Montag, 6. Januar 2025

... von Taschensternen und Kamelgeschwindigkeit

Predigt zum Dreikönigstag in Gardelegen

...in einem Neustart- Gottesdienst, in dem neu zu einem Pfarrbereich zusammengelegte Gemeinden ihren zukünftigen gemeinsamen Weg liturgisch beginnen und sich anschließend zu einem großen Mahl treffen... 

Predigttext ist die Geschichte der drei Weisen - Matthäus 2, 1-12



Wo geht’s denn eigentlich hin mit uns?

Wo geht’s denn hin mit uns … als Gesellschaft?

Wo geht’s da gerade hin?

Und mit unserer kleinen Gemeinde?

Mit unserer Kirche hier im Ort, in unseren Orten?

Wo geht’s da hin? 

Mit unseren kleiner werdenden Gemeinden  

mit den noch verbliebenen Christen?

Welchem Stern laufen wie hinterher?

Wo wäre Stabilität zu finden,

wo der richtige Stern,

der, obgleich die Welt gerade wie blöde herumspringt, 

mich gelassen sein ließe, ohne Angst.


Ich stell mir vor, das ginge zu annoncieren.

Eine riesen Annonce. Großdruck, eine ganze Seite.

Hier in der Volksstimme:

3 Weise Menschen gesucht, die den Weg kennen...

bitte melden Sie sich im Pfarrbüro, 

beim Bürgermeister, beim Landrat, beim Gemeindekirchenrat.!!"


Schön wärs. Aber so wird es nicht sein.


Du wirst Dich, Ihr werdet Euch selbst auf den Weg machen müssen. 

In Gemeinden und Orten. In unserer Gesellschaft und in unseren Kirchen. 

In Deinen Beziehungen und in Deiner Familie. 

Du wirst Dich, Ihr werdet Euch selbst auf den Weg machen.


Der alten Geschichte von den drei weisen Männern, 

seien sie  Gelehrte oder Könige, die einfach loszogen wegen… 

einem Stern … 

und lange unterwegs waren und beim falschen König ankamen 

und am Ende die Antwort fanden… 

dieser Geschichte können wir da eine Mengen abgucken. 

 

Und das fängt ganz am Anfang an:


   Nicht warten, dass sich etwas bewegt, sondern sich selbst bewegen. 

Sich bewegen von da, wo man eventuell schon länger feste steht. 

Sich aufmachen. Etwas wollen. Von selbst. Nicht weil es jemand sagt. 


   Damit rechnen, dass es ungemütlich wird. Länger dauert. 

Geduld haben. Langen Atem. Kamelgeschwindigkeit. 

Eines trottenden Kamels manchmal...


   Damit rechnen, dass Ziel nicht direkt neben dem Alten und Bekannten liegt. 

Sondern ganz woanders. Die drei hatten eine weite Reise. 

Ich weiß nicht, ob sie mit diesem langen Weg gerechnet hatten.


   Und: nicht alleine losmachen, sondern Verbündete suchen für eine Sache. 

Welche die genauso und genügend verrückt sind, einer Sache nachzugehen. 


   Und: mit allem rechnen. Vor allem mit Unvertrautem. 

Keine Angst davor zu haben. Und vielleicht noch nichtmal einen Plan, 

weil es noch nie jemand so gemacht hat. 

Noch nie jemand in dieser Situation war. 

Jeder Rat von oben und außen vielleicht gar nicht passen würde. 

So wie jetzt war die Welt und war unser Kirche noch nie.


   Außerdem: Man müsste damit rechnen, auch mal komplett 

am falschen Ort anzukommen, 

weil so ein Palast natürlich erstmal attraktiv ist und offensichtlich. 

Das sieht gut aus, draufzu!! 

Das haben die Drei gelernt: damit zu rechnen, dass das Ergebnis 

der eigenen Suche nach Lösungen am Ende  weniger attraktiv sein könnte 

und kaum offensichtlich - so wie ein Stall. 

Aber doch die Rettung.


   Wir könnten von der Geschichte lernen, damit zu rechnen, 

am falschen Ziel zu landen und uns neu motivieren zu müssen, völlig neu justieren. 

Das macht auch mal Frust. Wir sollten schauen - wohin mit diesem Frust, 

damit er uns nicht auffrisst.


   Wir können lernen: an die eigenen Grenzen zu  geraten 

und nicht mit Angst und Aggression zu reagieren, sondern interessiert. 

Realistisch. Nachfragend. 

"Hier also geht es nicht weiter. Gut, dass ich das weiß, lass mal schauen, 

wo es dann weiter geht. Dann renne ich hier mal nicht vergeblich weiter. 

Vielleicht brauche ich auch mal eine Verschnaufpause. Vielleicht Entlastung." 


   Wir lernen von den Dreien: sich helfen zu lassen von anderen Weisen. 

Zuzugeben, dass andere Rechter haben können als ich. 

Ihre schräge Idee für möglich halten. Erstmal probieren vor dem Ablehnen. 

So wie im Palast die Schriftgelehrten nochmal für die drei Weisen nachlasen. 

Sich selbst plötzlich erinnerten an das Eigene. An die eigene Verheißungen. 

Unfassbar, was diese Reise der Drei um sie herum ausgelöst haben mag 

und in den anderen, sie haben eine Spur gezogen, 

die sie vielleicht nichtmal ahnten. 

Andere, die ermutigt wurde, weil sie mutig und unerschütterlich waren. 


   Und sie sind nicht müde geworden im Hoffen. 

So sehr waren sie sich sicher, dass das, wo ihr Herz für brannte, 

existierte und zu finden sei. 

Dass der Weg sich lohne, auch der Umweg, 

auch der Irrtum, auch die Ratlosigkeit, 

auch das Neuanfangenmüssen.


   Sie lernten selbst, dass man andere nach der Verheißung fragen kann 

und sie sich sagen lassen kann. Das man gute Verheißungen teilen kann, 

dass die alten Worte der Schrift plötzlich in einer Lebenssituation den richtigen Weg weisen. 

Dass Gott wirklich leitet.

 

   Auf die Frage: Wo geht es hin mit dieser Welt?

Wo geht es hin mit unserer geliebten kleinen Kirche? 

Wo gehts es hin in diesen wilden Zeiten? 

Darauf hat die Bibel keine Antworten und ich auch nicht. 

Das geht auch gar nicht. 

Denn das Leben hat manchmal verrückte Wendungen, 

die kannst Du Dir gar nicht ausdenken.


Was die Bibel aber weiß ist: Das dass nicht der Punkt ist. 

Noah im Bauch des Walfisches, Maria mit einem unehelichen Kind im Bauch...

sie hatten keinen großen Plan, was kommt. 

Sie hatten aber diesen Stern. 

Sie hatten diese Verheißung. 

Sie hatten Vertrauen. 

Sie hatten einfach Gott. 

Sie glaubten fest daran. 


Und dieser Spur sind sie gefolgt. 

Dort fanden sie Antworten: woher ihre Kraft käme, 

wo ihre Nächsten seien, wie die Liebe zu leben sei. 

Das fanden sie dort. 

Sogar Menschen, die nur ahnten, dass es Gott geben könnte 

und die ihn erst entdeckten, haben diese Kraft gespürt. 

Unsere Vorfahren haben diese Kraft gespürt. 


Sie ist so etwas wie eine Art Taschenstern. 

Dein Glaube ist ein Taschenstern. 

Der Dich erinnert dass Gott Dich erlöst und trägt. 

Der Euch erinnert, dass Ihr Eure Gemeinschaft und Euer Gebet braucht. 

Vielleicht jetzt wie nie zuvor.


Und mit dem in der Tasche können wir schauen: 

uns anfangen zu bewegen, 

Zeit einplanen, 

mit andere zusammen tun, 

nicht alleine dastehen, 

uns nicht scheuen lassen von falschen Versuchen und noch nie Dagewesenem, 

uns helfen lassen, 

uns Atempausen genehmigen, 

und das Licht der Hoffnung nicht ausgehen lassen, 

es einander wieder anzünden. 

Glauben, dass es sich lohnt. 

Das alles ist eine Kraft, die ist neben aller Logik und allen Fakten da.

Wir haben sie zusätzlich.

Damit kann man etwas anfangen!


Das ! lasst uns heute mitnehmen 

und dann auf die Kamele steigen. Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. Amen.




Sonntag, 1. Dezember 2024

... vom Rankeln und Wurzeln

 Predigt zum Winzergottesdienst 

und 1. Advent in Laucha / Unstrut



In all der Unsicherheit dieser Zeit

würde ich gerne soetwas wie Ranken haben.

Ihr wisst schon, diese 

winzigen dünnen räkelnden kringelnden 

hartnäckigen umschlingenden Ranken.

Habt ihr schon mal wilden Wein 

von einer Hauswand gerissen?

Oder die abgeschnittenen Reben vom 

Rankel-Draht?

Diese winzige kleine Pflanze!

Da hängst du dran wie ein Schluck Wasser.

Mit unscheinbaren kleinen Fäden

sucht sie Kontakt, wo sie nur kann.

Sie wickelt und saugt sich fest.

Sie sorgt für Halt gegen Stürme und Schwere.

In all der Unsicherheit der Zeit

würde ich gerne so etwas wie Ranken haben,

mich festwickeln an guten Worten,

Kontakt suchen, um Sicherheit zu spüren,

Halt für alle Stürme und Schwere meines Lebens.


Zu anderen bräuchte ich als Pflanze etwas Abstand,

dass mir das Leben und das Leben der anderen

nicht so auf die Pelle rücken, sodass ich kaum noch atmen kann, 

sodass ich mich nur noch um die anderen und ihre Belange kümmere, 

sodass die Pflanzen der anderen so viel Schatten auf mich werfen 

und mir das Wasser abgraben. 

Auf dem Weinberg stehen sie in gutem Abstand. 

Um sich nicht anzustecken.

Um gute Frucht bringen zu können.

Um genug nährendes Licht und stärkenden Regen abzubekommen.

Das brauche ich auch für mich.

Ich mickere förmlich vor mich hin, 

wenn ich nicht genügend Raum für mich selbst habe,

wenn mir andere zu nahe kommen, 

wenn ich keinen wirklichen Platz eingeräumt bekomme. 


Pandemien und gar nicht so ferne Kriege und Unsicherheit 

sind über mich Pflanze die letzten Jahre hinweg gegangen,  

das hat schon gerüttelt an meinem Leben. 

Und meine Ranken haben geschaut, wo sie einhaken können, 

wo sie sich fest herum wickeln können, damit es mich nicht herausreißt. 

Ich habe manchmal aufgeatmet,

dass ich noch so da stehe 

und nicht kaputt gegangen bin.

In so manchem weltlichen und privaten Chaos.

Irgendwie…

hab ichs geschafft.

Du auch, oder?

Du hast es auch geschafft, hast Dich irgendwo dran festgehalten. 

An einem guten Zu Hause. An denen, die Dir lieb sind. 

An dem, was Du gerne machst. An dem, wo Du Dich sicher fühlst. 

An Schönem auch, auch daran kann man sich festhalten, 

an Musik und ganz sicher auch mal an einem guten Glas Wein. 


Und doch kann es passieren, dass die Pflanze - 

nicht richtig festgebunden… in die falsche Richtung gewachsen… 

krank geworden… in einen unerwarteten Sturm geraten… 

mal abfällt von der Wand, vom Gerüst, von dem, was sie hält.


Denn Wein ist eine Kletterpflanze, 

sie braucht ein Stützgerät in irgendeiner Form, 

künstlich oder natürlich, das sie hält. 

Aufrecht hält, denn sie selbst 

kann ihre großen schweren Früchte nicht alleine tragen. 

Sie würde abknicken, einknicken, verkrümmen, 

herunter hängen, nicht mehr aufrecht sein.

So wie ein Mensch ohne Halt. 

Diesen Halt den suche ich in meinem Leben.

Ich finde ihn in der Liebe, in dem, was ich mir aufgebaut habe, 

dann, wenn ich was gestalten kann  - aufrecht sein kann, ohne Gefahr zu knicken.

Aber so ist es nicht immer.

Es kann schon passieren, dass es mir den Boden unter den Füßen weg reißt. 

Da helfen auch der Pflanze die überall herum gerankelten Ranken 

im schlimmsten Sturm nicht. 

Und es kann passieren, dass das Leben, 

die blöde Kuh, 

einfach Reben abknipst oder stutzt. 

Könnte passieren. Gott sei Dank, nicht allzu oft.

 

Und da kommt dieser Jesus ins Spiel.

Er ahnt, wie wild Dein und mein Leben werden können. 

Er ahnt, dass wir manchmal leichtfertig unterwegs sind. 

Er ahnt, dass die Ranken, die sich leicht um Vergängliches winden, 

nicht die totale Sicherheit geben. 

Er ahnt, dass Du und Ich, dass wir etwas Tiefes brauchen, 

ähnlich wie die immer tiefer werdenden Wurzeln eines guten Weinstocks, 

die mit dem Alter tiefer und tiefer werden. 

Um Dir und mir klar zu machen, 

wie er selbst uns stärkster Halt des Lebens sein kann, 

hat er uns dieses Bild mitgegeben: 

Den Weinstock.

Der Weinstock ist das, wo alles heraus wächst. 

Er kann gut 100 Jahre alt werden.

Jesus sagt: wenn Du mit mir durch Dein Leben gehst, 

kann ich für Dich den Halt bieten, den ein Weinstock seinen Reben, 

seinen Zweigen bietet, 

einen endgültigen Halt im Leben.


Einmal sagte Jesus zu seinen Freund*innen:

Bei mir ist es wie mit einem Weinstock.

Und mit einem Winzer.

Ich bin der Weinstock.

Gott im Himmel ist der Winzer.

Der Winzer ist ein besonderer Gärtner für den Weinstock.

Gott im Himmel ist ein guter Winzer.

Der gute Winzer sorgt gut für den Weinstock.

Der gute Winzer schneidet alle schlechten Zweige vom Weinstock ab.

Die anderen Zweige reinigt der gute Winzer.

Damit die Zweige gute Weintrauben tragen.


Jesus sagte zu seinen Freund*innen:

Ich bin der Weinstock.

Ihr seid die Zweige, die Reben

Ihr seid gute Zweige.

Weil ihr zugehört habt, wenn ich euch von Gott erzählt habe. 

Ihr seid schon fest mit mir verbunden.

Die guten Zweige müssen fest am Weinstock bleiben. 

Dann können an den Zweigen viele Weintrauben wachsen. 

Wenn die Zweige vom Weinstock abknicken, vertrocknen die Zweige. 

Dann können keine Weintrauben an den Zweigen wachsen.

Die vertrockneten Zweige verbrennen im Feuer.


Jesus sagte zu seinen Freund*innen:

Bei euch ist es wie bei den Zweigen.

Die Zweige müssen fest am Weinstock bleiben.

Dann wachsen an den Zweigen viele Weintrauben.

So müsst auch ihr mit mir verbunden bleiben.“


Ein starkes Bild und ein brachiales Bild.

Aber in der Bibel gehts immer um Echtes.

Hier geht es um Echtes.

Es geht um das was mich aufrecht hält

und es geht um das, was uns zusammen hält.


Du entfalte Dich als wärst Du eine wundervolle Pflanze, sagt Jesus. 

Ich bin der Stock, der Dir Wurzeln gibt für dein Leben 

und Rankeln für Deine Stürme, 

und Süße, Früchte, Wunderbares.


Und noch mehr:

Du bist ja nicht die einzige hübsche Rebe.

An dem Stock wachsen viele - Rebe um Rebe. 

Keine Rebe kann sich ihr Nebenrebe aussuchen.

Es wachsen viele. Nebeneinander. Miteinander.

Das ist noch ein zweites Bild, 

das Dich stärken soll an diesem Sonntag.

Dieses „bei-einander-sein“!

Nichts anderes hält diese Welt zusammen, 

als solch beinander-bleiben, 

weil wir aus dem selben Stoff sind und weil wir nebeneinander gestellt sind, 

wie Reben an einem Stock.

Nichts hat diese Welt je so voran gebracht und immer wieder erhalten - 

als das „zusammengehören“ der Menschen. 

Das gibt es. 

Es ist hier.

Jetzt gerade:

Das Nebeneinander-sein.

Das selbst-gehalten-sein

und einander-halten.

Wir haben es, damit 

diese Welt nicht bericht

nicht abreißt und abknickt.

Lebt es!

Sagt Jesus

Lebt es!

Amen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 

der halte unser Verstand wach und unsre Hoffnung groß 

und stärke unsre Liebe. Amen.


... von Taschensternen und Kamelgeschwindigkeit

Predigt zum Dreikönigstag in Gardelegen ...in einem Neustart- Gottesdienst, in dem neu zu einem Pfarrb ereich zusammengelegte Gemeinden ihre...