Sonntag, 10. Dezember 2017

 Vorweihnachtszeit. Die Eltern kichern. Es fallen die üblichen Bemerkungen. Was sie sich denn vom Weihnachtsmann wünschen würde. Ob sie nicht das Zimmer aufräumen wolle, wenn da der Weihnachtsmann durch das Fenster sehen würde. Früher hatte sie das geliebt. Die Welt aus Geheimnissen und Unerklärlichem. Das Kribbeln. Und es gar nicht erklären wollen. Das war als sie selber manchmal in Gedanken in diese Welt flüchtete. Aber nun war sie groß. Es verletzte sie ernsthaft, dass die Eltern sie behandelten wie ein kleines Mädchen. Das mit dem Weihnachtsmann war geklärt. Sie wollte ganz erwachsen an diese Sache heran gehen. Sie vergoss bittere Tränen über die Unwürdigkeit dieses lächerlichen Gehabes. Ihr konnte man nichts mehr vormachen. Ihr sollte man nichts mehr vormachen. Sie war dabei erwachsen zu werden. Irgendwann hörten die Eltern auf mit ihren Andeutungen und hörten auf über ihre Trotzanfälle zu lächeln, wenn es um den Heiligabend ging. Um des lieben Friedens willen gaben sie nach. Man würde dieses Jahr absehen vom Warten auf den Weihnachtsmann bei Würstchen und Kartoffelsalat. Und dem erstaunten Rufen und Suchen nach dem Sack, den der Weihnachtsmann jedesmal woanders versteckte, mal im Kellereingang, mal hinter der Windfangtür. Und auf das Lachen und den Einzug der Geschenke unter großem Gejohle. Und schließlich auch auf das Reihum-Auspacken. Wo jeder unbesehen ein Geschenk aus dem großen Sack ziehen durfte und alle sahen zu, wie der Empfänger es auspackte. All dies wollten sie dieses Jahr weg lassen. Stattdessen sollte es so sein, wie sie es in alten Filmen gesehen hatte. Die Geschenke sollte dekorativ mit großen Schleifen unter dem Baum drapiert sein. Dann würden alle in die Stube gehen, ganz ohne das ganze Tamtam. Und dann würde eben jeder seinen Stapel auspacken. Sie fühlte sich sehr ernst genommen. Und erwachsen. Sie hatte sich durchgesetzt. Schluss mit dem ganzen Kinderzauber. Es kam der Heilige Abend. Alles wurde so gemacht. Aber es wurde der einzige Heiligabend, an dem sie den Zauber weg ließen. Nichts kam ihr fremder und trostloser vor, als dieser Abend. Er gehörte nicht zu ihr. Nicht zu ihrer Familie. Eine große Liebe für den Zauber ergriff sie. Und ein tiefes Verständnis. Sie beschloss, nicht erwachsen werden zu wollen ohne Zauber und Geheimnisse und Unerklärliches.


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