Samstag, 20. Juli 2019

Predigt über die Aussendung der Jünger*innen
am 21. Juli 2019


Lesung: Mt 9, 35 - 10, 10
Jesus war kein Abwartender. 
Er war keiner, der so lange dasaß, bis man zu ihm kam. 
ER kam. 
ER ging. 
Zu den Leuten. 
Durch Orte und Dörfer. 
Durch das halbe Land. 
Ging er. 
Und er macht Menschen gesund. 
Die krank waren oder voll Schmerz. 
Er predigte auch überall. 
Immer das Gleiche. 
So und nur so wird das Reich kommen, predigte er. 
Das Himmelreich sei ganz nahe. 
Wenn die Menschen so leben würden 
im Füreinander und mit Gott. 
So wie er mitten und nahe bei ihnen war. 

Und als er diese vielen Menschen sah 
und wie sehr manche litten. 
Wie sehr manche sehr verängstigt waren. 
Wie sehr manche suchten nach Sinn und Zuwendung. 
Als er all dass Weh und Suchen und Zagen sah, 
da gab ihm das einen Stich ins Herz. 
Es tat ihm leid, 
dass es so war.  

Ach, es gäbe noch so viel zu tun, 
sagte er. 
So viel. 
Sie alle bräuchten jemanden, 
der sich zu ihnen aufmacht. 
Aber ich kann das alleine niemals schaffen. 
Das geht nicht. 

Ich brauche welche, die mir dabei helfen. 
Und so benannte er sie jeden mit Namen. 
Und gab ihnen persönlich mit, 
was sie brauchten, um hilfreich zu sein. 
Petrus und Andreas, 
Jakobus und Johannes, 
Philipps und Bartholomäus, 
Thomas und Matthäus, 
Jakobus und Thaddäus, 
Simon und Judas. 
So hießen die ersten von ihnen. 
Keiner musste alleine gehen. 
Und er sandte sie als erstes nicht etwa zu den Fernen und Ausgegrenzten, den Fremden und Anderen. 
Zuerst sandte er sie zu den eigenen Leuten. 
Denen, die verloren waren mitten unter uns. 
Und er sandte sie, dass sie predigen sollten 
vom Himmel, der die Erde berührt 
und beten 
mit zärtlichen Worten 
und heilen, aufwecken und heil machen. 
Bekommen sollten sie dafür nichts. 
Sie sollte es der Liebe wegen tun. 
Nicht als Leistung. 
Und sie sollten nichts 
zwischen sich haben und den Menschen 
oder zwischen sich und der Erde 
oder zwischen sich und dem Himmel. 
Pur sollten sie kommen. 
Ungeschützt. 
Als Menschen. 

Lied: Wo Menschen… (Heft Nr. 29, 1):
Wo Menschen sich vergessen,
die Wege verlassen,
und neu beginnen,
ganz neu,
da berühren sich Himmel und Erde, 
dass Frieden werde unter uns…

Predigt:
Das wusste Jesus: 
Wo Menschen sich vergessen,
da öffnen sie dem Himmelreich eine Tür.
Wo du Dich vergisst.
Im kurzen Moment 
einer Begegnung mit Jemandem. 
Im flüchtigen Wimpernschlag 
des Wiedererkennens  in jemand Anderem.
Wo du Deinen eigenen Weg
verlässt,
unterbrichst,
für die kleine Stichstraße 
zum Andern hinüber…
(Das könnte lediglich 
Dein langes stilles Nicken beim Zuhören sein, 
ohne es mal wieder besser zu wissen,
eben mal ganz bei Deinem Gegenüber zu sein,
das könnte nur die Sekunde länger sein
die Deinen Blick weicher macht und tiefer
bevor Du ihn wie immer abwendest,
das könnte der Augenblick sein,
den Gott braucht
um durch Dich den andern zu berühren.)
- in diesem Moment 
DA ! 
berühren sich Himmel und Erde.
Da ist plötzlich das Himmelreich nahe herbei gekommen.
Da predigen Dein Blick und Dein Nicken,
Dein bei-dem-anderen-stehen,
Dein nicht-weggehen,
Dein da-bleiben, aushalten, nachfühlen, ansehen, 
Dein Herz-öffnen,
da predigt Dein Körper und Dein wie-du-da-bist
und dass-du-da-bist.
Das redet alles von selbst
und könnte
eventuell
den Anderen, die Andere
heilen, trösten, aufwecken.

Und DAS KANN ICH EBEN NICHT ALLEINE!
sagt Jesus eines Tages.

Wenn du diesen Satz einmal von Gott hören wolltest,
weil dir aufgefallen ist, dass manches im Argen liegt in dieser Welt und du dich schon geärgert hast, weil er manch einen vergessen hat oder sogar dich schonmal.
Hier steht er:
I c h   s c h a f f e   d a s   n i c h t   a l l e i n e.

Das Reich Gottes ist kein Ein-Mann-Betrieb.
Es ist eher ein Geflecht.
Ein Organismus. 
Eine Kettenreaktion.
Ein Gewebe.
Ein Netzwerk.
Das, was die Jünger am See auswerfen sollten
und später unter den Menschen: Ein Netz.
Sich verknüpfende Stränge untereinander,
die sich gegenseitig halten,
was aushalten,
der untere Teil eines doppelten Bodens,
der auffängt, abpuffert und immer wieder einholt.
Das!
Das sind wir zusammen.
Da sind wir Himmelreich.
Ich und ihr. Alle.
Aber nicht einer alleine.

Und so steht Jesus da - direkt bei Dir.
Er sieht Dich und die anderen Menschen.
Es sieht Dich und sie.
Es jammert ihn. 
Er braucht welche, die hinsehen und dort hingehen. 
Zu Dir. Zu den anderen. 
Zu uns selbst erstmal,
die ersten Knoten des Netzwerks zu stärken.
Zu heilen, gesund werden zu lassen, heraus zu holen.

Und er schickt die ersten Jünger*innen los
ohne was.
Ohne Bücher, Butterbrotpakete, Heilsalbe, Ratgeber,
Flyer, Nelkensträuße, Werbekulis, Handschmeichler,
Dekokreuze, Engelkerzen, Schlüsselanhänger.
Sie kommen mit leeren Händen.
Nur mit sich.

Er schickt seine Himmelreichverkünder*innen los
ohne was.
Ohne Reisetasche, Auto, EC-Karte, Deutschlandcard, ohne Schuhe, 
Reservestrümpfe, Mp3Player, Deo, Hygientücher. 

Ohne alles.

(Predigerin zieht langsam Schuhe und Talar aus,
legt Talar über das Pult, stellt die Schuhe vor den Altar,
darunter trägt sie schwarze Anziehsachen und ist barfuß)
Er schickt Dich los ohne was.

So dass Du ganz Du bist.
Wenn Du dem anderen begegnest.
Ohne etwas zwischen Dir und denen
- denkt er vielleicht -
kann etwas geschehen.
 Kannst Du Dich nicht verstecken
im Moment der Begegnung.
Kannst Du Dich leichter einmal verschenken.
Für den anderen.
Kann er es annehmen. Und Du auch.
Von Mensch zu Mensch. 
So. Pur. Ohne was.
Kannst Du einfach
dem anderen Menschen ein Mensch sein
oder der Himmel.

Damit Menschen sich verschenken,
die Liebe bedenken,
und neu beginnen,ganz neu,
Damit Mensch sich verbünden, 
den Hass überwinden, 
und neubeginnen, ganz neu,

Brauche ich Dich.
Sagt Jesus. 
Ich schaffe das nicht alleine.
Ich brauche Dich 
- Du radiale*r Wanderer*in -
um zu fühlen
was der andere fühlt.
Ich brauche dich
- ermächtige auch mal handfest zuzupacken.
Ich brauche dich -
- Du Partner*in Gottes -
für die Verlorenen.
Auch für Dich,
wenn Du Dich verloren fühlst,
brauche ich welche.
Dass Dich einer sieht.

Und einer wird Dir dann vom Himmelreich erzählen
und Du ihm.
Dass es nahe herbei gekommen ist.
Vielleicht müsst ihr auch gar nichts sagen.
Denn so spürbar ist es da
in diesem Moment.
In dem was ihr sagt oder tut.
Ein Wimpernschlag lang seid ihr dem Himmel nahe,
der Dich etwas unfassbar Großes spüren lässt 
von dem Du ein Teil bist;
etwas das nicht kaputt gehen 
und nicht verloren gehen kann
und an kein Ende kommt.
Etwas voll Güte und Ernst,
voll Gewalten und Kräfte 
und voll Zärtlichkeit. 

Und so steht Jesus da - direkt bei Dir.
Er sieht Dich und die anderen Menschen.
Es sieht Dich und sie. Er schickt Dich los. Amen.


Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen


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