenster oder kehrt die Straße. Das macht man sonntags nicht. Da haben wir klar Regeln.

Für die Menschen um Jesus ist auch klar, was man am Sabbat machte und was nicht. Verboten war alles, was Arbeit bedeutete. Es sollte ein Tag sein, der Gott gehört. Dem Gebet. Den Sabbatritualen. Ein Glaubenstag. 

Als solcher ist er ja bei uns auch ein Feiertag geworden. Als Glaubenstag. Weils in der Bibel steht und schon immer so war. 


In der Geschichte, die wir gehört haben, macht Jesus jemanden gesund und heil: „Als Jesus einmal am Sabbat in einer der Synagogen lehrte, war dort eine Frau. Seit achtzehn Jahren wurde sie von einem Geist geplagt, der sie krank machte. Sie war verkrümmt  und konnte sich nicht mehr gerade aufrichten. Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sagte zu ihr: »Frau, du bist von deiner Krankheit befreit!« Und er legte ihr die Hände auf.“ (Lk 13,10ff) 


Aber doch nicht am Sabbat! - sagen die Leute. Und wir staunen. Eine Frau war nach 18 Jahren gesund geworden und geht erleichtert und befreit aus der Synagoge und es passt den Menschen nicht, die das erlebt haben?


Findet Glaube nur am Sonntag statt und darf Glaube aber dann sonntags auf keine Fall etwas bewirken? Was darf denn der Glaube? Darf er nur still sein oder darf er was machen? Erwarten wir, dass er ohne zu stören auf stillen Buchseiten steht, oder das er uns bewegt, verändert, sogar heil und gesund macht? Soll der Glaube nicht auffallen und sich zurück halten. Oder erwarten wir doch, dass er unerhört etwas über unser Leben zu sagen hat, uns aufrechter sein lässt, froher, befreiter oder uns sogar politisch Beine machen könnte? ...Pssst. Nicht doch!!


Ich sehe in unseren Tagen so manche Gekrümmten, die aufatmen würden, würde jemand sie genau so sehen. Vor allem sie als Menschen sehen hinter allen ihren Krümmungen. Würde, genau wie Jesus, jemand nicht sagen: Du Gekrümmter! Du komischer! Du Schwacher, Kranke, Alte. Sondern Du wunderbares Kind unserer aller Vorfahren. Du gut gemachtes Menschenkind. Ich sehe Dich. Du hast einen gleich großen Platz im Leben verdient wie alle anderen auch. Du hast verdient, gesehen zu werden und aufrecht sein zu dürfen.

  

Ich stelle mir vor, wie die gekrümmte Lebensfreude so mancher Menschen aus meiner Nachbarschaft, wie die völlig verbogene Frau Gerechtigkeit, wie die schon ganz schiefe Frau Frieden, wie die hinken Zuversicht in so einen Raum kämen. Natürlich in der Erwartung: hier den Rücken gestärkt zu bekommen. Los zu sein, was beugt.

 

Vielleicht kennst Du das, dass Dich etwas bindet und beugt. Und Du hoffst auf Atmenkönnen und Dich aufrichten. Wie wird man denn heil nach Verletzung und wie wird man wieder sicher in lauter Unklarheit, wie wird die Welt wieder heil? Und ich und du?


Wie kann jemand, gefangen vom Geist der Kraftlosigkeit einen Neuanfang sehen, wie jemand mit dem Geist der Unzufriedenheit wieder das Leben schätzen, wie eine, die welk ist vom Geist der Einsamkeit wieder aufeinander zugehen und wie kann sie wieder Leben spüren, wie der, der den Geist der Ohnmacht in sich spürt wieder Ermutigung und das Geländer einer Gemeinschaft?


Jesus hat vor 2000 Jahren eine verkrümmte Frau geheilt. Eine, die nur noch den Boden sah. Unten. Kaum noch Gesichter. Was anderen einfach gelingt, gerade zu sein, gelang ihr nicht. Sie konnte nicht sehen, was kommt

und auch nicht den Horizont und das dahinter, den Himmel und Gott, der alles umfängt. Selbst Jesus, den konnte sie erst sehen, als ihr Blick wieder gerade war. 

Was ist geschehen? Jesus macht sie los von allem, sagt die Bibel. Nimmt von ihr, was sie niederdrückt. Bis sie den Rücken durchstrecken, aufrecht da sein kann. Innen und außen und „Juchuh" sagen;: „Juchuh! Ich kann dastehen, aufrecht, nach vorne schauen, Himmel und Hoffnung sehen. Juchuh!“ Und dann mit kleinen Hüpfern zwischen den Schritten heim gehen.

Jesus hat vor 2000 Jahren eine verkrümmte Frau geheilt.

Was heißt das für mich? Für mein Leben? Heißt das überhaupt was für mich? Für unsere Kirche, für die Welt?


Wer einen Garten hat, kennt das Problem mit hängenden Ranken und Zweigen. Die so durchhängen. Es gilt, ihnen Stabilität zu geben, in dem man sie hochbindet oder festmacht - sie brauchen einen Halt. Dann prägen sie oft starke Zweige aus, werden fest und sicher und blühen.


Für mich ist mein Glaube dieser Stützstab, dieses Rankelgitter, dieser Stock, an dem ich mich festmachen lasse. Für mich ist der Glaube an einen Gott, der mir etwas abnimmt und mich losmacht und aufrichtet der Grund, dass ich da stehen kann und wachsen. Für mich ist diese 2000 Jahre alte Geschichte die, die ich sonntags hören will und weiß, dieses Bild gibt mir Kraft.

Ich schaffe vieles, aber besonders, weil ich guten Halt habe. Die Bibel schenkt uns dieses Bild vom Aufrichten. Vom Rückrat. Vom Aufrecht sein. Vom wieder aufsehen können und den Himmel sehen können - weil jemand Jesus begegnet. 


Was machen die Leute also sonntags in dieser Kirche? Nein, nicht nur zuhören und husten vom Staub der alten eingeschlafenen Worte. Sondern immer wieder mal sich anrühren lassen. An sich geschehen lassen, was sie selbst nicht machen können: Halt finden. Stabilität. Sicherheit bei Gott, Antwort auf die Fragen des Lebens, Dankenkönnen. Mit anderen singen: „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, / mein Trauergewand hast du gelöst und mich umgürtet mit Freude, damit man dir singt und nicht verstummt. Mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.“


Und das macht was. Mitten am Sonntag. 

Aufrichtung. Den Geist der Kraftlosigkeit und der Unzufriedenheit für einen Moment Gott geben. Die Unzufriedenheit über Kirche, Staat und Welt, den eigenen Status und das Dastehen nicht der Resignation übergeben. Die Einsamkeit und Ohnmacht schweigen lassen weil andere da sind. Eine Orientierung haben, auf die ich mich berufen kann. Glaube bleibt nicht ein stummer Buchstabe, sondern er bewegt und macht heil, er verbindet, er richtet auf in dem wie es gerade ist.


Damit Du den Rücken durchstrecken und aufrecht da sein kannst. Innen und außen und „Juchuh" sagen;: „Juchuh! Ich kann dastehen, aufrecht, nach vorne schauen, Himmel und Hoffnung sehen. Juchuh!“ Und dann wenigstens etwas leichter und mit kleinen Hüpfern zwischen den Schritten heim gehen kannst. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. Amen. 



... vom Verkrümmtsein...

  Predigt in Höhnstedt am 07.09.2025 Manchen Menschen ist das ja unheimlich, was die Christen da am Sonntag machen. Was tun sie da in ihren...