Sonntag, 4. August 2024

... vom nicht-ferne-sein

 Predigt in Halle am 4. August


Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt[3] und mit all deiner Kraft« Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« Es ist kein anderes Gebot größer als diese. Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen. (Markus 12, 28-34)





Ganz unten steht die himmelblaue stabile Plastebox und darüber hat er zwei vergilbte Bananenkisten gestapelt. Das rote runde Schutzschild aus der Ritterverkleidung steht wie ein Rad an der Seite. Oben lehnen zwei Pappen zusammen wie ein Dach. Ein Schuhanzieher, ein Nachtsichtgerät aus einer Kinderzeitung und ein paar alte Schrauben vervollständigen das ganze. Im großen Kuddelmuddel unseres Umzugs, zwischen Kisten und Erwachsenen ohne Zeit, Akkuschrauberdröhnen und gestapelten Möbelteilen sagt mein 4jähriger Enkel Noah leise: „Oma, ich habe uns ein Haus gebaut.“ Er strahlt und hopst davon.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schrittetun. 
Gib uns den Mut, voll Hoffnung, Herr, heute vonvorn zu beginnen.

Clara und Linda kommen nachmittags hierher, weil sie hier schaukeln können. Weil jemand freundlich ist. Weil hier niemand herumschreit. Weil es hier manchmal Essen gibt. Weil es aufgeräumt ist und sauber. Weil sie einfach was machen dürfen. Weil ihnen jemand zuhört, wenn sie mögen. Clara und Linda sind einfach gerne hier, weil hier ein Raum für sie ist und ihre Seelen tanken ein wenig Frieden. Würde man sie fragen, würden sie leise sagen: wir gehen zu denen von der Kirche.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schrittetun. 
Gib uns den Mut, voll Liebe, Herr, heute dieWahrheit zu leben.

Amira fand es mutig, überhaupt den ersten Ausbildungstag gekommen zu sein. Dass sie blieb, lag an Armin und seiner Hoffnung für sie. Er hat ihr zugehört. Ihr mit den Papieren geholfen. Ihr mit dem Jugendamt geholfen. Ihr mit dem Bankkonto geholfen. Sie nicht weg geschickt. Sie nicht ausgelacht. Sie ernst genommen. Sie wie einen Mensch behandelt. Sie zum Lachen gebracht. Sie erinnert und an sie geglaubt. Amira hat das Mut gemacht, durchzuhalten. Würde man sie fragen, würde sie leise sagen, Armin ist der Mann von der Kirche.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schrittetun. 
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, heute undmorgen zu handeln.

Werner sitzt hier einfach gerne. Es ist anders als auf den Bänken draußen mit den anderen auf der Straße. Hier ist der Ton nicht so rau. Hier ist es warm. Nicht nur äußerlich. Er kann in Ruhe essen. Fast wie ein normaler Mensch. Die Leute hier kennen ihn. Ist fast wie eine Familie. Ohne diesen Ort wäre sein Leben nicht mehr viel wert. Das ist sein Anker. Hier das ist von der Kirche, würde er leise sagen, würde man ihn fragen.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schrittetun. 
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, mit dir zuMenschen zu werden.

Du bist nicht fern vom Reich Gottes.
Du bist nicht fern vom Reich Gottes
und das Reich Gottes ist nicht die Kirche.
Es ist kein bestimmtes Haus und keine Behörde.
Das Reich Gottes ist viel kleiner.
Es ist manchmal drumherum oder innen drin.
Und es ist immer anders.
Es ist nicht profitabel.
Und nicht belegbar.
Es ist da wenn es da ist.
Die es sehen, sehen es.
Die es spüren, spüren es. 

Du bist nicht fern vom Reich Gottes.Wie das?
Du bist nicht fern vom Reich Gottes.Wie das geht?

Das versuchen die zu Jesus gehören schon über 2000 Jahre. Und vieles davon hat gewirkt und wirkt noch. Und vieles davon ist zu Zement erstarrt. Und vieles davon würden wir auch auf 1 m Entfernung nicht entdecken, weil wir es uns ganz anders vorgestellt haben. Oder weil es noch wächst. Oder weil es innen ruht, wo wir es nicht sehen können. Mit vielen Bildern hat Jesus das Reich Gottes beschrieben. Und die, die an ihn glauben hat er die Menschen des Reiches Gottes genannt. Die, die helfen können, dass es nahe kommt. 

In einem völlig niederschwelligen Kindertreff für Kinder aus einem strukturschwachen Stadtteil, in einem Suppencafé für Leute, die nichts mehr haben, in einem Bauwagen, der einfach so auf der Wiese steht und man darf kommen ohne Vorbedingung, in einem Seelsorgekontakt für völlig Kirchenferne…. da zum Beispiel, kannst Du es finden: nämlich einen oder eine oder sogar einige, die Gott lieben und die Nächsten. Selbst wenn sie das nicht dauernd sagen. Selbst wenn ihr Gegenüber das anfangs manchmal gar nicht weiß. Und das, was dort geschieht, ist nicht fern vom Reich Gottes, selbst wenn es gar nichts einbringt. 

Wie irre an der Hoffnung festzuhalten, das erzählt uns die Geschichte des Volkes Israel, hat eine ungeheure Wirkung, nicht nur auf die, die hoffen. Als solch ein Hoffnungsmensch sichtbar für andere unterwegs zu sein, da beginnt der Weg, sagt Jesus. Wo Dein Herz bei Gott ist und bei Deinem Gegenüber, da geschieht etwas grundsätzliches. Etwas, wobei Gott mitmischt.

Du könntest es sein, der/die für jemand anderes einen Unterschied macht. Der plötzlich das Reich Gottes näher kommen lässt, der es trägt, mit sich zieht, einen Raum dafür aufmacht. Manchmal tun andere das für Dich. Oder ein alter Gesang. Oder etwas ganz Alltägliches. Das ist verwirrend. Da lässt sich nicht einfangen. Nicht festlegen. Es baumelt allein an der Hoffnung und daran, dass Du glaubst. Und liebst. 

Und dieses kleine baumelnde hofenglaubenlieben ist doch so stark, dass es ein ganzes Leben tragen kann und es ist stärker als das, was du aufschreiben kannst und abrechnen. 

Du bist nicht fern vom Reich Gottes.
Damit bist Du gemeint. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, 
der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe.

.... Salz ist kraftvoll..

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