Sonntag, 1. November 2020

Lesung aus dem Jeremiabuch:

Der Prophet Jeremia lebte 600 Jahre vor Jesus Christus. Es war eine wilde, unruhige und kriegerische Zeit. Die Völker des Orients lieferten sich große Schlachten und Kämpfe. Mittendrin das kleine Volk Israel. Hin und her geworfen. Gott erinnert und Gott wieder vergessen. Dann wird ein großer Teil der Menschen von Jerusalem nach Babylon verschleppt. Sie sind Fremde in einem fremden Land. Migranten. Zugewanderte. Wie wird ihre Geschichte weiter gehen? Sollen sie sich einlassen auf die Fremde oder sollen sie wie auf gepackten Koffern leben? Prophet Jeremia schickte ihnen einen Brief aus  Jerusalem. Er hat eine klare Botschaft Gottes dazu : 

„So sagt Gott der Gewalten, die Gottheit Israels, zu allen in der Verbannung, die ich aus Jerusalem in die Verbannung nach Babel geführt habe: Baut Häuser und wohnt darin! Pflanzt Gärten und verzehrt ihren Ertrag. Heiratet und bekommt Söhne und Töchter. Verheiratet eure Söhne und Töchter, so dass auch sie Söhne und Töchter bekommen. Vermehrt euch dort, werdet nicht weniger. Seid um das °Wohl der Stadt, in die ich euch verbannt habe, besorgt. Betet um ihretwillen zu Gott, denn in ihrem Wohl liegt auch euer Wohl. (..)

So sagt Gott: Wenn 70 Jahre vorbei sind, will ich mich um euch kümmern; ich werde an euch die Zusage meines Wohlwollens erfüllen und euch an diesen Ort zurückbringen. Ich allein weiß, was ich mit euch vorhabe, – so Gottes Spruch – Pläne des °Friedens und nicht des Unglücks; ich will euch Zukunft und Hoffnung geben. Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet, werde ich euch hören. Wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden; ja, wenn ihr von ganzem °Herzen nach mir fragt, werde ich mich von euch finden lassen – so Gottes Spruch. – Ich werde euer Schicksal zum Guten °wenden und euch aus allen °Nationen und von allen Orten sammeln, wohin ich euch zerstreut habe – so Gottes Spruch. – Ich bringe euch an den Ort zurück, von dem ich euch in die Verbannung weggeführt habe. (Bibel in Gerechter Sprache)



Predigt für den 1. November 2020


Manche fühlen sich fremd.

Mitten im Leben.

Wie heraus geführt aus ihrem Alltag.


Dana sitzt vor mir.

Was sie mit ihrem Mann noch alles erleben wollte!

Nun wird das alles nichts mehr werden.

Sie ist heraus geführt aus ihrem vertrauten Leben

in die Fremde einer tödlichen Krankheit.

Hier kennt sie sich nicht aus.

Sie lächelt. 

Ein Lächeln zwischen Vergeblichkeit und Resignation.

Was sie hier in der Fremde soll?

Wann geht es endlich wieder ins Vertraute?

Hier will sie sich nicht niederlassen.

Wer mag hier schon seine Koffer auspacken?


Kurt sitzt vor mir.

Bis vor kurzem fühlte er sich noch als fester Stamm am Baum der Dorfgemeinschaft,

des Freundes- und Bekanntenkreises und seines Umfelds, 

seiner Kirchengemeinde, seiner Familie.

Aufmerksam war er schon immer in seiner politischen Meinung 

und nicht erpressbar. Aber nun - er weiß gar nicht wie - 

steht er plötzlich in der Fremde, 

wie abgeschlagen vom Baum der Mehrheit.  

Abseits von den Meisten. 

Seine Meinung ist nicht „mainstream“. 

Freunde kehren sich ab. 

Die Familie runzelt die Stirn. 

Er selber kennt sich auch nicht mehr aus. 

Welche Fakten sind denn jetzt sicher? 

Als würde um ihn ein vermintes Feld sein 

und er nie sicher ob er sich richtig ausdrücken kann, 

ob der andere ihm nicht gleich einen Vogel zeigt. 

Wie kam er in diese Fremde? 

Es fühlt sich nicht gut an, so draußen zu sein. 

Vorher war es schöner.

So kann er auch nicht bleiben.


Luise sitzt vor mir. 

Ihr Blick ist abwesend. 

Wie so oft. 

Sie ist hier und doch nicht hier. 

Ihre Gedanken sind in der Fremde. 

Gewaltvoll weg geführt von Mächten, die ihr unbekannt sind. 

Traurige, ziellose Kräfte sind das. 

Sie ziehen sie nach unten. 

Alles Vertraute ist wie hinter Glas. 

Eine Grenze, über die sie jetzt nicht weg kommt. 

Wie kommt sie wieder zurück nach Hause -

 in ihren Kopf und ihr Herz, in ihren Körper?

Doch ihre Koffer sind hier längst ausgepackt.

Was soll sie mit diesem Leben anfangen?


In die Fremde geführt.

So fühlt man sich manchmal.

So viele „Fremden“ gibt es,

In der Fremde einer Ausgrenzung 

- eine Welt, in der man nicht zu den anderen passt, 

weil man anders aussieht, nicht die gleiche Kraft hat 

oder die gleichen Ressourcen oder die gleichen Lebensideen, 

die selbe Haarfarbe oder Sexualität.

Schwupp. Herausgeführt in eine Fremde des Andersseins. 


Manchmal fühlt man sich wie weg geführt - 

in die Fremde einer anderen Sprache,

in die Fremde der nachlassenden Sehkraft,

in die Fremde, arm zu sein,

in die Fremde der Isolation,

in die Fremde einer Suchtkrankheit,

in die Fremde eines Glaubens, der überhaupt nicht zu dir passt,

in die Fremde, einen anderen Körper zu haben als die Meisten.


Herausgeführt sein heißt, 

etwas zurück lassen zu müssen, das vorher Heimat war, 

das in den Träumen die Heimat wäre, das Heimat sein könnte.


Was du in der Fremde tun sollst?

Du weißt schon.

Wenn Gott es sagt, ist es selten, wie du dir das dachtest.

In der Fremde wirst du erstmal fremd sein.

Das Fremde sollst du ansehen.

Und dann sollst du dort nach dem Besten suchen.

Vielleicht gibt es da mehr als nur Fremde?

Da wo eine Rückkehr als nicht möglich scheint,

sollst du nicht vergehen vor Sehnsucht und Traurigkeit

vor Zurückhaben-wollen und Leugnung der Realität.

Du sollst wissen dass du bleiben kannst

und jemand dir trotzdem ein Zu Hause bereitet.

Denen in der Fremde sagt Gott, 

dass sie bauen und pflanzen sollen.

Nicht dem Schmerz sollst du ein Haus bauen 

und den Ängsten Bäume zum Wohnen, 

sondern der  Hoffnung. 

Sondern Gott.

Weil er nämlich auch in der Fremde ist.

Gott kennt sich da aus.

Lass dir zeigen, dass es noch andere gibt,

die genauso fremd sind wie du.

Zusammen fremd sein ist besser als alleine.

Lass dir zeigen, dass deine Bewertungen nicht die von Gott sind.  

Für ihn bist du nicht fremd oder falsch.

Lass dich an die Liebe erinnern und entscheide dich, mit Liebe zu schauen, 

nach Spuren der Liebe zu suchen.

„Ich allein weiß, was ich mit euch vorhabe, sagt Gott, 

Pläne des Friedens und nicht des Unglücks; 

ich will euch Zukunft und Hoffnung geben. 

Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet, 

werde ich euch hören. Wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden;

 ja, wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, 

werde ich mich von euch finden lassen.“ 


In jeder Fremde bin ich das zu Hause! 

Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. Amen.








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