Samstag, 13. Dezember 2025

Worte die in die Wüste fallen...

Predigt zum 3. Advent in Stendal




Predigttext: Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, 4 wie geschrieben steht im Buch der Worte des Propheten Jesaja: »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben! 5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden, 6 und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.« 7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. 9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun? 11 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso. 12 Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold! 18 Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und predigte ihm. (Lukas 3, 3-14.18)


Was sollen wir tun?

…in persönlichen, weltweiten, regionalen, kirchlichen Veränderungen, Krisen, Umbrüchen.

Was sollen wir tun ?

…auf dem Weg mit uns selbst, mit unserer Unzufriedenheit, fehlender Selbstliebe, in Unruhe.

Was sollen wir tun?

… mit dem adventlich-blinkenden elektrischen ‚Licht der Welt‘ vor dem Fenster und noch so viel Sehnsucht übrig.

Was sollen wir tun?

.. in Fragen, die wir noch nie hatten und Wegen, die wir nicht kommen sahen und Ungewissheit.

Was sollen wir tun?


Das sind Worte, die in der Wüste fallen.


Was sollen wir tun, Johannes? fragen ihn die Leute.

Immer wieder.

Die Leute, die Zöllner, die Soldaten fragen.

 Der Alltag, das Geld, der Krieg fragt.

Die Zweifel, der Wohlstand, die Gewalten fragen.

Was sollen wir tun? 

Fragen, die in der Wüste fallen. Echte Fragen. Lebensdringlich.

In der Wüste, in der Johannes steht und mit den Leuten redet, die etwas finden an seiner Art zu glauben:  nämlich, dass sich Menschen und die Welt wirklich ändern können. 

„Umkehr“ ruft Johannes. Er ruft es in alle Richtungen.

Das Hohe soll flach und das Tiefe soll erhört werden, das Krumme gerade, das Holprige eben in Deinem Leben. Das mühsalwilde in Deinem Kopf soll zur lichten Ruhe werden, das grundtraurige Deiner Tage zum hellen Gesicht, das Du in den Himmel hältst. Umkehr. Zum Besseren. Es ist möglich.

Die wenig haben sollen bekommen und die Macht haben, sollen vorsichtig damit sein. Umkehr. Zum Besseren. Möglich.


Worte, die in die Wüste fallen. 


Die Wüste ist ein Ort, der inneren Leere und Suche.

Sie ist ohne Orientierung nicht zu bewältigen. Sie ist ein Ort, wo Du unbedingt finden musst. Alle kennen Wüstenzeiten. Fragen. Abschiede. Unglücklich sein. Einsamkeit. Die Welt kennt Wüste: Gleichgültigkeit, Gewalt, Verschwendung, Vergessen, Armut heißt sie da. 


Was sollen wir tun? fragen die Menschen Johannes, der gekommen ist, um Jesus den Weg vorzubereiten. Eine innere Vorbereitung auf was ganz Großes. So wie Advent. So wie Heil sein. So wie erlöster sein. Umkehr. Zum Besseren. Möglich.


Nur der Ton, der Ton ist ungewöhnlich. Man stelle sich vor, ich würde Dir von dieser Umkehr erzählen wollen. Ich würde es schon freundlich machen. Ob ich Dich vielleicht überzeugen kann, dass Plätzchenbacken und Kränze binden nicht alles sind, dass es nicht reicht, sich dem Christsein zugehörig zu fühlen, dass in inneren Wüsten Antworten warten und dass das Evangelium Klarheit von Dir verlangt, dass es nur stattfindet, wenn es sichtbar ist an unserem veränderten Menschsein. So viel hängt da dran. Am Getauftsein. So viel Echtsein, dass wir Dinge zum Besseren wenden wollen. Und daran glauben. 

Willst Du nicht mal? würde ich fragen. Wär schon gut. Findest Du nicht auch ein stückweit? Denke doch mal drüber nach. 


Nicht so Johannes. Ihr Schlangenbrut. Ihr Spinner! schreit er die Leute an, die gekommen waren, um sich taufen zu lassen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Mach den Weg bereit für den Herrn, ebnet ihm die Straße. Und Ihr, Ihr Scheinheiligen. Kommt endlich aus dem Knick. Aus der Wüste musst Du hinaus wollen wieder zum frischen Wasser des Lebens. Geh!


Im Normalfall würde ich bei so einem Typ gehen.

Ich wäre raus. Will die Leute gewinnen und taufen und brüllt sie erstmal zurecht. Johannes!!? Komisches Konzept!


Und dann sehe ich doch mich, uns. So manches Mal verzagt. Eigene Veränderungen hinausschiebend. Vertröstend. Halbherzig. Zaghaft. Niemand auf den Schlips treten. Keinen verstimmen. Immer alle mitnehmen. Ich sehe meine inneren Fähigkeiten, mich selbst auszutricksen, wenn es darum geht, einen ersten Schritt zu tun oder endlich etwas zu beenden, einzuschreiten, die Wahrheit zu sagen, nicht im Selbstmitleid zu stranden in einer Wüste.


Was sollen wir tun?


„Es ruft eine Stimme: 

In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, 

macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 

Siehe, da ist Gott der Herr! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen.“  (Jes 40,3.10, Wochenspruch 3. Advent)


Und mir fällt auf, wie dringlich so vieles in der Bibel formuliert ist. Damit sich für mich was ändern kann. Über Jesus prangt wie ein Ausrufezeichen ein Stern.

Und so wandert nur mit allen der Ausrufezeichen- Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr. Wort, die in jede Wüste fallen, Worte zum Auswandern aus allen Wüsten. Worte für die, die Wege bereiten, sich und anderen und Gott. Worte die Dich bewegen wollen. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. 


Sonntag, 30. November 2025

Sternenhäuserbauen....

Predigt zum 120 Jubiläum 

der Lutherkirche in Stendal Röxe und zum 1. Advent

Hände hoch, wer in diesem Jahr schon das Foto von einem Sonnenauf- oder untergang gemacht oder sogar gepostet hat…. Hach. Es verzaubert mich immer wieder.




Manchmal schreibe ich jemanden: Guck mal, der Herrgott zaubert schon wieder am Himmel. Als seien es Grüße direkt von Gott. Manchmal denke ich wirklich, der macht das doch extra! Wenn der Tag für mich beginnt am Morgen und ich weiß noch nicht, was das für ein Tag wird und er schickt kleine weiße zaghaft rosa Wolke oder ein Lichtfeuerwerk am Horizont. An Schönheit kaum zu überbieten und ich weiß, der Tag kann kommen. Oder nach einem langen Tag und ich bin müde, wie dann so ein feuerrotes Lichterspektakel lauter Milde und etwas Warmes in diesen Tag dazulegt. 

 

Oder jetzt. Die Lichterketten anbringen, die Kerzen auf den Tisch stellen, eine Kranz vielleicht. Durch die Straßen gehen, die Lichter sehen. Das hat eine Wirkung auf mich. Und immer finde ich, es kommt keine Sekunde zu früh. Das Jahr hat so viele ernste Themen gehabt und viele Menschen sind gerade so in Aufruhr. Jetzt bitte Licht. Und zwar von dem Licht, das man extra aufstellt, nur damit es die Welt heller macht. 
Auf so eine Art riesen Sonnenaufgang warteten die Freundinnen und Nachfolger von Jesus damals mit unbändiger Ungeduld. Erst dachten sie, Jesus würde ganz schnell wieder auf die Erde kommen, würde vielleicht immer mal auf Besuch kommen oder mit Blitz und Donner und die ganze Erde verwandeln. Wer weiß? Und dann merkten sie: das dauert noch. Wir werden das Leben hier auf der Erde gemeinsam gestalten müssen. Wir müssen aber in dieser Zeit sichtbar werden lassen, dass wir an die Liebe Gottes glauben. Dass wir Jesus kennen, das sind nur die ersten hellen Strahlen vor dem großen Sonnenaufgang. Und statt dazusitzen und zu warten, dass irgendetwas mit dieser Welt passiert, sollten wir selbst dieses Licht vermehren. Das wäre das einzig richtige bis Jesus kommt. Nicht dasitzen und der Dinge harren, die Welt der Finsternis überlassen, sondern aufstehen und losgehen, Licht werden, Licht verbreiten. So gut es uns möglich ist. Hat uns Jesus nicht genau dazu ermächtigt?

 

Paulus schreibt einigen von ihnen damals, dass sie damit auf dem richtigen Weg sind, dass sie Jesus erwarten und gleichzeitig Licht sein können: (In Eurem Leben…) „Bleibt niemand etwas schuldig – außer der Schuld, die ihr niemals abtragen könnt: der Liebe, die ihr einander erweisen sollt. Wer den Mitmenschen liebt, hat alles getan, was das Gesetz fordert.Ihr kennt die Gebote: »Brich nicht die Ehe, morde nicht, beraube niemand, blicke nicht begehrlich auf das, was anderen gehört.« Diese Gebote und alle anderen sind in dem einen Satz zusammengefasst: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.«Wer liebt, fügt seinem Mitmenschen nichts Böses zu. Also wird durch die Liebe das ganze Gesetz erfüllt. Macht Ernst damit – und das erst recht, weil ihr wisst, was die Stunde geschlagen hat! Es ist Zeit für euch, aus dem Schlaf aufzuwachen. Denn unsere endgültige Rettung ist nahe; sie ist uns jetzt näher als damals, als wir zum Glauben kamen.Die Nacht geht zu Ende, bald ist es Tag. Deshalb wollen wir alles ablegen, was zur Finsternis gehört, und wollen uns mit den Waffen des Lichtes rüsten.Wir wollen so leben, wie es zum hellen Tag passt.“ (Röm 13, 9-12 / Gute Nachricht)

 

Ganz verloren wirkt die Welt manchmal gerade auf mich. Erschöpft. Orientierungslos. Auf der Suche. So sehr auf der Suche, wie ich das nie empfunden habe. Dafür müsste man auf Märkten und in Landtagsgebäuden, in Schulen und in Krankenhäusern gerade kleine Räume bauen. Räume zum zuhören, Umarmen, Trösten, Mutmachen, Aufrichten, Anlächeln, Satt machen, Festhalten.

 

Vor 120 Jahren haben es Menschen an dieser Stelle hier in Stendal getan. Sie haben neben die Geschäfte und Wohnhäuser, neben Schulen und Werkhallen einen Raum gebaut für Menschen, dass sie dort aufgerichtet werden; Eure Kirche. Damit Menschen dort feiern können, dankbar lächeln, getröstet heimgehen. Dieses ist ein guter Ort. 
Und wir? Und jetzt? Was bauen wir? Wo bauen wir? Sind wir da? Geht uns das was an, diese Welt da draußen, die so verloren scheint? Was sagst du, Gott? 

 

Schlage ich die Bibel auf, dann lesen ich Worte wie heute: 
Wer liebt, fügt seinem Mitmenschen nichts Böses zu. 
Es ist Zeit für euch, aus dem Schlaf aufzuwachen.
Bleibt niemand etwas schuldig, vor allem nicht die Liebe.

 

Heute am 1. Advent beginnt unsere alljährliche geistliche Gymnastikübung: Jesus erwarten. Das kann man gar nicht oft genug einüben. Denn wir merken vielleicht dadurch ob uns Gott näher oder ferner geworden ist. Manche erinnern sich nur in dieser Zeit an ihren Glauben. Viele spüren etwas Sehnsuchtsvolles, würden es nur zaghaft Glauben nennen. Und manche entdecken diese Zeit für sich, um ihren Glauben zu stärken. 

 

Am Ersten Adventssonntag erzählen wir uns immer die Geschichte, wie Jesus in Jerusalem einzog und es stellt sich die Frage: wie kommt Jesus heute rein ins Leben?
Denn was die Gemeinden damals auch lernten, ist: Natürlich kommt Jesus immer wieder zu Besuch. Fast zum Greifen nah steht er zwischen uns an Gräbern, hält seine Hand über unsere, wo wir Hände drücken oder im Leid festhalten, funkelt geradezu aus unseren Augen, wo wir tiefe Freude und mehr mit einander teilen. Jesusmomente!! Aufgehendes Licht in unserem Leben. Aufgehendes Licht am Himmel verdrängt die Dunkelheit der Nacht. Spürbares Licht mitten im Leben verdrängt die Finsternis der Welt. Gemeinde Gottes sein heißt für mich darum: strahlen. Dunkelheit der Welt verdrängen.
Deshalb wollen wir alles ablegen, was zur Finsternis gehört, und wollen uns mit den Waffen des Lichtes rüsten.Wir wollen so leben, wie es zum hellen Tag passt“ oder wie Luther übersetzt: „Lasst uns alles ablegen, was die Finsternis mit sich bringt. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist schon nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ Wort Gottes für diese Adventswoche!
„Und das tut von euch aus, weil ihr die Zeit erkannt habt, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf.“

 

Das heißt: Jetzt bitte Licht. Und zwar von dem Licht, das man extra aufstellt, nur damit es die Welt heller macht. 

 

Das heißt: Werdet Ihr sichtbares Licht! Werft mit dem Licht der Welt um Euch! Gott hat seine Liebe dämmern lassen. Jeder und jede von Euch kann ein Strahl seiner Liebe sein, wo Ihr sie lebt. Konkret in der Nachbarschaft, auf der Arbeit. Klein im Lächeln und Zupacken. Groß im Beten und laut von Gott sprechen, von der Liebe sprechen, davon, dass wir viel erwarten dürfen. Machmal kann es ganz klein sein.

 

Einmal bastelte ich zu Beginn des Advents einen Haufen bunter Sterne. In der Nacht ging ich zur kleinen Bushaltestelle im Dorf. Ich klebte alle Scheiben der Bushaltestelle mit Sternen voll. Am nächsten Morgen sah ich aus dem Fenster, wie die vielen Schulkinder staunend davor standen, wie sie lächelten. Ich sah die älteren Damen in einem Häuschen voller Sternenlicht stehen, wenn sie in die Stadt fuhren. Solche Hütten brauchen wir. Hingebastelt oder hingeliebt. Aus kleinen Gesten und echtem Dasein, aus Aufmerksamkeit und Wärme. Mitten bei denen, die suchen. Und wir brauchen diese Hütten auch. Darum sind wir hier im Licht Gottes. Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.


Samstag, 1. November 2025

... wie gut das Ankommen ist....

Predigt zum Ordinationsjubiläum 

in Magdeburg:

1. Mose, 8, 18ff: So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. 




Ich denke: sie waren richtig ungeduldig am Ende, Herr und Frau Noah und die ganze Sippe in ihrer Arche. Eine so lange Zeit waren sie eingesperrt, dem Wind und den Wellen ausgeliefert, einer Katastrophe in die Hände gegeben und wussten nicht, wann Ihr Leben wieder Normalität haben würde und geordnete Bahnen, Verlässlichkeit und Lebensfreude. Weil Leben heißt sich regen, weil Leben wandern heißt und nicht Stillstand.


Da erinnerte sich Gott, heißt es, und die Wasser fielen und Vorfreude kam auf. Und doch: Woche um Woche nur fiel das Wasser. Woche um Woche nur trocknete es langsam. Woche für Woche nur kam das Leben wieder. Sie mussten endlos Geduld haben. Woche um Woche hielten sie Ausschau nach dem Leben. Und dann endlich war es soweit. Sie kamen an. Die Tore standen offen. Endlich wieder Normalität, Bewegung, Vorangehen, Ende der Krise. Und ein Versprechen:  „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Nach dieser Katastrophe wieder festen Boden spüren und Sicherheit mit Gottes Zusage, das war Ankommen dürfen aus dem Unsteten. Und seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in dieses gelobte Land.


Auch der berühmte Sohn hatte nicht mehr viele Schritte übrig, als wäre er einmal um die ganze Welt gelaufen. Er hatte alle Möglichkeiten des Lebens gekostet, war in alle Fettnäpfchen getreten, hatte alle Fehler gemacht, die möglich waren, hatte in der Traurigkeit festgesessen, in einer Sackgasse, sein Leben war nur noch eine Katastrophe, eine einzige Krise. Er hatte am Ende sein Leben vermisst und nun waren es nur noch wenige Schritte und am Horizont wurden die Umrisse sichtbar. Einer wartete. Der Vater mit den offenen Armen. Der Sohn, der ankommen durfte. Endlich. Die Tore stehen offen. Ein Ort zum Sein. Wo es weitergehen kann. Weil Leben heißt sich regen. Gott will, dass wir ein Segen für seine Erde sind. 


Auch andere gehen letzten Schritte und kommen an: Menschen, nach einer Katastrophe, nach einem überlebten Anschlag, wie in Magdeburg. Menschen, die auf einem Schlauchboot ihr Leben gerettet und nun Land unter den Füßen haben. Jemand, der nach völliger Ermüdung in der Klinik gelandet war und sie nun nach der Katastrophe wieder verlassen kann. Paare, die in einer Lebenskrise eine neue Lösung für ihr Miteinander haben finden müssen, manchmal die Trennung nach einer Zeit der Klärung. Oder eine, deren Leben durch eine schwere Krankheit auf des Messers Schneide stand und die danach in die seltsam unvertraut vertrauten Räume der eigen Wohnung zurück kehren kann. Oder wie die, die zu einem Grab aufbrachen um einen Toten zu salben und zurückkehrten und sagten: „Er ist auferstanden!“.


Ankommen nach einer Katastrophe. 

Ankommen nach einer Situation, 

die das Leben komplett überflutet hat.

Ankommen nach einem Weg durch wildes Gewässer.

Nach einem Weltuntergang.

Ankommen nach etwas, das man überstanden hat.

Ankommen und keinen Schritt weiter gewollt oder gekonnt, 

jetzt den Sonnenschein brauchen, einen Regenbogen, eine Umarmung Gottes.

Zurückgekehrte, Überlebende, Überstandene.


Ach Gott sei Dank! Hat die Bibel solche Bilder für mich. Sie tragen mich in allen Katastrophen des Lebens, wo es abbricht oder schlingert oder schwach wird, sich verändert, mir unvertraut wird, ins Ungewisse läuft. Gott sei Dank! Hat die Bibel solche Bilder für mich jetzt gerade in meinem Leben. Denn zum Leben brauche ich jeden Tag Mut. 


Schon aufbrechen in etwas Neues, Einsteigen in einen Beruf, eine Familie gründen, eine neue Stelle antreten, in den Ruhestand gehen, vielleicht erinnern Sie sich, schon die Hand einschlagen für einen Neubeginn braucht solchen Mut. Manches lange Durchhalten braucht solche Bilder, dass es ein Ankommen geben wird. Wo es nicht voran ging im Leben und Beruf.  Wo es Widerstände gab. Wo es nicht nur einfache Erfahrungen gab mit der Familie, dem Umfeld, der Gemeinde, der Kirche, den Vorgesetzte, den Kollegen, dem Staat.


Alles das leben und schaffen zu können - geht für mich nur mit diesen biblischen Bildern und mit Gottes Zusagen von Treue und Beständigkeit: Er wird sich erinnern. Es wird ein Ufer das sein, es wird ein Ankommen sein. Der uns in früheren Zeiten das Leben eingehaucht, der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht. Und so war es! Nicht immer kam man dort an, wo man landen wollte. Aber es gab ein Ufer. Es war möglich, einen Schritt heraus zu tun. Dankbar auf die Knie zu sinken, Danke Gott, vielmals Danke für alle Bewahrung, für alle Ideen und die Energie, für Begegnungen, für Bewahrung, für Wirksamsein. Ein Danksagen wie eine Umarmung Gottes, denn im Dank liegt schon das Sehen und das ganze Leben.


Ach Gott sei Dank! Hat die Bibel solche Bilder für uns, denn sie sind das Prinzip der unumstößlichen Hoffnung. Einer Hoffnung, die manchmal irre erscheint, wenn man sich die Welt anschaut oder im Leben eine Krise erlebt. Diese Bilder vom Ankommen selbst nach einem Weltuntergang und dem auf mich wartenden Gott, sind kontrafaktisch, sie widersprechen der Logik und dem Istzustand. Und gerade darum haben sie eine unbändige Kraft der Hoffnung. Sie bringen uns auf den verrückten Gedanken, dass es sich für diese Welt zu beten lohnt, um Heilung, um Wendung der Herzen der schlimmsten Diktatoren und für Land unter den Füßen aller Bedrückten. Weil solange die Erde steht es nicht aufhören wird das Leben. Gottes Souveränität ist unverrückbar unabhängig von Dir und mir. Ein Raum der Liebe, den er setzt, sodass wir aufbrechen und leben und immer immer ankommen können. In jeder Phase unseres Lebens. Nach heftigem Wellengang und mit einem letzten Schritt. Hoffnung für uns ist das. Für unsere Gesellschaft, für diese Welt. Eine irre, verrückte Hoffnung des immer wieder Ankommens und Gott hat diese Hoffnung besiegelt. Das ist Hoffen auf einen Gott, wie wir es am Beginn des Gottesdienstes gesprochen haben: Der Bund und Treue hält ewiglich und nicht loslässt das Werk seiner Hände.


Und noch ein Letztes: lange Zeit hatte ich ein Missverständnis in dem Lied: Vertraut den neuen Wegen. Da heißt es: "Seit leuchtend Gottes Bogen..." und ich habe das immer von Herzen als Imperativ gesungen, als eine Aufforderung. „Seid“ mit „D“ = Ihr Menschen: Seid leuchtend  Gottes Bogen!!  Erst vor einiger Zeit fiel mir auf, dass es eine Zeitbestimmung ist. Und doch will ich Euch das mitgeben als Ruf der Hoffnung, wenn Ihr es das nächste Mal singt, als welche, die vom Ankommen wissen und darum unverzagt leben dürfen, singt es als Aufruf, als Ermutigung: Seid leuchtend Gottes Bogen! Denn wir singen immer von Gott als Gerettete. Amen. 


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 


und stärke unsre Liebe. Amen.


Samstag, 25. Oktober 2025

... von der Sehnsucht dass da ein Mensch sei...

Predigt in Wittenberg 

über unsere mächtigen inneren Muster

Da wohnt ein Sehen tief in mir

nach Beherztheit und Ganzsein.

In Zeiten wackelnder Gewissheiten

und sich auflösender Vertrautheiten

der Welt.


Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 

Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda.

 Dort sind fünf Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte.




























Wir sind die, die in Hallen liegen,

bewegungslos manchmal,

festgenagelt am Faktischen und nicht hochkommen

dahin wo Heilung und Änderung ist.


Krank vor Angst vor den Kipppunkten von diesem und jenem, 

blind von der Fülle der unheilsamen Bildern dieser Tage, 

lahm vom schnellen Alltag,

ausgezehrt vom immer neu sich-Hoffnung-aufbauen-müssen.

Die Hallen des Alltags sind voll

von Menschen mit Hoffnung auf Heilung.

Wir warten.

Wir rotten uns zusammen,

alle in ihrer je eigenen Halle natürlich,

mit ganz unterschiedlichen Hoffnungen für diese Welt.

Die Hoffnung nach Leichtigkeit, die vom Himmel fällt.

Die Hoffnung auf ein Wunder, das einfach von selbst kommt.

Als könnte ein Einzelner oder ein Volk in einen See steigen

und der würde abwaschen alle Geschichte und

alle Not, alles innerliche Erbe, den Schmerz 

und alle Verantwortung, alle Entzweiung, alles, was gerade so kompliziert ist.

Ein Wundersee. 

Und wir rennen und versprechen uns Heilung,

Alternativen, Lösungen, Ordnung, Verständigung. 


Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, 

der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; 

in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. 

Es war aber dort ein Mensch, der war seit achtunddreißig Jahren krank.


38 Jahre, 40 Jahre, 35 Jahre Frustration.

Wieder geht der Kelch an uns vorüber,

Das Leben hat nur Fausthiebe.

Mir hilft keiner sagt sie.

Mich versteht niemand, sagt er.

An mir geht das Glück vorbei - wieder sie.

Die anderen haben immer die Nase vor - er.

Das hier zerfrisst meine Lebensfreude, sagt sie.

Und sie gönnen einander nichts da am See.

Ihr Lamentieren „Hier ist ja kein Mensch“, „Immer ich“

und „Niemand denkt an mich“, „Keiner hilft mir“ 

ist wie liegenbleiben im eigenen Leben,

nicht herauskommen, 

oft auch nicht können, aus dem Gedankenkarussel,

das unselig ist und unheilig,

das kränker macht.

Die müde Gesellschaft,

die erschöpfte Gesellschaft,

die die in Blasen lebt,

Matt vom Anpassen, Protestieren und Kämpfen,

vom Gutseinwollen oder vom Böseseinwollen,

und andasGuteglauben und Verschwörung-sehen.

Und ich und Du sind irgendwie auch nicht weit weg, 

manchmal nah bei denen, die liegen bleiben

auf ihren Meinungen und allen Irrtümern

über sich und die Welt.


Bodo Wartke singt in einem Song 

über das nicht-herauskommen 

aus den Gewohnheitshamsterrädern des Lebens:


Die Muster sind mächtig

und das nicht zu knapp 

und man legt sie erst recht nicht

einfach so ab

Die Muster sind mächtig

und ziemlich robust,

uns ist das tatsächlich 

nur selten bewusst


Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, 

der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; 

in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. 

Es war aber dort ein Mensch, der war seit achtunddreißig 

Jahren krank. Als Jesus ihn liegen sah und vernahm, 

dass er schon so lange krank war, spricht er zu ihm: 

Willst du gesund werden?


Willst Du?

Ich meine jetzt Dich, die oder der Du hier sitzt.

Willst Du?

Gesund werden?

Und Du da draußen „mir hilft ja keiner“ - Mann?

„Da ist ja kein Mensch“ - Frau?

„Früher war alles besser“ - Nachbar?

und alle die aufgegeben haben?

Willst Du gesund werden?

Wohnt da ein Sehnen tief in Dir?

Nach Gott? Ihn zu sehn im Alltag, ihm nahe zu sein?

In Sorge, in Schmerz?


Jesus nimmt den Tonarm von der sich drehenden Platte,

die sich dreht seit 38 Jahren und leiert:

„Jemand müsste doch mal …mich zum See tragen“,

und „ich kann sowieso nichts ändern“.


Die Muster sind mächtig

und das nicht zu knapp 

und man legt sie erst recht nicht

einfach so ab



Jesus bringt Klarheit

er nimmt dem Menschen den Grund,

weiter liegen zu bleiben.

Jesus streichelt oder pustet diesmal nicht zart über alles drüber.

Er rüttelt wach,

er gibt einen Stoß, vielleicht einen Anstoß.

Er weiß, dass es Zeiten gibt,

wo die Hoffnung wie weg scheint und 

alle Berge und Hirten und Schirm und Schild nicht helfen.

Wo Du und ich einen Stupser brauchen und Klarheit.

Was ist jetzt mit Dir? Liegenbleiben oder Aufstehen?

Darum heißt der Ort „Bethesda“, zu deutsch: Ort der Gnade. 

Keine Ausreden mehr. 

Kein Klagen wie gestern und vorgestern und die Tage davor.

Ein Mensch nimmt nach 38 Jahren

die Matte seiner Mattigkeit und steht auf.

Er bekommt nichtmal mit,

wer ihm das getan hat.

„Keine Ahnung, wer das war.“, sagt er oder sie später.

Jesus durchbricht die Muster,

das kann er mit seiner Kraft.

Was er tut, scheint den anderen irgendwie illegal.

Er beweist ihnen das Gegenteil zu ihrem Satz: 

"Ich habe ja keinen Menschen!“


Die anderen am See sehen sich um.

Da ist einer auffällig unangenehm glücklich.

Für den hat sich etwas im Leben geändert.

Das gönnen sie ihm nicht,

Jesus hat zwischengefunkt in ihre Muster

des Liegenbleibens und Abwartens,

in ihre Idee von Unmöglichkeit,

in ihre Gewissheit von Beschränkung.

Er kann doch nicht einfach etwas tun, 

von dem wir dachten, das ginge überhaupt nicht!

Hier wird der Reihe nach geheilt!


Spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? 

Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, 

der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; 

wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. 

Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! 

Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. 


Jesus nimmt Dir den Grund liegen zu bleiben.

Er fragt dich jeden Morgen so wie Du bist:

„Willst Du?“

„Steh auf!“

„Hilf mir, 

hier und da aufzuhelfen, 

was liegengeblieben ist,

denen die es an den Boden drückt,

die denken da sei kein Mensch.


Die Muster sind mächtig

und das nicht zu knapp 

und man legt sie erst recht nicht

einfach so ab

die Muster sind mächtig

und ziemlich robust

uns ist das tatsächlich 

nur selten bewusst


Wie kommt es nur, dass man so frohgemut

immer wieder ins Verderben rennt

man tut halt selten das, was einem gut tut,

eher das, was man gut kennt

(aus dem Lied von Bode Wartke: „Die Muster sind mächtig“)


Bethesda ist keine romantische Heilungsgeschichte

sie erzählt von unserem Festhalten 

und ruft heraus aus allen Hallen

aller Muster, die wir pflegen,

und die ohne Leben sind.

Jesus kann einfach etwas tun, 

von dem wir dachten, das ginge überhaupt nicht!

Vielleicht auch wir.

Bethesda erzählt, dass es  Orte der Gnade gibt

wo Heilung und Hoffnung geschehen.

Bethesda sagt Dir, dass Jesus Dich anspricht.

Vielleicht bist Du diese Woche die Person, 

die ganz konkret jemanden anspricht. Amen.



Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 


und stärke unsre Liebe. Amen.

Worte die in die Wüste fallen...

Predigt zum 3. Advent in Stendal Predigttext: Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der...