Samstag, 1. November 2025

... wie gut das Ankommen ist....

Predigt zum Ordinationsjubiläum 

in Magdeburg:

1. Mose, 8, 18ff: So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. 




Ich denke: sie waren richtig ungeduldig am Ende, Herr und Frau Noah und die ganze Sippe in ihrer Arche. Eine so lange Zeit waren sie eingesperrt, dem Wind und den Wellen ausgeliefert, einer Katastrophe in die Hände gegeben und wussten nicht, wann Ihr Leben wieder Normalität haben würde und geordnete Bahnen, Verlässlichkeit und Lebensfreude. Weil Leben heißt sich regen, weil Leben wandern heißt und nicht Stillstand.


Da erinnerte sich Gott, heißt es, und die Wasser fielen und Vorfreude kam auf. Und doch: Woche um Woche nur fiel das Wasser. Woche um Woche nur trocknete es langsam. Woche für Woche nur kam das Leben wieder. Sie mussten endlos Geduld haben. Woche um Woche hielten sie Ausschau nach dem Leben. Und dann endlich war es soweit. Sie kamen an. Die Tore standen offen. Endlich wieder Normalität, Bewegung, Vorangehen, Ende der Krise. Und ein Versprechen:  „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Nach dieser Katastrophe wieder festen Boden spüren und Sicherheit mit Gottes Zusage, das war Ankommen dürfen aus dem Unsteten. Und seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in dieses gelobte Land.


Auch der berühmte Sohn hatte nicht mehr viele Schritte übrig, als wäre er einmal um die ganze Welt gelaufen. Er hatte alle Möglichkeiten des Lebens gekostet, war in alle Fettnäpfchen getreten, hatte alle Fehler gemacht, die möglich waren, hatte in der Traurigkeit festgesessen, in einer Sackgasse, sein Leben war nur noch eine Katastrophe, eine einzige Krise. Er hatte am Ende sein Leben vermisst und nun waren es nur noch wenige Schritte und am Horizont wurden die Umrisse sichtbar. Einer wartete. Der Vater mit den offenen Armen. Der Sohn, der ankommen durfte. Endlich. Die Tore stehen offen. Ein Ort zum Sein. Wo es weitergehen kann. Weil Leben heißt sich regen. Gott will, dass wir ein Segen für seine Erde sind. 


Auch andere gehen letzten Schritte und kommen an: Menschen, nach einer Katastrophe, nach einem überlebten Anschlag, wie in Magdeburg. Menschen, die auf einem Schlauchboot ihr Leben gerettet und nun Land unter den Füßen haben. Jemand, der nach völliger Ermüdung in der Klinik gelandet war und sie nun nach der Katastrophe wieder verlassen kann. Paare, die in einer Lebenskrise eine neue Lösung für ihr Miteinander haben finden müssen, manchmal die Trennung nach einer Zeit der Klärung. Oder eine, deren Leben durch eine schwere Krankheit auf des Messers Schneide stand und die danach in die seltsam unvertraut vertrauten Räume der eigen Wohnung zurück kehren kann. Oder wie die, die zu einem Grab aufbrachen um einen Toten zu salben und zurückkehrten und sagten: „Er ist auferstanden!“.


Ankommen nach einer Katastrophe. 

Ankommen nach einer Situation, 

die das Leben komplett überflutet hat.

Ankommen nach einem Weg durch wildes Gewässer.

Nach einem Weltuntergang.

Ankommen nach etwas, das man überstanden hat.

Ankommen und keinen Schritt weiter gewollt oder gekonnt, 

jetzt den Sonnenschein brauchen, einen Regenbogen, eine Umarmung Gottes.

Zurückgekehrte, Überlebende, Überstandene.


Ach Gott sei Dank! Hat die Bibel solche Bilder für mich. Sie tragen mich in allen Katastrophen des Lebens, wo es abbricht oder schlingert oder schwach wird, sich verändert, mir unvertraut wird, ins Ungewisse läuft. Gott sei Dank! Hat die Bibel solche Bilder für mich jetzt gerade in meinem Leben. Denn zum Leben brauche ich jeden Tag Mut. 


Schon aufbrechen in etwas Neues, Einsteigen in einen Beruf, eine Familie gründen, eine neue Stelle antreten, in den Ruhestand gehen, vielleicht erinnern Sie sich, schon die Hand einschlagen für einen Neubeginn braucht solchen Mut. Manches lange Durchhalten braucht solche Bilder, dass es ein Ankommen geben wird. Wo es nicht voran ging im Leben und Beruf.  Wo es Widerstände gab. Wo es nicht nur einfache Erfahrungen gab mit der Familie, dem Umfeld, der Gemeinde, der Kirche, den Vorgesetzte, den Kollegen, dem Staat.


Alles das leben und schaffen zu können - geht für mich nur mit diesen biblischen Bildern und mit Gottes Zusagen von Treue und Beständigkeit: Er wird sich erinnern. Es wird ein Ufer das sein, es wird ein Ankommen sein. Der uns in früheren Zeiten das Leben eingehaucht, der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht. Und so war es! Nicht immer kam man dort an, wo man landen wollte. Aber es gab ein Ufer. Es war möglich, einen Schritt heraus zu tun. Dankbar auf die Knie zu sinken, Danke Gott, vielmals Danke für alle Bewahrung, für alle Ideen und die Energie, für Begegnungen, für Bewahrung, für Wirksamsein. Ein Danksagen wie eine Umarmung Gottes, denn im Dank liegt schon das Sehen und das ganze Leben.


Ach Gott sei Dank! Hat die Bibel solche Bilder für uns, denn sie sind das Prinzip der unumstößlichen Hoffnung. Einer Hoffnung, die manchmal irre erscheint, wenn man sich die Welt anschaut oder im Leben eine Krise erlebt. Diese Bilder vom Ankommen selbst nach einem Weltuntergang und dem auf mich wartenden Gott, sind kontrafaktisch, sie widersprechen der Logik und dem Istzustand. Und gerade darum haben sie eine unbändige Kraft der Hoffnung. Sie bringen uns auf den verrückten Gedanken, dass es sich für diese Welt zu beten lohnt, um Heilung, um Wendung der Herzen der schlimmsten Diktatoren und für Land unter den Füßen aller Bedrückten. Weil solange die Erde steht es nicht aufhören wird das Leben. Gottes Souveränität ist unverrückbar unabhängig von Dir und mir. Ein Raum der Liebe, den er setzt, sodass wir aufbrechen und leben und immer immer ankommen können. In jeder Phase unseres Lebens. Nach heftigem Wellengang und mit einem letzten Schritt. Hoffnung für uns ist das. Für unsere Gesellschaft, für diese Welt. Eine irre, verrückte Hoffnung des immer wieder Ankommens und Gott hat diese Hoffnung besiegelt. Das ist Hoffen auf einen Gott, wie wir es am Beginn des Gottesdienstes gesprochen haben: Der Bund und Treue hält ewiglich und nicht loslässt das Werk seiner Hände.


Und noch ein Letztes: lange Zeit hatte ich ein Missverständnis in dem Lied: Vertraut den neuen Wegen. Da heißt es: "Seit leuchtend Gottes Bogen..." und ich habe das immer von Herzen als Imperativ gesungen, als eine Aufforderung. „Seid“ mit „D“ = Ihr Menschen: Seid leuchtend  Gottes Bogen!!  Erst vor einiger Zeit fiel mir auf, dass es eine Zeitbestimmung ist. Und doch will ich Euch das mitgeben als Ruf der Hoffnung, wenn Ihr es das nächste Mal singt, als welche, die vom Ankommen wissen und darum unverzagt leben dürfen, singt es als Aufruf, als Ermutigung: Seid leuchtend Gottes Bogen! Denn wir singen immer von Gott als Gerettete. Amen. 


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 


und stärke unsre Liebe. Amen.


Samstag, 25. Oktober 2025

... von der Sehnsucht dass da ein Mensch sei...

Predigt in Wittenberg 

über unsere mächtigen inneren Muster

Da wohnt ein Sehen tief in mir

nach Beherztheit und Ganzsein.

In Zeiten wackelnder Gewissheiten

und sich auflösender Vertrautheiten

der Welt.


Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 

Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda.

 Dort sind fünf Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte.




























Wir sind die, die in Hallen liegen,

bewegungslos manchmal,

festgenagelt am Faktischen und nicht hochkommen

dahin wo Heilung und Änderung ist.


Krank vor Angst vor den Kipppunkten von diesem und jenem, 

blind von der Fülle der unheilsamen Bildern dieser Tage, 

lahm vom schnellen Alltag,

ausgezehrt vom immer neu sich-Hoffnung-aufbauen-müssen.

Die Hallen des Alltags sind voll

von Menschen mit Hoffnung auf Heilung.

Wir warten.

Wir rotten uns zusammen,

alle in ihrer je eigenen Halle natürlich,

mit ganz unterschiedlichen Hoffnungen für diese Welt.

Die Hoffnung nach Leichtigkeit, die vom Himmel fällt.

Die Hoffnung auf ein Wunder, das einfach von selbst kommt.

Als könnte ein Einzelner oder ein Volk in einen See steigen

und der würde abwaschen alle Geschichte und

alle Not, alles innerliche Erbe, den Schmerz 

und alle Verantwortung, alle Entzweiung, alles, was gerade so kompliziert ist.

Ein Wundersee. 

Und wir rennen und versprechen uns Heilung,

Alternativen, Lösungen, Ordnung, Verständigung. 


Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, 

der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; 

in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. 

Es war aber dort ein Mensch, der war seit achtunddreißig Jahren krank.


38 Jahre, 40 Jahre, 35 Jahre Frustration.

Wieder geht der Kelch an uns vorüber,

Das Leben hat nur Fausthiebe.

Mir hilft keiner sagt sie.

Mich versteht niemand, sagt er.

An mir geht das Glück vorbei - wieder sie.

Die anderen haben immer die Nase vor - er.

Das hier zerfrisst meine Lebensfreude, sagt sie.

Und sie gönnen einander nichts da am See.

Ihr Lamentieren „Hier ist ja kein Mensch“, „Immer ich“

und „Niemand denkt an mich“, „Keiner hilft mir“ 

ist wie liegenbleiben im eigenen Leben,

nicht herauskommen, 

oft auch nicht können, aus dem Gedankenkarussel,

das unselig ist und unheilig,

das kränker macht.

Die müde Gesellschaft,

die erschöpfte Gesellschaft,

die die in Blasen lebt,

Matt vom Anpassen, Protestieren und Kämpfen,

vom Gutseinwollen oder vom Böseseinwollen,

und andasGuteglauben und Verschwörung-sehen.

Und ich und Du sind irgendwie auch nicht weit weg, 

manchmal nah bei denen, die liegen bleiben

auf ihren Meinungen und allen Irrtümern

über sich und die Welt.


Bodo Wartke singt in einem Song 

über das nicht-herauskommen 

aus den Gewohnheitshamsterrädern des Lebens:


Die Muster sind mächtig

und das nicht zu knapp 

und man legt sie erst recht nicht

einfach so ab

Die Muster sind mächtig

und ziemlich robust,

uns ist das tatsächlich 

nur selten bewusst


Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, 

der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; 

in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. 

Es war aber dort ein Mensch, der war seit achtunddreißig 

Jahren krank. Als Jesus ihn liegen sah und vernahm, 

dass er schon so lange krank war, spricht er zu ihm: 

Willst du gesund werden?


Willst Du?

Ich meine jetzt Dich, die oder der Du hier sitzt.

Willst Du?

Gesund werden?

Und Du da draußen „mir hilft ja keiner“ - Mann?

„Da ist ja kein Mensch“ - Frau?

„Früher war alles besser“ - Nachbar?

und alle die aufgegeben haben?

Willst Du gesund werden?

Wohnt da ein Sehnen tief in Dir?

Nach Gott? Ihn zu sehn im Alltag, ihm nahe zu sein?

In Sorge, in Schmerz?


Jesus nimmt den Tonarm von der sich drehenden Platte,

die sich dreht seit 38 Jahren und leiert:

„Jemand müsste doch mal …mich zum See tragen“,

und „ich kann sowieso nichts ändern“.


Die Muster sind mächtig

und das nicht zu knapp 

und man legt sie erst recht nicht

einfach so ab



Jesus bringt Klarheit

er nimmt dem Menschen den Grund,

weiter liegen zu bleiben.

Jesus streichelt oder pustet diesmal nicht zart über alles drüber.

Er rüttelt wach,

er gibt einen Stoß, vielleicht einen Anstoß.

Er weiß, dass es Zeiten gibt,

wo die Hoffnung wie weg scheint und 

alle Berge und Hirten und Schirm und Schild nicht helfen.

Wo Du und ich einen Stupser brauchen und Klarheit.

Was ist jetzt mit Dir? Liegenbleiben oder Aufstehen?

Darum heißt der Ort „Bethesda“, zu deutsch: Ort der Gnade. 

Keine Ausreden mehr. 

Kein Klagen wie gestern und vorgestern und die Tage davor.

Ein Mensch nimmt nach 38 Jahren

die Matte seiner Mattigkeit und steht auf.

Er bekommt nichtmal mit,

wer ihm das getan hat.

„Keine Ahnung, wer das war.“, sagt er oder sie später.

Jesus durchbricht die Muster,

das kann er mit seiner Kraft.

Was er tut, scheint den anderen irgendwie illegal.

Er beweist ihnen das Gegenteil zu ihrem Satz: 

"Ich habe ja keinen Menschen!“


Die anderen am See sehen sich um.

Da ist einer auffällig unangenehm glücklich.

Für den hat sich etwas im Leben geändert.

Das gönnen sie ihm nicht,

Jesus hat zwischengefunkt in ihre Muster

des Liegenbleibens und Abwartens,

in ihre Idee von Unmöglichkeit,

in ihre Gewissheit von Beschränkung.

Er kann doch nicht einfach etwas tun, 

von dem wir dachten, das ginge überhaupt nicht!

Hier wird der Reihe nach geheilt!


Spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? 

Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, 

der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; 

wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. 

Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! 

Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. 


Jesus nimmt Dir den Grund liegen zu bleiben.

Er fragt dich jeden Morgen so wie Du bist:

„Willst Du?“

„Steh auf!“

„Hilf mir, 

hier und da aufzuhelfen, 

was liegengeblieben ist,

denen die es an den Boden drückt,

die denken da sei kein Mensch.


Die Muster sind mächtig

und das nicht zu knapp 

und man legt sie erst recht nicht

einfach so ab

die Muster sind mächtig

und ziemlich robust

uns ist das tatsächlich 

nur selten bewusst


Wie kommt es nur, dass man so frohgemut

immer wieder ins Verderben rennt

man tut halt selten das, was einem gut tut,

eher das, was man gut kennt

(aus dem Lied von Bode Wartke: „Die Muster sind mächtig“)


Bethesda ist keine romantische Heilungsgeschichte

sie erzählt von unserem Festhalten 

und ruft heraus aus allen Hallen

aller Muster, die wir pflegen,

und die ohne Leben sind.

Jesus kann einfach etwas tun, 

von dem wir dachten, das ginge überhaupt nicht!

Vielleicht auch wir.

Bethesda erzählt, dass es  Orte der Gnade gibt

wo Heilung und Hoffnung geschehen.

Bethesda sagt Dir, dass Jesus Dich anspricht.

Vielleicht bist Du diese Woche die Person, 

die ganz konkret jemanden anspricht. Amen.



Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 


und stärke unsre Liebe. Amen.

... wie gut das Ankommen ist....

Predigt zum Ordinationsjubiläum  in Magdeburg: 1. Mose, 8, 18ff: So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen se...