Samstag, 5. Juni 2021

Predigt vom Weglaufen

Predigt 

 über die Geschichte vom Propheten Jona, der einfach weglief, 
als Gott ihm einen Auftrag gab, der über das Meer flüchtete                                                                                                           
und im Bauch eines Walfische gerettet wurde. 


In Weglaufen bin ich gut.

Im Weglaufen bin ich ein Jona.

Unangenehme Dinge klären.

Der eigentlich angesagte Arzttermin.

Der Rückensport am Abend.

Der Anruf, der überfällig ist.

Das ehrliche, klärende Wort.

Die Ansage, die dran wäre.


Die Veränderung, die ich vor mir her schiebe.

Aufträge, die mir mein Glaube geben müsste:

für Gottes Gerechtigkeit kämpfen.

Sowas alles und viel mehr,

das schiebe ich gerne.

Tue so, als ob Ichs nicht sehe.

Zufällig vergesse.

Zu beschäftigt bin.

Ich laufe weg.


Klar. 

Von außen da sehe ich, da sehen wir alle, 

gut organisiert aus.

Gut aufgestellt.

Die anderen denken immer: 

wow, wie schafft der andere das nur?

Ich bin wohl die einzige Wegläuferin hier weit und breit?

Niemand sonst läuft vor solchen Dingen fort.

Alle andern erledigen die Sachen gleich,

Alle anderen stellen sich jedem Berg und Gipfel.

Alle anderen ziehen durch.


Tatsächlich aber, glaube ich,

sind wir eine Gemeinschaft von Jona-Menschen.

Die meisten.

Es gibt tatsächlich Ausnahmen.

Es gibt einige, die können nicht mehr aufhören mit weglaufen. 

Da wird das Weglaufen, Ausweichen, Umgehen, Nichttun, 

Nichtzukönnenmeinen zur Krankheit.

Es gibt einige, die drücken alles weg. 

Die sollten öfter mal weglaufen und nicht immer aushalten.

Aber der allgemeine Jona-Mensch,

der läuft mindestens einmal am Tag - schlups - 

einer Sache davon, die er oder sie auch erledigen könnte.

Theoretisch.


Weglaufen ist einer der menschlichen Stressreflexe.

Manchmal kämpfen wir auch.

Manchmal erstarren wir.

Aber Weglaufen ist unser Schutz.

Er ist nur gehäuft ein ebenso ungesundes Ding 

wie zu viel Zucker. 

Von dem wir wissen, dass er in Massen nicht gut tut.

Und trotzdem knistern die feinen Tüten 

im Süßigkeitenfach…

Genauso ist stetes Weglaufen ungesund, 

denn es ändert nur selten etwas an dem, was dran wäre,

oder?


Jona ist vermutlich nicht zum ersten Mal weg gelaufen.

Witzigerweise wusste das Gott natürlich auch. 

Er kannte ihn ja in- und auswendig.

Jona hat gedacht,

Gott bekommt es nicht mit.

Der hat ja immer so viel auf der ToDo Liste,

bei so vielen Menschen auf der Welt.

Jona denkt, dann, als es zu spät ist:

Gott hasst es, wenn jemand wegläuft. 

Also vermutlich auch mich.


Aber weißt du,

Jona stellt schließlich fest,

dass Weglaufen manchmal gerade Gottes Plan ist.

Das wissen wir nur nicht.

Gottes Nähe hört nämlich nicht auf, 

wenn wir vor etwas ausweichen und es vermeiden, umschiffen, aufschieben.

Gottes Nähe ist ein Schiff und rettende Höhle,

wenn alles schlimmer kommt als erwartet.

Da wo wir vermeintlich weglaufen

ist Gott dabei,

als wäre auch das sein Weg mit uns.

Wo wir das Weite suchen, 

die Wahrheit meiden,

den herannahenden Sturm ignorieren,

die Not geflissentlich übersehen,

entfernen wir uns nicht von Gott.


Tatsächlich ist Gott ohnmächtig

gegenüber unserem Nichthandeln

- in dem Sinne, dass er die Realität nicht andersherum zaubern kann, 

einfach eben ohne unser Tun.

Tatsächlich ist Gott oft ohnmächtig aber bleibt einfach da.

Jedes Ausweichen bringt uns nicht weiter von Gott weg.

DAS ist die Allmacht Gottes.

Die Macht seiner/ihrer Liebe.

Gott ist der Hafen der Flucht und der Wiederkehr,

ist an Bord in Sturm und im Dümpeln ohne Orientierung,

ist mit uns auf See bis an den Rand, 

wo es nicht weitergeht.

An den Rändern des Lebens liegen wir 

in den Mantelfalten seiner Zuwendung.

In Flucht und Einsamkeit

umgibt uns letztendlich das Bauchfell seiner Gnade.

Und so oft ist genau das der Weg,

 den wir brauchten, 

um dann doch ein klärendes Wort zu sagen 

und eine Entscheidung hinter uns zu bringen.


Gott sagt:

„Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht!“

Das gilt

meines Wissen

immer.

Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. Amen.







        (Foto: Blog von I. Garciá)

1 Kommentar:

  1. Danke für deine wundervolle Predigt,sie lässt mich nachdenken....über mich und das weglaufen😉

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