Freitag, 24. November 2017

Weiße zarte Seidenstoffe umfließen den kleinen Stein. Weiß ist auch die kleine Urne, die auf einem Sockel steht, gleich neben der bauchigen Wasserschale, in der wie in einem Mutterleib kleine Lichter schaukeln. In der Urne ist die Asche von sieben ganz Kleinen, die es nicht ins Leben geschafft haben. Das kleine Gefäß trägt ein winziges Rosenhütchen. Rosen liegen auch auf den weißen Stoffen. Leise Klaviermusik zieht über alles hinweg. Bis zum Grab nebenan und dem barocken, leicht verwitterten Engel darauf, der behütend und tröstend hinüber schaut. Der Himmel ist grau verhangen. Wie die Herzen der beiden jungen Paare, die zum Abschied gekommen sind. Die Musik löst ihre Tränen. „Du bist nicht mehr da, mein Kind. Zu kurz war die Zeit mit dir. Viel zu kurz … weißt du was, du hast trotzdem Spuren hinterlassen“ Der Text bewegt sie. Ja. Es war viel zu kurz. Und hier dürfen sie es sagen. Hier dürfen sie ihre Tränen zeigen. Wieder erklingt Musik. Sie nehmen sich alle Zeit miteinander. Die beiden Paare. Die Pfarrerin, der Bestatter. Da kommen noch welche. Die Mutter ist nicht dabei. Dafür der Vater und seine Freunde. Respektvoll stellen sie sich mit in die Runde. Die Pfarrerin liest eine Geschichte. Sie ist aus einem Kinderbuch, aber die einfachen Bilder tun gut. Eine Geschichte voller Licht. Ein Licht dürfen dann alle anzünden. Drei weiße Grablichter stehen an der kleinen Höhle, in die der Bestatter die Urne hinein legt. Die jungen Eltern und auch der syrische Vater werfen Blüten. Sagen Lebewohl. Die Pfarrerin betet für die Eltern und ihre Familien, segnet alle, die da sind mit alten vertrauten Worten. Eine Musik lange bleiben alle noch da. Nehmen eine gold schimmernde Karte mit als Erinnerung an diesen Tag. An diesen Ort werden sie jetzt öfter kommen. Kleine weiße Herzen und Engel-figuren säumen die Wiese, eine Bank steht ganz dicht am Grabstein der Sternenkinder, der wie eine kleine Wolke aus der Wiese ragt. Die beiden Paare gehen. Die Männer stehen fragend da. Ob sie noch ein Gebet in ihrer Sprache sprechen wollen, aus ihrer Kultur, fragt die Pfarrerin. Sie nicken. Nicht umsonst sind sie genau zehn Männer. Zehn starke große Männer, die die Familie gesucht hat, um das kleine, erst im Entstehen gewesen Menschlein, zu betrauern. Einer setzt eine weiße Kappe auf. Er wird ihr Vorbeter sein. Die Männer stellen sich im Halbkreis um das Grab. Eines der Kleinen dort drin ist Muslim. Und sie werden ihn auf ihre Weise verabschieden. Die Pfarrerin wird gebeten, dabei zu bleiben. Die Männer beten. „Allahu akbar..“ … und „Salaam…“ Es wird das erste muslimische Gebet auf diesem deutschen Friedhof gewesen sein. Die Männer greifen nach der Erde und den Blüten, das große Metallkreuz in der Deko stört sie nicht. Sie umarmen sich. Mit dem Frieden auf den Lippen verabschieden sie sich von der Pfarrerin. Und die hat wirklich heute etwas sehr friedvolles erlebt. (24.11.2917)



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

.... Gott gibt sich in Deine Hände...

 Predigt über "Geistwasser"  im Universitätsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen der Predigtreihe...