Sonntag, 21. September 2025

... vom Gehen in der Fremde...

Predigt zu Jakob und der Himmelsleiter im Dom zu Halberstadt 


Wir sind in der Fremde. 

Wie Jakob.

500 km Flucht. Zu Fuß.

Weg vom dem, wie es immer war.

Aus Geborgenheit, der Kindheit,

der Liebe, der Sorglosigkeit.

Weg aus allem, was er kennt.

Auf einen Weg, den er nicht kennt

zu einem Ziel, das er auch nicht kennt.

500 km zu Fuß.

Und selber Schuld.

Selber Schuld. Kein Lebensplatz mehr dort.

Ein Schnitt mit Kindheit und Vergangenheit,

als er seinen Bruder und seinen Vater betrog.

500 km zu Fuß.  

Schleppend durch die Nacht laufen. 

Nichts sehen. Anstoßen und stolpern.

Am Ende sein. Wo es nicht mehr weiter geht.

Im Dunkeln sucht er sich einen Stein.

Hart liegt sein Kopf, steinschwer seine Gedanken.

Mitten in seiner Nacht plötzlich Lichtgedanken.

Etwas, das ihn anhebt, die Dunkelheit beendet.


Wir sind in der Fremde. 

Wie Jakob.

Zerstritten haben wir uns mit so manchen.

Und selbst betrogen auch so manches mal. 

Manche alte Idee und das ein oder andere Ideal, 

und eigentlich alle Neujahrsvorsätze verraten.

Gemeinsam die guten Formen des Miteinander verlassen

an so manchen Orten. 

Gottes Wort verloren. In so vielen Häuser und Herzen.

Wir sind wie auf einem Weg in die Fremde.

Und wie welche, die herkommen aus einem Land

in dem immer schon alles besser war.

Und ja, manches war besser.

„Gemeinschaft für alle sein“ war nicht woke oder eine Mode, 

„Barmherzig sein“ noch kein peinlicher Gutmenschenvirus.

Aber manches früher Bessere lag in einem Früher, das es gar nicht gab, 

das wir verklären oder nur wünschten.

Wir sind Fremde, gerade … im eigenen Land

manchmal in der eigenen Haut,

einige im eigene Haus,

viele sind fremd in einer Entwicklung, die zu komplex ist.

An so manchem davon sind wir selbst schuld.


Jakob ist auf dem Weg vom zu Hause in die Fremde.

Ein Betrug lag hinter ihm. 

Selbst schuld ist er an seinem Aufbruch und dem Verlust.

Schwer sind ihm die Schritte gefallen, 

dass er auszog und nicht, dass er ging, sagt die Bibel.

Schwere gezogene Schritte.

Es ist Dunkelheit. 

Unbekanntes Land.

Ein Stein nur ist unter seinem Kopf

Engel das Abschieds 

wandeln hinauf und 

Engel des Anfangs hinunter zu Jakob.





 


Abschied nehmen gehört zum Vorangehen.

Wo etwas endet, gibt es einen Anfang. Auch für uns.

Abschiedsengel und in-der-Fremde-sein-Engel,

Engel für den Anfang und welche für kleine Hoffnungen,

sagt die Bibel, sind dann zwischen dem Himmel und Dir auf der Erde unterwegs. 

Gott hat für jede LebenswirklichZeit genau die passende Begleitung und Behütung.


Jakob in der Fremde träumt. 

Eine Leiter zu Gott die nur in einem Traum Realität haben kann, weil in der Realität Gott unerreichbar erscheint. Oder ein Gott, der einem im Traum eine Leiter baut, um zu zeigen, dass er erreichbar ist.

Er lässt Jakob sehen, dass er neben ihm stände.

Das Land und das Fremde, es wird Dir einst gehören, sagt Gottes Stimme. Das Fremde wird nicht mehr fremd sein.

Du wirst nicht mehr einsam sein und verloren.

Du wirst von dem Ort, wo das geschieht, gering denken. Er sieht nicht eilig aus, nicht würdig. Du wirst es erst nicht gewusst haben, dass dort Gott wohnte. 

Jakob nannte den Ort Bethel - Gott ist hier zu Hause.


Wo ist Dein, mein Bethel, wir, die auch auf Härte liegen in manchem fremd sind,  in Ungeplantem und in Ungewissem? Genau dort, sagt die Geschichte, wäre bereits der Ort der Begegnung  und wenn er auch nicht zum Anfassen wäre. Kann ich das glauben?


Jakob ist ein Gottbegegner für mich und Dich, damit wir Gewissheit haben. 500 km Flucht zu Fuß und er versteht, dass sein Gott genau da bei ihm ist und sagt: ich werde Mitsein. Lass uns gemeinsam in dieser Fremde gehen. 


Gottesbegegnungen gibt es. Menschen erleben sie. Manchmal sichtbar, oft jedoch nur quantengroß, wie wenn ein Tröpfchen in Dein Herz fällt und sich minimal etwas ändert an Deinem Gemüt, Deiner Ausrichtung, Deiner Schwere. Winzig kleine Momente, wo der Abstand zwischen Himmel und Erde für einen Wimpernschlag aufgehoben ist. Heilige Momente. Heilige Orte.

Die heilig sind, weil etwas Heiliges passiert ist mit Dir.


Wie nachher vielleicht, wenn die Stimmen vom Chor zusammen schwingen oder wenn Herr Heinrich die Finger auf die Tasten der Orgel legt. Wenn Du den sanften Atem eines winzigen neuen Menschleins siehst. Wenn Du den allerletzten Hauch eines lebensalt gewordenen Menschen siehst, der SterbensFrieden bringt. Wenn eine/einer nicht alleine bleibt in einer Katastrophe, sondern jemand einfach dableibt. Wenn Du und ich entscheiden mit einem einzigenMenschen barmherziger zu sein als wir es bisher waren. Wenn jemand von uns in den nächsten Tagen einen steinschweren Augenblick hat und Bruchteile von Sekunden weiß, es ist wie bei Jakob: Engel des Aufbruchs und der Anfangs sind ganz nahe! Es wird weiter gehen. Nicht alleine. Nicht alleine! Gott, der Mitsein will, wird da ein. Ist da. Eine Leiter zum Himmel steht nahe meinem Kopf. Trotz allem Dunkel, trotz eigener Schuld, Krankheit, Ärger, Streit, Katastrophen, für die niemand kann, trotz Fremde, stehe ich mit meinen Beinen auf festem Boden und mein Glaube steht auf festem Boden und der Himmel ist so real, dass Gott  dort seine Leiter anlehnen kann. Unbekanntes und Fremdes kann heilig werden und vertraut. 


Was Jakob tat, als ihm dies alles klar wurde?

Er nannte den Ort Bethel - Gott ist hier zu Hause.

Hier bin ich. Mit Gott verbunden, trotz Fremde.

 

Das nimm für Dich jetzt gerade  mit: 

immer wieder zu sagen „Gott ist hier zu Hause“.

 

Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.


Sonntag, 7. September 2025

... vom Verkrümmtsein...

 Predigt in Höhnstedt am 07.09.2025

























Manchen Menschen ist das ja unheimlich, was die Christen da am Sonntag machen. Was tun sie da in ihren Kirchen eigentlich? Am Sonntag haben vermutlich alle so ihre Gewohnheiten. Manche frühstücken lange, manche machen einen Ausflug, manche schlafen aus, manche gehen in die Kirche, manche treffen ihre Familie. Kaum, jemand putzt sonntags Fenster oder kehrt die Straße. Das macht man sonntags nicht. Da haben wir klar Regeln.

Für die Menschen um Jesus ist auch klar, was man am Sabbat machte und was nicht. Verboten war alles, was Arbeit bedeutete. Es sollte ein Tag sein, der Gott gehört. Dem Gebet. Den Sabbatritualen. Ein Glaubenstag. 

Als solcher ist er ja bei uns auch ein Feiertag geworden. Als Glaubenstag. Weils in der Bibel steht und schon immer so war. 


In der Geschichte, die wir gehört haben, macht Jesus jemanden gesund und heil: „Als Jesus einmal am Sabbat in einer der Synagogen lehrte, war dort eine Frau. Seit achtzehn Jahren wurde sie von einem Geist geplagt, der sie krank machte. Sie war verkrümmt  und konnte sich nicht mehr gerade aufrichten. Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sagte zu ihr: »Frau, du bist von deiner Krankheit befreit!« Und er legte ihr die Hände auf.“ (Lk 13,10ff) 


Aber doch nicht am Sabbat! - sagen die Leute. Und wir staunen. Eine Frau war nach 18 Jahren gesund geworden und geht erleichtert und befreit aus der Synagoge und es passt den Menschen nicht, die das erlebt haben?


Findet Glaube nur am Sonntag statt und darf Glaube aber dann sonntags auf keine Fall etwas bewirken? Was darf denn der Glaube? Darf er nur still sein oder darf er was machen? Erwarten wir, dass er ohne zu stören auf stillen Buchseiten steht, oder das er uns bewegt, verändert, sogar heil und gesund macht? Soll der Glaube nicht auffallen und sich zurück halten. Oder erwarten wir doch, dass er unerhört etwas über unser Leben zu sagen hat, uns aufrechter sein lässt, froher, befreiter oder uns sogar politisch Beine machen könnte? ...Pssst. Nicht doch!!


Ich sehe in unseren Tagen so manche Gekrümmten, die aufatmen würden, würde jemand sie genau so sehen. Vor allem sie als Menschen sehen hinter allen ihren Krümmungen. Würde, genau wie Jesus, jemand nicht sagen: Du Gekrümmter! Du komischer! Du Schwacher, Kranke, Alte. Sondern Du wunderbares Kind unserer aller Vorfahren. Du gut gemachtes Menschenkind. Ich sehe Dich. Du hast einen gleich großen Platz im Leben verdient wie alle anderen auch. Du hast verdient, gesehen zu werden und aufrecht sein zu dürfen.

  

Ich stelle mir vor, wie die gekrümmte Lebensfreude so mancher Menschen aus meiner Nachbarschaft, wie die völlig verbogene Frau Gerechtigkeit, wie die schon ganz schiefe Frau Frieden, wie die hinken Zuversicht in so einen Raum kämen. Natürlich in der Erwartung: hier den Rücken gestärkt zu bekommen. Los zu sein, was beugt.

 

Vielleicht kennst Du das, dass Dich etwas bindet und beugt. Und Du hoffst auf Atmenkönnen und Dich aufrichten. Wie wird man denn heil nach Verletzung und wie wird man wieder sicher in lauter Unklarheit, wie wird die Welt wieder heil? Und ich und du?


Wie kann jemand, gefangen vom Geist der Kraftlosigkeit einen Neuanfang sehen, wie jemand mit dem Geist der Unzufriedenheit wieder das Leben schätzen, wie eine, die welk ist vom Geist der Einsamkeit wieder aufeinander zugehen und wie kann sie wieder Leben spüren, wie der, der den Geist der Ohnmacht in sich spürt wieder Ermutigung und das Geländer einer Gemeinschaft?


Jesus hat vor 2000 Jahren eine verkrümmte Frau geheilt. Eine, die nur noch den Boden sah. Unten. Kaum noch Gesichter. Was anderen einfach gelingt, gerade zu sein, gelang ihr nicht. Sie konnte nicht sehen, was kommt

und auch nicht den Horizont und das dahinter, den Himmel und Gott, der alles umfängt. Selbst Jesus, den konnte sie erst sehen, als ihr Blick wieder gerade war. 

Was ist geschehen? Jesus macht sie los von allem, sagt die Bibel. Nimmt von ihr, was sie niederdrückt. Bis sie den Rücken durchstrecken, aufrecht da sein kann. Innen und außen und „Juchuh" sagen;: „Juchuh! Ich kann dastehen, aufrecht, nach vorne schauen, Himmel und Hoffnung sehen. Juchuh!“ Und dann mit kleinen Hüpfern zwischen den Schritten heim gehen.

Jesus hat vor 2000 Jahren eine verkrümmte Frau geheilt.

Was heißt das für mich? Für mein Leben? Heißt das überhaupt was für mich? Für unsere Kirche, für die Welt?


Wer einen Garten hat, kennt das Problem mit hängenden Ranken und Zweigen. Die so durchhängen. Es gilt, ihnen Stabilität zu geben, in dem man sie hochbindet oder festmacht - sie brauchen einen Halt. Dann prägen sie oft starke Zweige aus, werden fest und sicher und blühen.


Für mich ist mein Glaube dieser Stützstab, dieses Rankelgitter, dieser Stock, an dem ich mich festmachen lasse. Für mich ist der Glaube an einen Gott, der mir etwas abnimmt und mich losmacht und aufrichtet der Grund, dass ich da stehen kann und wachsen. Für mich ist diese 2000 Jahre alte Geschichte die, die ich sonntags hören will und weiß, dieses Bild gibt mir Kraft.

Ich schaffe vieles, aber besonders, weil ich guten Halt habe. Die Bibel schenkt uns dieses Bild vom Aufrichten. Vom Rückrat. Vom Aufrecht sein. Vom wieder aufsehen können und den Himmel sehen können - weil jemand Jesus begegnet. 


Was machen die Leute also sonntags in dieser Kirche? Nein, nicht nur zuhören und husten vom Staub der alten eingeschlafenen Worte. Sondern immer wieder mal sich anrühren lassen. An sich geschehen lassen, was sie selbst nicht machen können: Halt finden. Stabilität. Sicherheit bei Gott, Antwort auf die Fragen des Lebens, Dankenkönnen. Mit anderen singen: „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, / mein Trauergewand hast du gelöst und mich umgürtet mit Freude, damit man dir singt und nicht verstummt. Mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.“


Und das macht was. Mitten am Sonntag. 

Aufrichtung. Den Geist der Kraftlosigkeit und der Unzufriedenheit für einen Moment Gott geben. Die Unzufriedenheit über Kirche, Staat und Welt, den eigenen Status und das Dastehen nicht der Resignation übergeben. Die Einsamkeit und Ohnmacht schweigen lassen weil andere da sind. Eine Orientierung haben, auf die ich mich berufen kann. Glaube bleibt nicht ein stummer Buchstabe, sondern er bewegt und macht heil, er verbindet, er richtet auf in dem wie es gerade ist.


Damit Du den Rücken durchstrecken und aufrecht da sein kannst. Innen und außen und „Juchuh" sagen;: „Juchuh! Ich kann dastehen, aufrecht, nach vorne schauen, Himmel und Hoffnung sehen. Juchuh!“ Und dann wenigstens etwas leichter und mit kleinen Hüpfern zwischen den Schritten heim gehen kannst. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. Amen. 



... wie gut das Ankommen ist....

Predigt zum Ordinationsjubiläum  in Magdeburg: 1. Mose, 8, 18ff: So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen se...